Ex Olympic - XO

 

Schön wäre es, wenn es einen Sound gäbe, der die intelligenten, spielerischen Haken und Ösen von Radiohead, die psychedelisch-melodischen Pop-Verrenkungen von XTC und die luftig-orchestrale Sensibilität von Brian Protheroe in sich vereinen würde. Sowas kann es nicht geben! Gibt es doch, zumindest in Ansätzen. Der südafrikanische Komponist, Produzent, Multiinstrumentalist und Sänger Nicolaas Van Reenen klingt bei seinem Projekt Ex Olympic so, als wolle er rauschhaften Dream-Pop, weich-verträumte Elektronik und anspruchsvoll-erdige Singer-Songwriter-Qualitäten zu einem individuellen Markenzeichen veredeln. 
Das aktuelle Album "XO" - was für Küsse und Umarmungen steht - hat er ganz alleine eingespielt. Er bedient einige Instrumente, so dass die Lieder nach einem abgestimmten professionellen Band-Sound klingen, der nichts vermissen lässt. Nicolaas Van Reenen drückt seine Motivationen so aus: "Es fühlte sich so an, als ob vieles von dem, was ich von mir selbst in der Musik erwartete [...], weniger wichtig wurde, und aufrichtige Musik zu machen, die ich einfach ehrlich gerne schrieb, hatte Vorrang. [...]. Ich schreibe Songs, die mir emotional etwas bedeuten [...]."

Neun Beispiele für diese Art der Musikauffassung sind nun auf "XO" gelandet. Los geht es mit "Receiver". Einem hin und wieder fremdländisch klirrenden, klingelnden, piepsenden, klopfenden, brummenden Stück, das zu einem gesunden, runden, rhythmisch agilen Art-Pop-Song heranwächst und geschickt zwischen verschiedenen Kulturen vermittelt. Das einminütige "Look!" blickt danach ins All und flirtet mit der Unendlichkeit. Ehrfürchtig geht dieser Track in "Eagles!" über, wobei der Space-Sound allmählich in einen hymnisch-orchestralen, langsamen Progressive-Rock umgewandelt wird.
Für "Live With Maybe" betätigt sich Nicolaas Van Reenen als sinnlich-verwegener Schnulzen-Sänger und verleiht dem schüchternen, verspielten Pop-Jazz damit noch eine unberechenbar-romantische Komponente.

Zeit für eine gedankliche Sammlung: "Closer Part 1" ist ein dunkel-trauriges, in sich gekehrtes Kunst-Lied. Mit 
"Closer Part 2" folgt dann ein Instrumentalstück, welches extrovertierte Gitarren, einen groovenden Rhythmus und Ambient-Keyboard-Schleifen präsentiert. Diese Inhaltsstoffe werden zu einem Track zusammenführt, der wie eine Warteschleife für den nächsten Song wirkt. Und das ist die Bombast-Soul-Ballade "Heavyweight", die sich wie ein Outtake aus einem Style Council-Album anhört. Das Stück transportiert flehendes Wehklagen, indem innige Gospel-Inbrunst durch Falsett-Gesang in schwindelnde Höhen getragen wird, spannungsgeladene Hollywood-reife Breitwand-Partituren Erstaunen erzeugen und kreischende Rock-Gitarren-Riffs das Adrenalin in die Blutbahn schießen lassen. Diese Zutaten führen zu einer melodramatischen, vom Pathos getriebenen Inszenierung, wie sie im Buche steht.

"Rapture" ist hinsichtlich des sehnsüchtigen Ausdrucks, der rätselhaften Soft-Rock-Eleganz und der klugen Melodieführung der Höhepunkt der Platte. Was für eine meisterliche Arrangier- und Dynamik-Modellierungs-Leistung!
"Tennis Nightmare" lässt das Album mit käsig-schmierigen Synthesizer-Tönen, leidendem Gesang und facettenreichem Melodieaufbau ausklingen. Die Komplexität des Jazz-Rock trifft hier auf eine theatralische Darstellungsweise, die sinnliche Leidenschaft stark überzeichnet aufzeigt. Das ist aufgedonnerter Hochleistungs-Kitsch der verführerischen Art.

Ex Olympic ist ein ungewöhnliches Vorhaben, weil hier verdaulicher Anspruch und anregende Trivialität zusammen kommen. Die Quadratur des Kreises in Sachen Pop-Musik, wenn man so will. Diese Fusion funktioniert jedoch jetzt schon vorzüglich und regt zum genauen Zuhören an. Dabei hat die Musik einen hohen Unterhaltungswert. Mit noch etwas mehr Feinschliff kann beim nächsten Versuch sogar ein richtungsweisendes Psychedelic-Art-Pop-Werk entstehen.

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