Posts

Es werden Posts vom Oktober, 2020 angezeigt.

Ane Brun - After The Great Storm (VÖ: 30.10.2020)

Bild
  Ane Brun gehört zu den Personen, bei denen aufgrund ihrer Biographie eine Hinwendung zur Kunst nicht zufällig, sondern beinahe notwendig oder unvermeidbar erscheint. Geprägt durch die Mutter - die Jazzsängerin und Pianistin Inger Johanne Brunvoll - spielte Musik und Kunstverständnis eine große Rolle in der Familie. Aufgrund dieser "schöngeistigen, gestalterischen Vorbelastung" wurde der ältere Bruder Björn womöglich Fotograf und die jüngere Schwester Marie Kvien auch Sängerin.  Ane wurde 1976 in Molde (Norwegen) geboren und verließ 1995 ihren Heimatort, um zwischen Barcelona, Oslo und Bergen zu pendeln. Während ihres Studiums in Bergen begann sie mit dem Schreiben von eigenen Songs, die sie erstmalig 1999 als Demo-Versionen aufnahm. Danach zog sie nach Schweden, wo etwa ab 2001 das Musizieren einen ernsthafteren Hintergrund bekam. 2003 nahm das Talent das Debütalbum "Spending Time With Morgan" auf und tourte danach intensiv durch ganz Europa. Nach einer e

Kurz und bündig: Lil Beck - Mr. LowFi Guy (2009)

Bild
Es handelt sich bei "Mr. LowFi Guy" in der Tat um eine erdige, raue, spontan wirkende Produktion ohne zusätzlichen Schliff. Das Gegenteil von HighFidelity eben. Ursprüngliche Tugenden des Rock'n'Roll wie Rebellion gegen Normen und dreckige Riffs gepaart mit leidenschaftlichem Gesang treten zu Tage. Lil Beck ist ein Musiker aus Los Angeles. der sich im weiten Feld zwischen schweißigem Blues, rohem Rockabilly und Anti-Folk suhlt. Er singt mit nöliger Stimme in der Art eines Gordon Gano (Violent Femmes), Nikki Sudden (The Jacobites) oder Peter Perrett (The Only Ones). Die Band spielt dazu schlampig, wie Johnny Thunders (Heartbreakers).  Authentizität geht hier vor Perfektion, Leidenschaft zählt mehr als ausgefeilte Kompositionen. Die Songs werden im White Stripes-Stil. nur mit Gitarre und Schlagzeug mit gelegentlicher Percussion, sparsam und konturlos präsentiert. Die Magie das Augenblicks soll eingefangen werden.  Lil Beck verbindet die Rock-Klassiker ,,Not fade away&qu

Kurz und bündig: Vienna Teng - Dreaming Through The Noise (2006)

Bild
Die ehemalige Software-Entwicklerin aus dem Silicon Valley legt mit „Dreaming Through The Noise" ihr drittes Album vor. Teng hat zweifellos Talent und singt mit erotisch-charmanter Stimme ihre meist verträumten Songs. Trotzdem hinterlässt das Album bei mir einem zwiespältigen Eindruck.  Hochklassige Kompositionen wie z.B. das verführerische, pastellfarbene „Blue Caravan"  sowie das jazz-poppige „Love Turns 40"  und „Transcontinental, 1.30 A.M.",  die mit Einfühlungsvermögen vorgetragen und geschmackvoll instrumentiert und arrangiert sind, stehen neben elfenhaften, New-Age-gefärbten Liedern. Diese konturlosen, aufgeblasenen Kompositionen (wie z B. "Now Three"  oder „Recessional")  stoßen bei mir sauer auf. Da beschleicht mich doch das Gefühl, dass hier das Kalkül, im Fahrwasser eines Millionenpublikums von z.B. Enja schwimmen zu können, vor künstlerischer Integrität gestanden hat.  Den Songs hätte mehr Straffheit and weniger Vernebelung in der Produkti

Kurz und bündig: SongDogs - Hometown Queens & Bus Stops (2006)

Bild
Bei Americana-Puristen müssen die Musiker aus den USA kommen, um als authentisch anerkannt zu werden. Es ist mal wieder Zeit, mit diesem Vorurteil aufzuräumen Nicht nur Markus Rill hat bewiesen, dass er im Zweifel der kreativere Künstler sein kann, weil er nicht durch Szene-Zugehörigkeit oder durch ideologische Bremsen in seiner Kreativität eingeengt ist.  Da gibt es noch eine Falle weiterer besser Beispiele für 1A-Roots-Musik aus deutschen Landen, wie z.B. die tolle Country-Folk-Psychedelic-Band Waiting For Louise . Auch die SongDogs aus Berlin haben sich im Kern anglo-amerikanischen Spielarten zugewandt und überzeugen zunächst einmal durch ihre unkonventionelle Herangehensweise. Ihre Vorbilder Dylan, Springsteen und Stones dienen nur als Ansporn und treten nicht offen als Kopie zu Tage.  Bei ihrer Songkollektion (nur Eigenkompositionen) wird Abwechslung groß geschrieben. Das Repertoire enthält folkige Balladen, midtempo-Rocker, Blues-Einflüsse sowie Heartland- und Country-Rock-Einsch

Kurz und bündig: Grayson Capps - If You Knew My Mind (2005)

Bild
Grayson Capps war eine Hälfte des Roots-Pop-Duos Stavin' Chain aus New Orleans. Seine erste Solo-CD atmet den Dreck der Großstadt und die Schwüle der Sümpfe Louisianas. Capps singt mit gegerbter Stimme seine an Folk und Blues geschulten Lieder und zeigt dabei großes Talent für die passende Stimmung, perfektes Timing und variable Untermalung.  Die Palette der Ausdrucksweise zieht sich dabei von nur mit akustischer Gitarre begleiteten Erzählungen bis hin zu soften Blues-Rockern. Zu ersteren Songs gehört „ Love Song For Bobby Long", das auf einer Romanvorlage seines Vaters beruht und in 2004 verfilmt wurde (Hauptrolle: John Travolta). Grayson Capps ist in dieser Form eine scharfe Konkurrenz für Songwriter wie John Hiatt oder Greg Brown. 

Kurz und bündig: Denis Jones - Red + Yellow = (2010)

Bild
Denis Jones aus Manchester gehört zu der Gattung Musiker, die sich mit Folk-Tronic beschäftigt. Also der Verbindung traditioneller Erzählkunst zur akustischen Gitarre unter Hinzunahme elektronischer Geräte und Geräusche, die zur Rhythmus- oder Effekt-Bildung eingesetzt werden.  Denis Jones pendelt seine Songs bei dieser Methode geschickt aus. Ist der melodische Anteil dominant, steuert er mit sperriger Elektronik dagegen. Düsteren, kalten Maschinen-Klängen nimmt er durch harmonischen Gesang und liebliche Melodien die Bedrohlichkeit. Jedes Lied ist konzeptionell anders aufgebaut.  So hat er beim Opener "CLAP HANDS" Kinderlied-Verse verwendet und diese mit dröhnenden Bässen hinterlegt. Das Ergebnis erinnert an den DNA-Remix von SUZANNE VEGA's "TOM's DINER".  Der Song "ELVIS" ist im Kern Americana, entwickelt aber durch sirrende Effekte und künstliche Bläsersatze surreale Züge.  Bei "SOMETIMES" beschränkt sich der Elektronik-Anteil auf zucke

Kurz und bündig: Anders Chriss - Volatility (2010)

Bild
Der Schwede Anders Chriss hat 7 Jahre in China gelebt. Dort hat er in unterschiedlichsten Konstellationen - so auch im Jazz- und DJ-Umfeld - auf Festivals und in Clubs Musik gemacht. Diese Vielfalt hat nicht auf sein erstes Album "Volatility" abgefärbt.  Auf "Volatility" tummelt er sich im Alternativ-Rock-Bereich. Seine Songs basieren häufig auf folkig gespielter akustischer Gitarre, bekommen aber durch die Arrangements eine neue Ausrichtung. Anders Chriss scheint alle Instrumente selbst zu spielen und auch das Programming übernommen zu haben.  Man hört Mainstream-Grunge-Rock, wie ihn in ähnlicher Form Nickelback pflegen. Man kann die Seelenpein, die von Radiohead-Kompositionen ausgeht, aufspüren. Oder man wird in die Indie-Disco gebeamt, wenn Chriss die Tracks mit einem monotonen Maschinenbeat unterlegt. Es kann auch gefühlig werden, wie z.B. bei "Little Man". Aber auch hier geht es dann nicht ohne Drum-Computer ab.  Für mich hört sich das dann im Ergebni

Kurz und bündig: Kelley Stoltz - Below The Branches (2006)

Bild
Das Label SubPop aus Seattle hatte nach dem Grunge-Boom sein Programm diversifiziert und bot in diesem Zusammenhang ein reichhaltiges Angebot von Pop-Spielarten jenseits des  Mainstreams an.  Sie nahmen auch den Home-Recording-Frickler Kelley Stoltz unter Vertrag. Dieser ist vor allem dadurch aufgefallen, dass er für seine CD „Crock-O-Dials" (2005)  das gesamte „Crocodiles"-Album von Echo and The Bunnymen aus dem Jahr 1980 gecovert hat. „Below The Branches" ist musikalisch ein weiterer Schrift nach vorne. Stoltz hat handwerklich dazugelernt und mischt seine Songs mit Zutaten aus Psychedelic-Pop (Syd Barrett / Kevin Ayers / "Sgt. Pepper" / „Pet Sounds") auf. Weitere Ähnlichkeiten mit Elliott Smith und Will Oldham sind wohl auch nicht zufällig.

Fooks Nihil - Fooks Nihil (VÖ: 09.10.2020)

Bild
  Da sage noch jemand, Zeitreisen seien nicht möglich. Fooks Nihil beweisen das Gegenteil. Das Trio aus Frankfurt am Main und Wiesbaden katapultiert die Zuhörer in eine Zeit zurück, in der es noch Schwarz-Weiß-Fernseher und bevorzugt Vinyl-Platten als Tonträger gab. Die Wahrnehmung von Pop-Musik war damals besonders wichtig und wertvoll. Sie hatte beinahe religiöse Züge. So spaltete die Wahl zwischen Beatles und Stones Familien, Klassengemeinschaften und Freundeskreise. Aber noch viel entscheidender war die Bildung einer Jugendkultur, einer sozio-politische Zugehörigkeit und einer Abgrenzung zur erziehenden Generation. Dies wurde durch die Musik entscheidend beeinflusst. Diese Zusammenhänge werden durch Fooks Nihil wieder lebendig, ohne dass den Tönen dabei eine Retro-Muffigkeit oder ein bieder-öder Oldie-Geruch anhaftet. "Insight Of Love" atmet den Freiheitsdrang der Westcoast-Hippie-Kultur und verbreitet einen Sound, der direkt aus den Garagen der Vorstädte zu kommen schein

Lost & Found-Portrait: Kate Wolf, David Ackles & Fred Neil - Gone But Not Forgotten.

Bild
Von links nach rechts: Kate Wolf, David Ackles, Fred Neil.  Häufig erfahren Musiker nach ihrem Tode einen ungeheuren Popularitätsschub, werden zu Legenden (v)erklärt oder sie erlangen zumindest Kultstatus. Diese Kolumne ist drei außergewöhnlichen Musikern gewidmet, die viel zu früh an Krebs gestorben sind. Sie haben auf ihre spezielle Art einzigartige, qualitativ hochwertige Musik geschaffen und waren stets bestrebt, Glaubwürdigkeit, Kreativität und Innovation miteinander zu verbinden.  Kate Wolf & The Wildwood Flower.  Von links nach rechts: Rick Byars, Blair Hardman, Kate Wolf, Paul Ellis, Don Coffin, Eddie B. Barlow Als Kate Wolf 1976 ihre erste durch Spenden finanzierte CD herausbrachte, war diese akustische, emotional anregende Musik nicht gefragt. Punk und New Wave eroberten grade die Hitparaden und College-Radios. Manche Musik passt eben nur zu bestimmten Stimmungen oder Tageszeiten. Andere erobert den Hörer und hält ihn in Bann, egal wann sie gehört wird. So passiert es mi

Skandinavien Special: William The Contractor, Them Bird Things und Murder.

Bild
Skandinavien ist seit Jahren als Quelle hervorragender Namen wie MADRUGADA, MOTORPSYCHO, MIDNIGHT CHOIR (Norwegen), SOPHIE ZELMANI, JOSE GONZALES / JUNIP, NICOLAI DUNGER. CHRISTIAN KJELLVANDER (Schweden), JIMI TENOR (Finnland), LAMPSHADE, FUNKY NASHVILLE (Dänemark) lassen Kenner aufhorchen. Hier weitere Namen, die größere Beachtung verdient hätten:  WILLIAM THE CONTRACTOR kommt aus Schweden und heißt eigentlich Markus Bergqvist. Er ist quasi ein Alleinunterhalter, das heißt, er spielt und singt fast alles selber. Es helfen nur ein paar Freunde an Blasinstrumenten und Backing-Vocals aus. Markus kam durch ein makaber-trauriges Ereignis dazu, in sein Alter Ego WILLIAM THE CONTRACTOR zu schlüpfen: Sein Vater war plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben und er sang auf Bitte seiner Mutter auf der Beerdigung. Durch dieses Erweckungserlebnis fühlte er sich fortan zum Songwriter berufen.  TALL STORIES entstand 2011 aber eher zufällig. Sein Bandkollege und Label-Inhaber von Crying Bob-Records,

The Late Call - Your Best Friend Is The Night (VÖ: 02.10.2020)

Bild
  "Your Best Friend Is The Night" ist bereits das fünfte Werk von The Late Call. Das ist ein Projekt, hinter dem der in Schweden lebende deutsche Musiker Johannes Mayer steckt. Die Anfänge der Entstehung der neuen Songs gehen bis zum Spätsommer 2016 zurück. Johannes verbrachte damals drei Monate in Berlin.  Der Routinier, der sein erstes Album "Leaving Notes" bereits 2009 einspielte, wollte sich ausprobieren und scheute nicht davor zurück, das Piano - das für ihn in der Handhabung gleichzeitig Faszination und Ehrfurcht hervorruft - als zentrales Instrument einzusetzen. Dadurch löst er die bei ihm sonst übliche Gitarre als Begleitinstrument ab.  Ein Jahr lang hatte er neues Material gesammelt, das nun ausprobiert werden sollte, um es danach im Studio Nord in Bremen aufnehmen zu können. Johannes wollte dort die alleinige Verantwortung für die Songs und deren Arrangements übernehmen, nur unterstützt vom Tontechniker Gregor Hennig. Deshalb wurden die Lieder als Solo-Int

Tingvall Trio - Dance (VÖ: 02.10.2020)

Bild
Am Anfang war der Tanz. Als der Jazz um 1900 in den Südstaaten der USA von der afro-amerikanischen Bevölkerung zunächst als Ragtime entwickelt wurde, diente er dazu, den ausgelassenen Bewegungsdrang der Menschen zu befriedigen. Auch Dixieland und Swing zwangen die Menschen aufgrund des ansteckenden Schwungs auf die Tanzflächen. Der Bebop, der in den 1940er Jahren populär wurde, hatte da schon sehr viel mehr Improvisationsanteile und markierte den Anfang des intellektuell geprägten Modern Jazz. Seitdem gab es diverse Spielarten, die entweder eingängig oder komplex klangen. Beim Jazz gibt es bis heute keinen Stillstand: Es werden immer wieder Genre-fremde Stile eingebunden, Traditionen aufgearbeitet und verschiedene Instrumentierungen ausprobiert. Das Tingvall Trio bereicherte 2006 mit dem Studioalbum "Skagerrak" die gediegene, verspielte und neugierige Jazz-Szene. Nach einer dreijährigen Veröffentlichungs-Pause seit "Cirklar" ist "Dance" nun schon Studioal