LIZZ WRIGHT - FREEDOM & SURRENDER (2015)

LIZZ WRIGHT hat das Label und den Produzenten gewechselt und präsentiert mit FREEDOM & SURRENDER eine weitere Facette ihres Könnens. 

Wer Norah Jones schätzt, wird Lizz Wright lieben.

Formal wird Lizz Wright dem Jazz zugeordnet. Diese starre Einordnung widerspricht aber ihrer Flexibilität, denn sie ist eine Grenzgängerin zwischen den Stilen Jazz, Gospel, Rhythm & Blues, Pop, Country, Folk, Gospel und Soul. Auch die Wahl der Cover-Versionen zeigt, dass sie keine Berührungsängste kennt. Sie wagt sich dabei in Bereiche vor, die von anderen Kolleginnen weitgehend gemieden werden. Lizz wurde die Wirkung, die Musik auf Körper und Seele haben kann, schon von klein auf bewusst. Ihr Vater war Prediger und sie sang schon als Kind in seinem Kirchenchor und erhielt Klavierunterricht. Die afro-amerikanische Sängerin und Komponistin wirkt deshalb sehr überlegt bei ihrem Vorgehen und tief verbunden mit dem, was sie tut. Gesanglich ist die religiös erzogene Sängerin sowohl von Aretha Franklin wie auch von Donny Hathaway, Nina Simone und Abbey Lincoln beeinflusst.
Freedom & Surrender - Lizz Wright: Amazon.de: Musik
Lizz lässt sich ausreichend Zeit, ihre Aufnahmen fertig zu stellen und unterlegt sich keinem Diktat, in einem bestimmten Turnus neues Material präsentieren zu müssen. Ihre letzte Veröffentlichung war „Fellowship“ aus 2010, das im Kern ein Gospelalbum war. Neben andächtigen oder verzückten Aufnahmen in diesem Stil führte die musikalische Reise sowohl an ihre afrikanischen Wurzeln wie auch an zeitgenössisches Material von Jimi Hendrix („In From The Storm“), Bob Marley („Fellowship“) und Blind Faith („Presence Of The Lord“).
Für das neue Album war zunächst geplant, überwiegend Cover-Versionen, die sich um die Aspekte der Liebe drehen, einzuspielen. Aber während der Arbeit mit ihrem neuen Produzenten Larry Klein (u.a. tätig für Joni Mitchell und Madeleine Peyroux) kam es dann ganz anders. Jetzt ist die ausdrucksstarke Sängerin an fast allen Liedern als Komponistin beteiligt. Es finden sich nur noch drei sorgsam ausgewählte und geschmackvoll veredelte Kompositionen von Kollegen auf dem vierten Studiowerk der Künstlerin. Das sind „To Love Somebody”, im Original von den Bee Gees. Dann noch „River Man“ vom melancholisch-depressiven Nick Drake, das hier durch ein Trompetensolo von Till Brönner ergänzt wird und als Bonus-Track soll es noch „The First Time Ever I Saw Your Face”, das Roberta Flack 1972 berühmt gemacht hat, geben.
Das neue Werk beginnt mit „Freedom“, einem lässigen, spritzigen Funk, der das Herz hüpfen lässt. Die bewegliche, rassige Backing-Band begleitet vielschichtig und der Gospel-Touch sorgt für wohlige Wärme. Lizz singt dazu mit sinnlicher Stimme und komplettiert so einen hinreißenden, lebendigen, charmant-lasziv unterlegten, gut geerdeten Track. In die gleiche Kategorie gehört „Lean In“, wo eine erotisch aufgeladene Melodie in einen verführerischen Rhythmus eingebettet wurde. Auch „You“ wird durch den Funk nach vorne gebracht, wobei der Track durch betörenden Gesang abgedämpft wird. Entgegengesetzte Kräfte gleichen sich hier aus. Nebeneinander stehen Melancholie und Gefühlsausbrüche in „Somewhere Down The Mystic“. Was wie ein fein gesponnener Folk-Jazz beginnt, wird zwischendurch mit instrumentellem Donnergrollen aus der introvertierten Versunkenheit gerissen. Verhaltener Zorn schwingt im Gesang für „The New Game“ mit. Die fauchende Hammond-Orgel betont die zunächst angespannt wirkende Stimmung. Der schwüle, schwere Rhythm & Blues wird durch versöhnliche Tendenzen in der Stimmlage allmählich in ausgeglichenes Fahrwasser überführt. Beeindruckend ist hierbei, wie die Sängerin die emotionale Entwicklung kontrolliert und zielgerichtet anpasst.
Ein Hauptaugenmerk liegt bei dem neuen Album wieder bei den Balladen, die unspektakulär, aber dennoch wunderschön sein können („Real Life Painting“) und nur in einem Fall die Grenze zum Kitsch überschreiten. Und das ausgerechnet bei „Right Where You Are“, welches im Duett mit Gregory Porter eingesungen wurde. „The Game“ geht durch eine zauberhafte, bitter-süße Melodie, die in Southern Soul-Manier intensiv, aber transparent untermalt wird, heftig unter die Haut. Wie ein flüchtiger, milder Windhauch zieht das Lied vorbei, zurück bleibt ein liebliches, feines Aroma. „Here And Now“ wird als filigrane Jazz-Nummer mit perlendem, wogendem E-Piano präsentiert, wobei eine spirituelle Wirkung erzeugt wird. Immer wieder setzt Lizz andächtige Stimmungen aus der Gospel-Musik ein. Durch diesen Effekt wirkt „Blessed The Brave“ ergriffen und in sich ruhend. Vom Gospel zum Soul ist es nicht weit: In über sechs Minuten baut sich „Surrender“ von einer intimen Soul-Andacht zu einer suggestiven Gospel-Sitzung auf.
Selbst bei kritischer Verkniffenheit gibt es an „Freedom & Surrender“ nur wenig zu meckern. Automatisch legt der Kenner des Gesamtwerkes von Lizz Wright bei der Beurteilung die höchsten Qualitätsmaßstäbe an, findet aber nur mit der Lupe ein paar vereinzelte Haare in der Suppe. Zu souverän ist das Auftreten der Jazz-Lady und zu intelligent durchdacht und tief berührend ist ihre Kunst als Ganzes betrachtet, um mit kleinlichem Nörgeln den Anschein von Minderleistung zu rechtfertigen. Auch ihre aktuelle Musik zeigt wieder, dass die gut organisierte Musikerin zum Glück nicht ausrechenbar ist. Zwar stieg sie zu einem Star der Jazz-Szene auf, sie ist aber aufgrund ihrer Bodenständigkeit nicht zur elitären Diva geworden. Lizz macht bei ihren Veröffentlichungen keine Kompromisse und lässt sich nicht in eine erwartete Richtung drängen. Dadurch wird das Ergebnis ihrer Arbeit immer überraschend und authentisch erlebt.
Ein Making of zum Album gibt es hier zu begutachten:

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