Julia Biel - Black & White, Vol. 1 (2020)
Die fragilen Lieder von Julia Biel weisen bei "Black & White, Vol. 1" auf Polarisierungen hin.
Der Gesang von Julia Biel
bevorzugt gerne mal höhere Stimmlagen, die leicht kratzig
sowie empathisch eingesetzt werden und forschend ihren individuellen Weg suchen.
Er pendelt sich dabei in etwa zwischen den Stimmfärbungen von Rickie Lee
Jones und Amy Winehouse ein und lässt an die Ausdruckskraft einer Trompete
denken. Das klingt mal gelassen-melancholisch und mal metallisch scharf. Auf
diese Weise wird für Aufmerksamkeit gesorgt, wenn die eigentümlichen Klänge ihre
unvorhersehbaren Bahnen ziehen. Die in London lebende
Sängerin, Komponistin, Gitarristin und Pianistin mit südafrikanischen Wurzeln
lässt sich stilistisch zwischen Jazz, Art-Pop und Soul nicht festlegen. Das
unterstreicht auch der programmatische Titel „Black And White, Vol. 1“, der
für das vierte Album gewählt wurde und auf strikt trennendes, Ungerechtigkeiten
hervorrufendes Schubladendenken hinweist. Darüber hinaus sind die schwarzen und
weißen Tasten des Pianos ein Bezugspunkt zum Titel, denn das Klavier ist
in der jetzigen Konstellation der einzige Begleiter der gefühlsbetonten
Lieder.
Gesang und Tasten bilden dabei eine Zweckgemeinschaft
zur Bewältigung der Spannung, die für die Beherrschung der Intimität aufgebaut
wird: Das Instrument wird zur Beruhigung von aufgewühlten
Situationen eingesetzt, kurbelt eine getragene Stimmung an oder sorgt für
phantasievolle Übergänge. Ganz im Sinne der auf das Wesentliche reduzierten
Songs, von denen sieben schon in vielfältigeren Instrumentierungen auf den
ersten drei Werken der Künstlerin zu finden sind. „License To Be Cruel“
orientiert sich hier z.B. an dem Schwermut klassischer Klavierstücke und weist
sowohl expressionistische wie auch romantische Motive auf.
Die Vorlage von „Love
Letters And Other Missiles“ aus 2015 wird im Gegensatz dazu von einer
geheimnisvollen Aura umgeben, die als cool swingende, dunkle Mystic-Jazz-Nummer
ausgeprägt ist. Die Stücke zeigen also musikalisch relativ breite Unterschiede
auf. Die neuen, puren
Variationen stehen dabei ganz im Glanz der Persönlichkeit der Musikerin, die
eine verletzliche Seele und kreativen Mut bei der Umsetzung offenbaren. Davor
war eher eine dynamische Teamplayerin gefragt, die ihre Kompositionen zum Nutzen
der Songs unterstützt.
Julia Biel lädt zur
gepflegten und gleichzeitig sensibel anregenden Unterhaltung ein. Dazu bedient
sie sich der meditativen Wirkung von poetischen Piano-Tönen und reichert diese
durch eine sanft-sperrige Gesangsleistung an. Das führt zu einem kontrastreichen
Vortrag, der von auffallender Individualität und ungezwungener Musikalität
getragen wird.
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