Lonely Kamel - Death´s-Head Hawkmoth (2018)
Lonely Kamel erkunden mit Retro-Hard- und Heavy-Sounds ihre musikalische Zukunft.
Nicht nur, was den Hard- und Heavy-Rock angeht, sind die Errungenschaften der 1970er-Jahre alles andere als vergessen. Die 2005 gegründete norwegische Kapelle Lonely Kamel lässt jedenfalls mit Erinnerungen an Deep Purple, Black Sabbath, Led Zeppelin, Mountain und Hawkwind ein ganzes Genre heftig brodelnd und stoisch groovend wieder aufleben. Auch Motörhead und der Stoner-Rock von Monster Magnet werden reaktiviert. Oder anders ausgedrückt: Lonely Kamel erkunden mit ihren Retro-Hard- und Heavy-Sounds sowohl Bewährtes aus der Vergangenheit als auch ihre eigene musikalische Zukunft. Zäh, energisch oder psychedelisch - das Quintett kennt alle diese Spielarten und setzt sie unvoreingenommen und zweckdienlich ein. Deshalb ist der Klang der Gruppe auch keiner Sparte eindeutig zuzuordnen.
Mit „Death`s-Head Hawkmoth“ erschien 2018 das fünfte Studio-Album der Band aus Oslo, die hier von der gefahrvoll-anlockenden Wirkung des deftigen Sängers und Gitarristen Thomas Brenna, den durchdringenden Gitarren-Tönen von Vegard Strand Holthe und dem brettharten, scheppernd und rumpelnden Rhythmusgeflecht von Stian Helle am Bass und Schlagzeuger Espen Nesset profitiert.
Ein mächtiger Gongschlag eröffnet „Fascist Bastard“. Das Stück vereinigt dickflüssige Abschnitte, vorpreschende Noten und flirrende Space-Sounds zu einer Leistungsshow von Tönen, die die Nervenbahnen durchdringen und das Innere aufrütteln. Sie bewegen sich oft brutal voran und kommen gelegentlich auch dämonisch daher. Thomas Brenna weiß durch engagierten, aber nicht allzu überdreht-kreischenden Gesang zu überzeugen. Er hat eine ausgezeichnet eingespielte Band im Rücken, deren Verlässlichkeit er nutzt, um seine stimmlichen Eskapaden sachdienlich einsetzen zu können.
„Psychedelic Warfare“ setzt giftig und trotzig zur Attacke an, bleibt aber genüsslich im mittelschnellen Tempo hängen und provoziert durch protzige Rhythmus-Attacken, was eine streitlustige Angriffsfläche bietet. Wichtig und aufregend sind unter anderem die strammen Gitarrenausbrüche, die sowohl kräftig-wild als auch psychedelisch-verspielt ausfallen.
„Move On“ und „Inside“ waren ursprünglich ein Stück, wurden aber beim finalen Mix getrennt. Das kurze „Move On“ hört sich in diesem Zusammenhang wie eine abwartend-sture Einleitung zum feurig-stimulierenden Blues-Rock „Inside“ an, bei dem die beiden Gitarren massiv ihre Saiten kreuzen. Wütend-flirrende Gitarrentöne spielen die Hauptrollen und schrauben den Track ekstatisch in schwindelnde Höhen.
Die Aussage „More Weed Less Hate“ ist musikalisch über weite Strecken eher ein Bekenntnis zur Geschwindigkeit. Dieser mitreißende, erhebende Biker-Boogie-Rock gefällt durch kompromisslosen Druck bei gleichzeitiger Neigung zur Erzeugung einer anhänglichen Melodie.
Die Rhythmus-Fraktion hat für die Inszenierung von „Inebriated“ alle Hände voll zu tun, weil der Track unbarmherzig fordernd auf der Überholspur unterwegs ist. Rücksichtslos peitschender, schleifender Hard-Rock und sämiger Heavy-Metal-Sound sind dadurch auf besessene Weise untrennbar miteinander verschmolzen worden.
Das über zehnminütige „The Day I'm Gone“ braucht etwa zwei Minuten Eingewöhnung und Vorbereitung. Das Intro hält den Song also zunächst an der Kandare fest, bevor der Track seine aufwühlenden Rock-Qualitäten großflächig, ausschweifend und monumental-draufgängerisch ausspielen kann. Der Gesang neigt manchmal zu hymnischen Auswüchsen, ohne dabei allerdings in einen jammernden Drama- oder schmalzigen Balladen-Modus zu verfallen.
Lonely Kamel sammeln nicht nur Pluspunkte durch die Verfremdung ihres Namens, indem sie einen Mix aus einem englischen Wort plus einer vermeintlich deutschen Schreibweise von "Kamel" (statt "Camel") kreieren. Sondern vor allem mit ihrer offenen, ruppigen und stimmungsvollen Rock & Roll-Sicht, die Schubladendenken nicht zulässt. "Death`s-Head Hawkmoth" scheint ein Übergangsalbum auf dem Weg zur weiteren und tieferen Erkundung der heftig-wuchtigen Seite des Rocks zu sein, die zusätzlich durch entrückte Passagen ins Rauschhafte geführt wird. Die Musiker erweisen sich als Mahner, die des Öfteren inhaltlich dazu aufrufen, wachsam gegen jede Art von Manipulation zu sein. Das zeichnet sie als gesellschaftspolitisch denkende Künstler ohne Abhängigkeit von einem Parteibuch aus.
Es sind nicht nur einschneidende Riffs und kraftvoll-wuchtige Schwingungen, die "Death`s-Head Hawkmoth" attraktiv erscheinen lassen, sondern vor allem die clever aufgebauten Songs mit Langzeitwirkung, die diese Platte herausragen lassen. Der Ausbau von stilistischen Freiheiten lässt Lonely Kamel als Genre sprengendes Quartett im Rahmen von lauten, rauschhaften und belebenden Tönen erscheinen: Blues als Basis, Psychedelic- und Space-Rock als Würze und Hard- und Heavy-Rock als leidenschaftliche Offenbarung sorgen dafür, dass die Platte für alle Menschen interessant ist, die gerne einen dynamischen, schnellen oder unheilvoll-heftigen Klangtrubel hören. In dieser Beziehung bleiben keine Wünsche offen!
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