JAMES TAYLOR - Before This World (2015)

JAMES TAYLOR hat sein erstes Album mit eigenen Songs seit 2002 veröffentlicht. Es heißt BEFORE THIS WORLD und erfüllt die Erwartungen, die man an diese Ikone des sensiblen Country-Folk-Pop stellt. Um nicht zu sagen: Es ist sehr schön geworden.
Erfahrung und Talent machen`s möglich. Nach 13 Jahren ohne eigene neue Songs hält James Taylor aktuell mühelos seinen gewohnten Qualitätsstandard.
Vor seinem Durchbruch im Jahr 1970 mit der Platte „Sweet Baby James“ hatte der Troubadour James Taylor schon bewegte Zeiten hinter sich. Einsamkeit und Verzweiflung waren Wegbegleiter des in wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsenen Musikers gewesen, bevor er mit seinen frühen melancholischen Songs zum Sprachrohr und zur Identifikationsfigur vieler von Selbstzweifel und Unsicherheit geplagter Jugendlicher wurde.
Schon 1965 - mit 17 Jahren - unternahm der sensible Teenager einen Suizid-Versuch und verbrachte danach einen 9-monatigen Klinikaufenthalt wegen Depressionen. In dieser Zeit war er in einer kargen Zelle untergebracht, in der nur ein Radio seine Verbindung zur Außenwelt darstellte. Aus der Isolation flüchtete er nach New York, wo er mit seinem Kumpel, dem Gitarristen Danny Kortchmar, die Band Flying Machine gründete. Aber dieses Vorhaben war glücklos und James verarbeitete das Scheitern im Heroin-Rausch. 1968 führte ihn sein Streben nach Anerkennung auf musikalischem Gebiet nach London, wo seine Demo-Tapes in die Hände von George Harrison und Paul McCartney fielen, die grade auf Talentsuche für ihr Apple-Label waren. Und so erschien „James Taylor“ 1969 als erste Platte mit dem Apfel-Logo. Da ihn die Sucht aber weiter im Würgegriff hatte, ging er zurück in die Staaten, um eine Entziehungskur zu machen.
Alle diese Ereignisse bildeten die Grundlage für seinen tief berührenden Mega-Hit „Fire And Rain“ und seine Karriere als intimer, authentischer Poet und Liederschreiber. Als Mitglied der First Family Of New Rock, wie die kritischen, offenen und kreativen Musiker rund um die Laurel Canyon Folk-Szene marketingtechnisch genannt wurden, genoss er den Ruf eines Erweckers. Zusammen mit Gleichgesinnten wie Carole KingStills, Nash & Young und Joni Mitchell stand er für Ehrlichkeit, Aufbruch und künstlerische Freiheit. Viele Menschen fanden sich mit ihrer Verletzlichkeit und ihren Unzulänglichkeiten in den lebensnahen, gefühlvollen Texten des modernen Geschichtenerzählers wieder. Taylor unterstreicht seine Glaubwürdigkeit noch mit einer sanften, vertrauensvollen Stimme, die einen hohen Wiedererkennungswert hat. Hinzu kommt noch, dass seine herb-süßen Country-Folk-Songs das Lebensgefühl von gestrauchelten, ehrwürdigen Charakteren, die ihre Selbstzweifel reflektieren und daraus geläutert hervorgehen, perfekt transportieren.
Es sollte noch bis Mitte der 80er-Jahre dauern, bis James seine Drogensucht besiegt hatte. Seine Musik und die Bestätigung der weltweiten Fans halfen wahrscheinlich nachhaltig, die Abhängigkeit zu bewältigen. Spätestens seitdem gilt er als Musterbeispiel für einen ausgeglichenen, berechenbaren, anspruchsvollen Musiker, der seine Fans mit nahezu gleichbleibender Qualität verwöhnt und nun auch die positiven Seiten des Lebens beleuchtete. Das Repertoire wurde schon früh durch Blues-getränkte Schleicher ergänzt und gerne fließen auch galant-geschmeidige Jazz-Phrasen in seine Kompositionen ein oder er lässt gelegentliche Weltmusik-Abstecher zu. Das alles wird bis heute in gehalt- und geschmackvolle Arrangements gegossen und wertbeständig vorgetragen. Für seine Kritiker sind die Ergebnisse oft zu vorhersehbar und orthodox. Seine Anhänger halten dagegen, dass er einen unverwechselbaren Stil entwickelt hat, den er durch leicht abgewandelte Zutaten kultiviert.
Before This World - Taylor, James: Amazon.de: Musik
„Before This World“ ist sein sechzehntes Studioalbum und das erste mit neuen selbstverfassten Songs seit „October Road“ aus dem Jahr 2002. Der sanfte Barde kann immer noch bemerkenswerte Lieder verfassen, wie „Stretch Of The Highway“, ein cool groovender Gospel-Folk mit Steely Dan-Assoziationen, beweist. Der Titel wurde durch süffige Bläser und soulige Background-Sängerinnen zusätzlich qualitativ aufgewertet. Ebenfalls sehr gelungen ist der feierliche Short-Story-Folk „Angels Of Fenway“ mit seinen dezenten Reggae-Licks sowie „Montana“, eine Ballade im gemütlich-friedvollen Walzer-Takt. Dann sticht noch die bedrückende Politik-Aufarbeitung „Far Afghanistan“ mit ihren Weltmusik-Eindrücken hervor. Man spürt bei den neuen Aufnahmen das Verlangen, bewährte und beliebte Themen und Vorgehensweisen niveauvoll aufzugreifen. Das zeigt sich beim lockeren, ausgeruhten Westcoast-Folk „Today Today Today“ genauso wie beim gedämpft-beschwingten Pop-Ausflug namens „Watchin` Over Me“. Der traditionelle Folk-Song „Wild Mountain Thyme“ erinnert als besinnlich-intime, sich Zeit nehmende Nummer an die Anfänge des Sängers.
Über die Gesamtlänge macht das Werk einen abgeklärten, professionellen Eindruck, basierend auf einem gehobenen musikalischen Niveau. Mr. Taylor geht vielfach auf Nummer sicher und gibt den Leuten ohne ein Risiko einzugehen, was sie erwarten. Nämlich eine kammermusikalische Ballade („You And I Again“ mit Yo-Yo Ma am Cello), eine Celtic-Folk-Suite („Before This World/Jolly Springtime“) mit Sting als gesangliche Unterstützung und mit „Snowtime“ eine feierliche, besonnene, instrumental weit gefächerte Ballade. Der Altmeister ist inzwischen zu einer unumstößlichen Institution geworden, die stets entspannt, sympathisch und feinfühlig agiert. Eine JT-Platte zu hören, ist wie einem alten Freund zu begegnen, der sich über die Zeit nicht zu seinem Nachteil verändert hat. Gut, dass es noch verlässliche Größen gibt.
Einen stimmungsvollen Trailer gibt es auch:

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