Purple Mountains - Purple Mountains (2019)

Die Silver Jews sind Alternative-Country-Geschichte. Mit Purple Mountains schlägt David Berman jetzt ein neues Americana-Noir Kapitel auf.
David Berman hat sich sowohl als Autor von Gedichten („Actual Air“) wie auch als Musiker profiliert. 1989 gründete er gemeinsam mit dem Schlagzeuger Bob Nastanovich und dem Gitarristen und Sänger Stephen Malkmus - die beide bereits parallel in der Formation Pavement spielten - in New York die Alternative-Country-Band Silver Jews. Die wachsende Popularität von Pavement überstieg allerdings bald den auch nicht unerheblichen Einfluss der Silver Jews, den diese auf die Entwicklung des Rock-Undergrounds ausübten. Trotz einer Vielzahl von persönlichen Problemen führte Berman die Gruppe dann noch zwanzig Jahre lang weiter und brachte in dieser Zeit allerdings nur sechs Studio-Alben raus.
Nach elf Jahren Veröffentlichungspause ist David Berman nun als Purple Mountains wieder da. In dieser Ausprägung hat er einen Americana-Sound entwickelt, der selten ursprünglich-traditionell daherkommt. Stattdessen wird in üppig wirkende, orchestral aufgebaute oder spielerisch leichte Pop-Fundamente investiert. Die Lieder sind oft so verschroben verschachtelt, dass sie nicht unbedingt sofort zum Ohrwurm werden, sondern Zeit benötigen, um ihre schwere Süße und herzliche Freundlichkeit sowie eine versöhnliche Milde freizusetzen. Bermans Stimme schwingt dazu mal höhnisch wie Frank Zappa oder knarzig-altersweise wie Lee Hazlewood.
„That's Just The Way I Feel“ enthält mit der Bemerkung: „Ich bin das selbe alte Wrack wie immer“ eine Anspielung auf Davids von Krisen geschüttelte Vergangenheit. Sie war durch einen Selbstmordversuch, eine durchlittene Drogensucht, das Scheitern seiner Ehe, das Zerwürfnis mit seinem Vater, den Tod seiner Mutter und einer die Perspektiven ändernde Augenoperation gekennzeichnet. Nun wird aber unmissverständlich und trotzig klargestellt, dass mit dem Musiker noch zu rechnen ist. Die innere Leere ist überwunden und die verlorene Zeit wurde aufgearbeitet. Ironie, Humor und die Akzeptanz der eigenen Unzulänglichkeiten halfen dabei, neue Texte und Songs zu entwerfen. Diese Tugenden spiegeln sich nicht nur in dem gemächlichen Honky-Tonk-Country-Eröffnungs-Stück der neuen Platte wider und sorgen auch im weiteren Verlauf dafür, dass die Hoffnung trotz der überwiegend gedämpften Stimmung eine Chance erhält.
Selbst beim scheinbar in Selbstmitleid badenden Titel „All My Happiness Is Gone“ herrscht keine aussichtslose Schwarzmalerei. Der aufmunternde Rhythmus suggeriert beharrliche Durchhaltebereitschaft und die kitschigen, synthetischen Geigen vermitteln lebensbejahenden (Zweck-)Optimismus. 
Auch bei der sanft-wehmütigen Ballade „Darkness And Cold“ bleibt der Gesang zwar nachdenklich, wirkt aber nicht verzweifelt. Die Mundharmonika entfaltet Töne, die Einsamkeit ausdrücken, aber der weibliche Background-Gesang wirkt ausgleichend, tröstlich und warmherzig. 
Für „Snow Is Falling In Manhattan“ wird eine feierliche Stimmung erzeugt, indem die weinende Steel-Gitarre für die Sehnsucht und die erhabene Trompete für die Andacht sorgt.
Lässige Soft-Rock-Eleganz und stimmungsvolles Calexico-Mariachi-Flair lassen „Margaritas At The Mall“ zu einem gelungenen Americana-Crossover werden.
 „She's Making Friends, I'm Turning Stranger“ stellt sphärischen Country-Rock dar, der auf ein stabiles rhythmisches Gerüst gestellt wird. „I Loved Being My Mother's Son“ widmet sich mit trockenem Velvet Underground-Folk, der durch positiv gestimmte Gitarren-Solo-Einlagen aus der Monotonie gerissen wird, der liebevollen Beziehung, die David zu seiner verstorbener Mutter hatte. Der majestätisch schwebende Jazz-Folk „Nights That Won't Happen“ sendet versöhnlich blinkende Signale aus und bringt so Farbe, Licht und Gelassenheit in die dunkelgraue Atmosphäre. Der Text wird hier eher zitiert als gesungen. Er erhält durch überirdisch erscheinende, engelsgleiche Hintergrundstimmen zusätzliche Strahlkraft und das Lied bekommt dadurch eine besinnliche Note.
„Storyline Fever“ kommt im Vergleich zu den vielen in sich gekehrten Liedern des Albums beinahe übermütig-lebenslustig rüber. Der Pop-Rocker ist wortreich, was den aufkommenden Schwung ein wenig bremst, deshalb kann er auch nicht mit den raffiniert ausgeklügelten Melodielinien einiger seiner Vorgänger mithalten. Der etwas holprig-unrunde Country-Schlager „Maybe I'm The Only One For Me“ markiert die grundsätzliche Einstellung des alternativen Singer-Songwriters, denn der individuelle Außenseiter lässt hier nochmal seine melodischen Ambitionen und eine ironische Weltsicht durchblicken. Co-Autor war hier übrigens Dan Auerbach von The Black Keys.
Als Begleitung kamen unter anderem die psychedelischen Folk-Jazzer des New Yorker Projektes Woods zum Einsatz, die den Songs oft einen herben, knochigen, dunklen Americana-Sound verpassen. Die Musiker sorgen dafür, dass die Melancholie geschickt maskiert wird und dadurch Mut spendende Strömungen freigibt. Wie schon angedeutet, erobern die Songs den Hörer nicht unbedingt im Sturm. Einige muss man sich sogar schön hören, da sie nicht offensiv auf Gefälligkeit getrimmt sind. Vielmehr haben sie ihre Haken und Ösen, aber weisen auch einen harmonisch-zugänglichen Kern auf. Ist der erst einmal freigelegt, erschließt sich die wahre Schönheit und Anmut der Kompositionen. Das ist ein Konzept, welches langanhaltenden Genuss verspricht. Welcome back, David Berman!
Erstveröffentlichung dieser Rezension: Purple Mountains - Purple-Mountains

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