Mandolin Orange - Tides Of A Teardrop (2019)

Mandolin Orange zelebrieren mit „Tides Of A Teardrop“ herausragende, empfindsame Country-Folk-Gospel-Ambient-Musik.

Mandolin Orange ist das Country-Folk Duo Andrew Marlin (Gesang, Mandoline, Gitarre, Banjo) und Emily Frantz (Gesang, Geige, Gitarre) aus Chapel Hill in North Carolina, das auf der mittlerweile sechsten Platte in zehn Jahren von ihrer Tour-Band (Josh Oliver (Gitarren, Keyboards, Background-Gesang); Clint Mullican (Bass, Bariton-Gitarre); Joe Westerlund (Schlagzeug, Percussion)) begleitet wird. Nichtsdestotrotz ist der Sound fragil und luftig, ländlich-gelassen und ausgewogen geworden. Zentrale Themen der Songs sind Verlust und Einsamkeit, die in sanfte, gefühlvolle, melancholische oder kontrolliert beschwingte Noten verpackt werden. Die Musiker lassen sich nicht hetzen und haben eine Gangart gefunden, die dem Stress und der Hektik entsagen. Musikalisch stützen sie sich auf alte Werte. Das Fundament dafür bilden die Errungenschaften von klassischen Americana-Songwritern wie Hank Williams, The Carter Family oder The Louvin Brothers. So entsteht zeitloses Liedgut von erlesener Qualität mit wechselndem, einfühlsamen Lead-Gesang und betörenden Duett-Stimmen. Was die Intimität der Lieder und deren Intensität und Gefühlstiefe angeht, spielen Mandolin Orange heute in einer Liga mit Gillian Welch & David Rawlings und The Milk Carton Kids.


„Golden Embers“ mit seinem überraschenden Mittelteil aus der klassischen Romantik und das entspannte "The Wolves" sind anrührend und entwickeln im Verlauf auch noch einen geschmeidig-milden Groove. 
Eine stoische Trommel gibt bei den Country-Pop-Balladen „Into The Sun“ und „Like You Used To“ dezent, aber unnachgiebig den Takt an. Emily singt dazu engelsgleich und Andrews Mandoline weint bittere Tränen, spendet aber auch Trost. 
Andrew trägt beim traurigen „Mother Deer“ die erste Stimme bei, Emily füllt gelegentlich mit ihrem ergänzenden Gesang Lücken aus und sorgt so für harmonischen Beistand. Beim locker schunkelnden „Lonely All The Time“ werden Erinnerungen an Gram Parsons & Emmylou Harris wach und das getragene, sehr langsame „When She's Feeling Blue“ bietet glasklar gepickte akustische Gitarrenklänge an, wie sie auch Willie Nelson gerne verwendet. Die herzzerreißende, aber schmalzfreie Ballade „Late September“ wird locker und gleichzeitig konzentriert vorgetragen und der Country-Walzer „Suspended In Heaven“ ist einer dieser ergreifenden Songs, mit denen Andrew Marlin den Tod seiner Mutter verarbeitet.
„Time We Made Time“ weckt die Erinnerung daran, wie wichtig es ist, sich Zeit für die verbindenden und beglückenden Dinge im Leben zu nehmen. Was natürlich musikalisch mit viel Muße, Sanftmut und beruhigender Zärtlichkeit vermittelt wird. „Tides Of A Teardrop“ besitzt eine Ästhetik, die die Musik als im Kern ruhend, wissend, ja schon beinahe erleuchtet ausweist. Empfindsame Country-Folk-Gospel-Ambient-Musik wäre ein Etikett, welches die Wurzeln und die Wirkung des Sounds zusammenfasst. Obacht: Die Erstauflage enthält unter dem Namen „Sing And Play Traditionals“ eine EP mit vier historischen Songs, die berührend schön neuinterpretiert werden.

Erstveröffentlichung dieser Rezension: Fanzine ROADTRACKS #54

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