TONY MOLINA - Kill The Lights (2018)

Kurios: TONY MOLINA entwirft mit "Kill The Lights" zehn reife Songs-Miniaturen und präsentiert mit KILL THE LIGHTS diese neuen Lieder in unter 15 Minuten.

In der Kürze liegt die Würze: Tony Molina liefert zehn erstklassige, betörende Folk-Pop-Skizzen ab.

Über mangelnde Beschäftigung kann sich Tony Molina nicht beklagen. Neben einem Job in einem Kino spielt er zurzeit nämlich noch in fünf Bands (Caged Animal, Scalped, Fraudulent Lifestyle, Provos und Opposition 2 Society). Es hat sich herausgestellt, dass zwei musikalische Herzen in der Brust des Sängers, Gitarristen und Komponisten schlagen: Wenn er überwiegend Noise-Power-Pop-Punk spielt, hört er zwischendurch fast nur entspannten Soft-Rock mit Folk- und Pop-Merkmalen. Beschäftigt er sich mit seinen Pop- und Folk-Aufnahmen, hört er als Kontrast dazu laute, krachende Songs.
Genau diese beiden Spannungsebenen unterscheiden auch „Dissed And Dismissed“, sein erstes Album unter eigenem Namen aus 2013 und das jetzt vorliegende Zweitwerk „Kill The Lights“ voneinander. Während beim Debüt die lieblichen Melodien mit dröhnenden Gitarren, Feedback und satten Hard-Rock-Riffs protzig bedient wurden, stehen beim neuen Werk mild fließende, harmonisch ausgestattete Songs im Vordergrund. Die umsichtigen, aktuellen Begleiter für diese versiert vorgetragenen Retro-Klänge waren Spencer Rangitch am Bass, der Schlagzeuger Anthony Boruch Comstock sowie die Gitarristen Jake Dudley und Andrew Kerwin. Tony Molina stammt aus San Francisco und deshalb atmet die Musik von „Kill The Lights“ beinahe zwangsläufig den Westcoast-Folk-Rock-Geist der frühen 1970er Jahre.
„Nothing I Can Say“ ist ein unverschämt einnehmender, klirrender Power-Pop, der so betörend wie eine Ballade von Big Star und so tröstend und aufbauend wie ein Jangle-Pop der Byrds klingt. Das Lied schafft im Handumdrehen eine freundliche Atmosphäre, die den Hörer herzerwärmend umgarnt.
Sanft, filigran und vorsichtig zeigen „Wrong Town“, „Afraid To Go Outside“ und „When She Leaves“ eine einfühlsame und nachdenkliche Seite des Singer-Songwriters. Erinnerungen an Crosby Stills & Nash und John Lennon werden hier wach.
„Now That She's Gone“ läuft im Prinzip genau so ruhig ab, beherbergt aber zusätzlich noch ein barock anmutendes Gitarren-Zwischenspiel.

„Jasper's Theme“ und „Give He Take You“ deuten verhalten Rock-Strukturen an, die an Teenage Fanclub oder die Posies erinnern. Diese feingliedrigen Songs lassen sich aber emotional nicht aus der Reserve locken und bleiben auf charmante Weise reserviert.

Beim fragil-raffinierten „Look Inside Your Mind/Losin' Touch“ haben die Beatles der „Rubber Soul“-Ära (1965) und Pink Floyd aus der „Wish You Were Here“-Phase (1975) ihre Spuren hinterlassen.

„Before You Go“ hört sich dann beinahe wie eine Demo-Version einer bisher unveröffentlichten Paul Simon-Komposition an und das instrumentale „Outro“ lässt den Gesang schmerzlich vermissen.


Alle Lieder hinterlassen einen skizzenhaften, flüchtigen Eindruck, denn sie kommen jeweils nicht über zweieinhalb Minuten Spielzeit hinaus. Acht Tracks sind sogar nicht einmal eineinhalb Minuten lang. Ist es Nachlässigkeit oder Kalkül, was Tony dazu bewogen hat, ein Album von nicht einmal 15 Minuten Gesamtspielzeit zu veröffentlichen? Es scheint jedoch Methode dahinter zu stecken, denn der Vorgänger war auch nur 12 Minuten lang. Molina zeigt stets großartige Ideen auf, spielt sie aber nicht aus. Ausführlichere Möglichkeiten der Songverläufe werden angedeutet, jedoch nicht ausgekostet. Tony präsentiert die Essenz der Kompositionen quasi als Vorlage für eine vollständige Interpretation. Dabei beweist er ein untrügliches Gefühl für feinsinnige Melodien und aparte Begleitungen. Nur sind knapp fünfzehn Minuten Laufzeit für ein Album natürlich trotzdem ein Witz oder eine Zumutung, egal ob das vom ökonomischen oder künstlerischen Standpunkt aus betrachtet wird.
Tony Molina konzentriert sich bei seinen Kompositionen auf das Wesentliche, deshalb klingen die Songs auf „Kill The Lights“ trotz der Kürze nicht unfertig. Die Ideen sind ausgereift und werden sensibel umgesetzt, so dass es den Liedern eigentlich an nichts mangelt. Da sie großartige Momente andeuten, wünscht man sich aber ausgedehnte, vollständige Versionen davon.

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