The Chris Robinson Brotherhood - Anyway You Love, We Know How You Feel (2016)

THE BLACK CROWES sind Geschichte, aber deren Gründer, die Brüder Rich und Chris Robinson, sind weiter im Geschäft und haben aktuell neue Alben am Start. THE CHRIS ROBINSON BROTHERHOOD findet ihre musikalische Ausrichtung in einer Variante des psychedelischen Westcoast-Hippie-Rock der Endsechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. GRATEFUL DEAD, THE NEW RIDERS OF THE PURPLE SAGE, JEFFERSON AIRPLANE, aber auch LITTLE FEAT (ca. 1975) sind Bezugspunkte.

Der ehemalige The-Black-Crowes-Frontmann hat im Studio einen moderaten Jam-Rock erschaffen, bei dem Melodien und Improvisationen ausgewogen berücksichtigt werden.

Letztes Jahr war es dann soweit. Rich Robinson gab nach mehreren Unterbrechungen die endgültige Auflösung der Black Crowes bekannt, die er im Jahr 1989 mit seinem Bruder Chris gegründet hatte. Als Begründungen wurden finanzielle Probleme und Zerwürfnisse im Bandgefüge genannt. The Black Crowes setzten bei ihrem Sound unter anderem auf schmuddeligen bis hitzigen Pub- und Blues-Rock, der von englischen Vorbildern wie den Faces oder den Rolling Stones beeinflusst wurde. Auch schwermetallische Töne eigneten sie sich an. Wie gut sie dabei waren, zeigt ihre Live-Zusammenarbeit mit Jimmy Page, die im Jahr 2000 unter dem Namen „Live At The Greek“ erschien und etliche Led Zeppelin-Klassiker enthielt. Ein weiteres Standbein war erdiger, saftiger Southern Rock, der von Chris Robinson mit seiner leidenschaftlichen, für Rock & Roll prädestinierten Stimme aufgeraut wurde. Sein Gesang enthält Färbungen, die z.B. an Steve Marriott (The Small Faces, Humble Pie) denken lassen.
Schon während der inaktiven Phasen der Black Crowes veröffentlichte Gitarrist Rich Robinson das Studioalbum „Paper“ (9/2004) und zwei Konzert-Mitschnitte. Davon in 2007 einen zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder. Chris war inzwischen auch nicht untätig und brachte neben dem Bruder-Treffen noch zwei Solo-Alben heraus. Seit 2010 ist er jetzt im Projekt Chris Robinson Brotherhood der Chef im Ring. Sowohl optisch wie auch musikalisch lässt die Gruppe besonders bei ihren Konzerten den psychedelischen Hippie-Geist der Westküste der USA aufleben, der Ende der 1960er-Jahre unter anderem von solchen Bands wie Grateful Dead geprägt wurde.
Review: The Chris Robinson Brotherhood - ANYWAY YOU LOVE, WE KNOW ...
Was das neue Album jedoch besonders auszeichnet, sind die mehr oder weniger offensiv eingesetzten Funk-Anleihen, die eine spritzig-lebendige Note einbringen und der Formation klanglich mehr Flexibilität verleihen: „Narcissus Soaking Wet“ lässt diesen Stil lässig über eleganten, chromblitzenden Psychedelic-Blues-Rock gleiten. Verhalten groovender US-West-Coast-Rock, wie er ähnlich von Little Feat in ihrer „The Last Record Album“-Phase von 1975 produziert wurde, gibt es bei „Ain’t It Hard But Fair“ zu hören. Das Tempo ist gebremst, aber der Song wird durch quirlig-jazzige Synthesizer- und Gitarren-Ausflüge immer wieder angeregt. „Oak Apple Day“ fällt mit seinem unterschwelligen Groove und den komödiantisch angehauchten Vaudeville- und Cabaret-Elementen ein wenig aus dem Rahmen. Mit seiner Spielzeit unter drei Minuten ist „Give Us Back Our Eleven Days“ allerdings nur ein kurzes rauschhaftes Freak-Funk-Rock-Zwischenspiel mit geisterhaften Stimmen.
Nebenher fühlt sich das Quintett auch noch in anderen Bereichen wohl: Rollender Gospel-Boogie und Southern Soul mit scharfgeschnittenen Slide-Gitarren-Einlagen verleihen „Forever As The Moon“ einen religiösen Anstrich. 
Hinter „Some Gardens Green“ versteckt sich eine Hippie-Folk-Rock-Ballade und ausgeruhter Glam-Rock-Boogie zwischen Humble Pie, der Grease Band und T. Rex wird bei „Leave My Guitar Alone“ geboten. In der Tradition der West-Coast-Cowboys The New Riders Of The Purple Sage kommt der abgeklärte Country-Rock „California Hymn“ mit einer Steel-Gitarre als führendes Instrument daher.
Chris Robinson hat für die Realisierung seiner Visionen eine Schar von gut eingespielten, variablen Könnern um sich versammelt. Seine Bruderschaft besteht unter anderem aus dem The Black Crowes Keyboarder Adam McDougall, dem neuen Schlagzeuger Tony Leone (Ollabelle, Levon Helm) und dem Gitarristen und Sänger Neal Casal. Dieser konnte schon solo und als Mitglied von Ryan Adams And The Cardinals überzeugen. Inzwischen hat sich der Mann aus New Jersey zu einem angesehenen und anpassungsfähigen Musiker entwickelt. Er steht damit in der Tradition von Nils Lofgren, der ebenso als Solist wie auch als selbstloser Begleiter von Neil Young und Bruce Springsteen Karriere machte.
Bei den Robinson-Brüdern ist zu beobachten, dass sie ihre etwas unterschiedlichen musikalischen Vorstellungen getrennt voneinander zwar kompetent ausleben, aber im Grunde genommen auf ihren Black Crowes-Erfahrungen aufbauen. Während Chris den Schwerpunkt seiner Zukunft tendenziell im Jam-Band-Sound sieht, hat sein Bruder Rich mehr straffe Blues-Rock- oder griffige Americana-Einflüsse verarbeitet. Gerade gab es mit „Flux“ (06/2016) ein neues Lebenszeichen von ihm. Qualitativ haben die beiden Streithähne in etwa das gleiche Niveau, wenn auch unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen.
Gemeinsam gelang es den Robinsons unter den richtigen Voraussetzungen, sich gegenseitig zu Höchstleistungen anzustacheln. Chris lässt auch hier immer wieder seine gesanglichen und kompositorischen Stärken aufblitzen, aber vielleicht fehlen ihm motivierende Reibungspunkte, um künstlerisch sein gesamtes Potential abrufen zu können. Seine Band spielt homogen zusammen und überstrapaziert den Improvisationscharakter auf dem neuen Album nicht. Das klingt alles sehr professionell und durchdacht. Das aufrührerische und rebellische Element früherer Tage ist aber weitestgehend einem abgehangenen, ausgereiften, leicht drogenverhangenem Ensemble-Sound gewichen.

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