Jon Spencer - Sings The Hits (2018)

Maximum Rock & Roll: Jon Spencer bringt sich mit "Sings The Hits" als Bewahrer des spröden, rauen und aufsässigen Faktors in der Rockmusik in Stellung.
Jon Spencer ist der Hüter des brachialen Rock & Roll und rettet dessen schwarze Seele vor der Verdammnis. Und jetzt wurde er bekehrt und singt Hits? Keine Sorge, der Titel führt in die Irre. Spencer hat nichts von seinem Biss und seiner Energie verloren. Die hat ihn schließlich über die Jahre durch etliche Inkarnationen wie Pussy Galore, The Jon Spencer Blues ExplosionHeavy TrashBoss Hog oder Spencer Dickinson begleitet.
Mit dem verrückten „Do The Trash Can“ tritt Jon Spencer das Erbe der legendären The Cramps an, die mit ihrem wilden, ausufernden, animalischen Psychobilly in den 1980er Jahren Maßstäbe setzten. Der brutale Blues-Rock „Fake“ und das mit dem Glam-Rock verwandte „Overload“ schlagen prinzipiell in die gleiche Kerbe und laden auch dazu ein, in der Underground-Disco das Tanzbein zu schwingen. Der Funk-Beat von „Time 2 Be Bad“ ist monoton, böse, primitiv und dreckig. Und das ist gut so. „Ghost“ bringt Mystery-Feeling in den Rock & Roll ein und sorgt somit für eine spannend-bedrohliche Stimmung.
„Beetle Boots“ erinnert in seinen überdrehten, schrillen Momenten an die New Wave-Band The B-52`s. Eine erfreuliche und seltene Referenz. Das Rhythmusgerüst und der Gesang von „Hornet“ enthält HipHop-Bestandteile und „Wilderness“ verknüpft diese Einflüsse mit Anleihen an den harschen Rhythm & Blues von „You Really Got Me“ der Kinks. Boogie in der Art von T.Rex bildet die Grundlage für „Love Handle“. „I Got The Hits“ zapft wieder die knackigen, krachenden Riffs der frühen The Kinks und die Power der Ramones an. 
„Alien Humidity“ wirkt relativ wirr, unstrukturiert und sperrig, während „Cape“ behäbig den Blues aus der Reserve zu locken versucht.
Die Songs haben hinsichtlich ihrer Länge von etwa zweieinhalb bis dreieinhalb Minuten schon Hit-Charakter, sind aber zu schroff und eigensinnig, um im Mainstream zu existieren. Dennoch sind sie attraktiv, weil sie Biss und Schwung besitzen. Spencer hat schon erheblich schrägere und kaputtere Sachen als „Spencer Sings The Hits“ abgeliefert. Von daher sind diese Tracks aus seinem Blickwinkel heraus gemäßigt und haben einen definitiven Hit-Charakter. Durch diese Anpassung werden sie für jeden Hörer interessant, der den spröden, rauen und aufsässigen Faktor in der Rock-Musik sucht und vermisst.
Das Power-Trio bildet eine kompakte Einheit, die ohne große Mätzchen kraftvoll agiert. Die Rhythmusfraktion mit Sam Coomes (Quasi, Heatmiser) an den Keyboards und am Synthesizer-Bass sowie der Schlagzeuger Mike Guard (alias M. Sord) vom No Monster Club baut dafür eine stabile, druckvolle Basis auf, die der Maestro mit alarmierender Gitarrenarbeit anreichert. Alles im Geiste der unsterblichen Ahnen wie Bo Diddley, John Lee Hooker, Howlin` Wolf, The Velvet UndergroundThe Stooges, Marc Bolan, Alex Chilton, The Cramps, RL Burnside oder The Gun Club. Rock & Roll ist eben doch nicht tot, lang lebe Jon Spencer!
Erstveröffentlichung dieser Rezension: Jon Spencer - Sings The Hits

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