Django Django - Glowing In The Dark

Wie nähert man sich dem Sound des 2008 in London gegründeten Quartetts Django Django an, wenn isoliert betrachtet die aktuelle, vierte Platte "Glowing In The Dark" im Fokus stehen soll? 

Vielleicht erst einmal, indem verdeutlicht wird, dass diese Formation stilistisch vor nichts zurückschreckt. Betrachtet man deren Zusammenstellung aus der "Late Night Tales"-Serie, dann wurde dort das Akustik-Gitarren-As Leo Kottke neben dem Minimal-Art-Künstler Philip Glass und den Trip-Hoppern von Massive Attack angeordnet. Aber auch James Last mit seiner Version des "Inner City Blues" von Marvin Gaye und eine eigene Cover-Version des "Porpoise Song" der Teeny-Pop-Band The Monkees aus dem Jahr 1968 wurde ausgewählt. Die Band drückt das so aus: "Django Django`s "Late Late Tales" nimmt Sie mit auf eine psychedelische Reise aus Blues, Jazz, Leftfield-Rock, Hip Hop und Electronica". Was für eine Bandbreite, die unter anderem auch noch Blues, harten Indie-Rock und Soul beinhaltet.

Entsprechend der mannigfaltigen Erfahrungen und Interessen lassen Django Django für "Glowing In The Dark" ein Feuerwerk an Assoziationen aufleuchten und jede Menge ungewöhnliche Ideen von der Kette. Der Opener "Spirals" symbolisiert mit seinen sich abenteuerlich beschleunigenden, elektronisch erzeugten Akkorden die gedrehte DNA-Struktur. Somit den Strudel des Lebens und die Essenz des Seins. Der Song handelt davon, dass uns als Menschen mehr miteinander verbindet, als uns trennt. Der Song wirbt also um Toleranz. Der coole, an New Order orientierte Bass bringt den Track zusammen mit dem galoppierenden Schlagzeug auf die Tanzfläche. Der konzentrierte Gruppengesang sowie das energisch-optimistische Surf-Rock-Gitarrensolo sorgen daneben für stabilisierende, sympathische Schwingungen, während die Keyboards die vorhandenen Lücken mit kitschig-wolkigen Orchestral Manoeuvres In The Dark-Klang-Nebeln ausfüllen. Das hat großes Hit-Potential!
An diesen Adrenalin-Kick dockt das muntere "Right The Wrongs" mit leicht schrägem New Wave-Sound direkt an. Hat da jemand Devo gerufen? Gar kein schlechter Vergleich! Wie bei einem Staffellauf wird der Stab mit den Inhaltsstoffen aus dem Vorgängerstück an "Got Me Worried" weitergegeben. Im Klartext: Devo treffen auf die Monkees, deren gut gelaunte Stimmung es bis nach Brasilien geschafft hat, wo sie mit Samba-Zutaten angereichert wird. Der 60s-Pop fühlt sich hörbar wohl am Zuckerhut!

Für die angenehm leichte und frische, aufs Lustzentrum abzielende Mid-Tempo-Nummer "Waking Up" trägt Charlotte Gainsbourg erotisch angereicherten Gesang bei. Sex sells! "Free From Gravity" bedient sich bei den Eingangs-Sequenzen des Southern Soul-Songs "I Can't Stand The Rain" von Ann Peebles und lässt sich danach auf einen Ablauf ein, bei dem der eingängige Refrain zu Tode genudelt wird. Schade drum, denn da wäre bei weniger Wiederholungen mehr Spannung drin gewesen. Eine vertane Chance!
"Headrush" geht da direktere Wege, lässt druckvollen Schwung aufkommen und bietet melodisch differenzierte Formate an, die aus dem Gewöhnlichen das Besondere machen. Der zielgerichtete Weg ist manchmal auch der attraktivere! Das Instrumental-Stück "The Ark" wildert in der Erfahrungslandschaft, die Brian Eno und David Bowie 1977 für "Low" ersonnen haben: Elektronische Spielereien, die auf Kraut-Rock-Erfahrungen beruhen, führen zu einem kruden Science-Fiction-Soundtrack. Zurück in die Zukunft!

Der Boogie-Blues "Night Of The Buffalo" trifft auf nostalgische Harmonien, wie sie von The Zombies oder The Association in den 1960er Jahren ins Leben gerufen wurden. Ein organisch eingebundenes, orientalisch anmutendes Zwischenspiel und ein kammermusikalisches Streicher-Outro sorgen neben dem weit gefassten Umfang des eingesetzten musikalischen Geschichtsbewusstseins für weiteres Erstaunen. Die ehrwürdigen Geister der Vergangenheit werden aus der Flasche gelassen! Und schon wieder ein Richtungswechsel: Stilecht wird "The World Will Turn" als romantischer, mehrstimmiger Country-Folk aufgeführt. Und zwar so überzeugend, als wäre das Lied ein Outtake von den Milk Carton Kids. Das ist Qualität jenseits von Zeit und Raum!

"Kick The Devil Out" lässt dann den Funk in den Pop einziehen, wobei beide Stile etwa zu gleichen Anteilen vorhanden sind: Der Funk bestimmt den Rhythmus und der Pop die Melodieführung. Eine demokratische Gestaltung, wenn man so will! Der Track "Glowing In The Dark" ist von Electronic Dance Music geprägt. Harte Beats und repetierende Refrains erzeugen ansteckendes Futter für den Tanzboden. Das Funkeln im Dunkeln ist das Laser-Licht!
"Hold Fast" benutzt hypnotische, sich wiederholende Takte, wie sie ähnlich bei der Gamelan-Musik aus Bali üblich sind, um trance-artige Zustände zu simulieren. Dieses Konstrukt wird allmählich in eine weiche Umgebung eingebunden, so dass die gleichförmige Taktfrequenz besänftigt wird und ein beschwingtes, lieblich-optimistisch wirkendes Stück entsteht. Fernöstliche Traditionen verschmelzen mit westlichem Dynamik-Verständnis! Zwischen Supertramp ("The Logical Song"), Neu! ("Für immer") und Peter Frampton ("Show Me The Way") ist "Asking For More" angesiedelt. Das ist Unterhaltungs-Musik, die sowohl den Mainstream-Konsumenten wie auch den verwöhnten Art-Pop-Gourmet anspricht. Gelobt sei, was Spaß macht!

Bei "Glowing In The Dark" wird POP ganz groß geschrieben. Sowohl Pop als Unterhaltungsansatz wie auch als Kulturgut. Es geht nicht darum, die Hörer mit modischen Attributen abzuspeisen oder das zu reproduzieren, was grade angesagt ist und die Charts flutet. Musik wird als eine umfassende Errungenschaft betrachtet, deren wertvolle Bestandteile gehegt, gepflegt und erhalten werden müssen. Vincent Neff (Gesang und Gitarre), David Maclean (Schlagzeug und Produktion), Jimmy Dixon (Bass) und Tommy Grace (Keyboards) bewegen sich souverän zwischen Kunst und Kitsch und erheben dabei ihre Kompositionen zu einer universellen Klangsprache mit Niveau und individuellem Ausdruck, die ein breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten abdeckt. Völlig ohne Scheuklappen gelingen so Kombinationen, die aus historischen und aktuellen Tonmustern zeitlos relevante Songs entstehen lassen.

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