Beharie - Beharie // Beharie

 

Für die Beurteilung von guter Musik ist es nicht wichtig zu wissen, wie alt oder jung sie ist, unter welchen Umständen sie entstand oder aus welchem Umfeld die Interpreten kommen. Was zählt, ist die Originalität, die Leidenschaft und die überzeugend und ehrlich vermittelten Gefühlslagen. 

Christian Beharie ist ein dunkelhäutiger Musiker aus Norwegen, dem eine intensive Bindung zwischen Text und Tönen wichtig ist. Er schreibt seine Lieder selbst und verarbeitet Sounds, die den gewählten Themen Nachdruck verleihen sollen, indem sie Emotionen auffällig dekorieren, ihnen Flügel verleihen oder sie sich schonend entwickeln lassen. 

Das geschieht mit Mitteln, die grundsätzlich aus Pop, Soul, R&B oder Folk bekannt sind, die aber eigens für diese persönlichen Song-Belange feinjustiert wurden.

Im Jahr 2019 gab es die erste EP unter dem Namen Beharie, es folgte im Februar 2021 für die Single "River" eine Zusammenarbeit mit dem norwegischen Americana-Künstler Thomas Dybdahl

und am 23. April 2021 erscheint nun die neue 17minütige EP "Beharie // Beharie" mit sechs Liedern in digitaler Form.

Die Einführung in die aktuelle EP heißt "Three Worlds Apart", ist grade mal 38 Sekunden lang, entführt unscheinbar in die Welt des Folk-Chansons und lässt deshalb den weiteren musikalischen Verlauf völlig offen. Sphärische Chor-Gesänge, die sich wie Engelsstimmen anhören und in ähnlicher Weise "Pet Sounds" der Beach Boys veredelt haben, leiten dann "I Wish I Was You" ein. Sie kehren periodisch immer wieder zurück, um dem Stück einen illustren Glanz zu verleihen. Drama, Verzückung und Inbrunst liegen bei diesem ehrfürchtig erregten Track dicht beieinander. 

"Don’t Wanna Know" schöpft melodisch aus exakt durchkomponiertem Adult-Pop, wie er z.B. von Prefab Sprout entworfen wurde. Es werden nicht nur akustische, sondern auch elektronische Klänge eingesetzt, was dem Aufbau einen modernen Anstrich verleiht. Die Ballade "Won’t You Let Me Go" ist ein schonungsloses Trennungs-Lied, das davon berichtet, wie aus Zuneigung Abneigung wurde. Dadurch, dass Beharie gesanglich dem Soul nahe steht, gelingt es ihm, mühelos zwischen Sachlichkeit und Verzweiflung zu wechseln. Das Lied soll "den schmerzhaften Prozess, eine Beziehung zu beenden, ohne sich über die Entscheidung einig zu sein", klanglich einfangen.

Die Motivation zur Erschaffung von "Worry" entstammt auch einer gescheiterten Beziehung. Hier geht es aber stimmungsmäßig zuversichtlicher als bei "Won’t You Let Me Go" zu, auch wenn Einsamkeit und Trauer schwer auf den Schultern lasten. Das sinnliche Schwirren des Hippie-Folk konkurriert hier mit dezenter, verführerischer, karibischer Percussion, stattlichen Rhythm & Blues-Rhythmen und romantischen Pop-Stimmen, so dass ein pulsierender Smooth-Groove entsteht.

"Me And My Lonely" wirkt sowohl unschuldig (der Folk-Einfluss) wie auch spirituell verklärt (der Gospel-Einfluss). Diesem Zustand wird am Ende des Stückes durch Minimal-Art-Chor-Gesänge noch eine entrückte Art-Pop-Komponente beigefügt. 

Beharie ist nicht nur als Musiker, sondern neuerdings auch als Schauspieler tätig. In beiden Disziplinen ist der Ausdruck, also das sich hineindenken in Charaktere und Gefühle wichtig. Beide Kategorien ergänzen sich prächtig: Bei der Schauspielerei sind Mimik, Körpersprache und sprachliche Flexibilität gefragt. In der Musik ist die Fähigkeit, Empathie in Töne umzuwandeln und so Gefühlsregungen und atmosphärische Begleitumstände ausdrücken zu können, ein hohes Gut. Beharie befindet sich in diesem Zusammenhang mitten in einem Lern- und Abnabelungsprozess: Der Lernprozess beinhaltet den unkonventionellen Umgang mit diversen Musik-Genres und der Abnabelungsprozess führt wahrscheinlich in der Endstufe zu einem völlig selbstbewussten, eigenständigen Umgang mit Vorbildern und Einflüssen. Es ist aufschlussreich und spannend, Christian Beharie bei diesem Weg zu beobachten. Die Zeichen, die mit der Musik gesetzt werden, deuten jedenfalls auf eine breite Anerkennung und eine baldige Fortsetzung der Karriere mit weiteren interessanten Schöpfungen hin.