Tobacco - Ultima II Massage (2014)

Tobacco zerrt mit seiner dritten Solo-Scheibe gerne an den Nerven. Oft sind destruktive, monotone Electronic-Sounds zu hören, die auch vor unbequemen Elementen nicht zurückschrecken.

Nach vier Jahren erscheint jetzt das neue, dritte Album von Thomas Fec, der unter dem Namen Tobacco elektronische Musik veröffentlicht. In der Vorankündigung sprach der auch als Frontmann von Black Moth Super Rainbow bekannte Sänger davon, dass dieses Album Einflüsse der experimentellen Boards Of Canada, der frühen HipHop-Scheiben des DEF JAM Labels von Rick Rubin sowie vom Pionier des 80er-Jahre-Electronic-Pop Gary Numan enthalten werde. Außerdem biete es Ausschnitte aus Horrorfilmen, die mit Vocoder-Technik verfremdet sind. Er warnte auch, dass dies sein schwierigstes Album geworden sei, aber wer sich darauf einließe, den werde es irgendwann belohnen.

Tobacco - Ultima II Massage (2014, Yellow, Vinyl) | Discogs

Nun ja, schwierig ist das Teil wirklich. Die beschriebenen Einflüsse sind auch nachvollziehbar, doch der versprochene besondere Kick will sich nicht einstellen. Aber vielleicht will der Künstler es dem Hörer auch absichtlich schwer machen, denn er erklärt: „Ich habe viel Zeit damit verbracht, alles an der richtigen Stelle auseinanderzunehmen". Das klingt nach bewusster Provokation. Und das ist ihm auch gelungen, denn die Ausstrahlung vieler Stücke ist böse und grimmig. Einige werden durch windelweiche, schaumig-wollige Klang-Schwaden aufgeweicht und ins Gegenteil verkehrt. So entsteht ein Wechselbad der Gefühle.

Fangen wir aber erst mal mit den relativ zugänglichen Hörerlebnissen an: „Lipstick Destroyer“ geht als verquerer Fake-Funk durch und „Self Tanner“ ist das wohl am leichtesten zu konsumierende Stück. Es würde sich gut als Untermalung für einen Thriller eignen. „Eruption “ enthält weiblichen, nur leicht verfremdeten Gesang und kombiniert Progressive Rock mit Dance-Pop. Als Basis verwendet Tobacco unterschiedliche Spielarten der House-Music mit dröhnenden, hämmernden, sich permanent wiederholenden Rhythmen. „Face Breakout” ist ein mit düsterem Indie-Rock kombinierter Beitrag. Bei „Father Sister Berzerker“ und „The Touch From Within“ gibt es Space-Rock-Referenzen, bei „Blow Your Heart“ und beim Hidden Track „Bronze Hogan“ Heavy-Rock-Beimischungen. Manchmal erfordert es für den Neueinsteiger Nerven so dick wie Fahrradschläuche, um sich durch die Tracks zu hören. Denn brachiale, brutale Töne bahnen sich häufig ihren bedrohlichen Weg durch die Gehörgänge. Als besonders belastend für schwache Nerven tun sich „Video Warning Attempts“ mit seinen selbstverliebten Effekten und Spielereien sowie das mit schnellen Geräuschfetzen und verzerrten Stimmen gespickte „Omen Classic“ hervor.

„Streaker“ benutzt schräge Loops sowie harte Beats und ist mit Schock-Akkorden garniert. Dieser durch Vocoder-Stimmen pervertierte Track könnte als Untermalung für billige Horror-Filme dienen. An B-Movies erinnert auch „Creaming For Beginners“ mit seinem leiernden Tempo. Unbeirrbar treiben „Beast Sting“, „Pool City, McKnight Road” und „Dipsmack“ ihr Unwesen. Sie werden von fiepsenden Synthesizer-Schwaden, die den Gary Numan-, Mike Oldfield- oder Vangelis-Einfluss deutlich machen, durchzogen. Diese verspielten Einschübe vermitteln einen ausgleichenden Kontrast zu den häufig unbequemen Geräuschen. Manchmal werden Strukturen auch bewusst zerstört („Good Complexion“), so dass ein unangestrengtes Durchhören verhindert wird. Aber wir haben ja schon feststellen können, dass dies zum Konzept dazu gehört. Gerne werden auch Endlos-Bandschleifen verwendet, die beim kurzen Intermezzo „Spitlord“ jedoch ins Nichts führen.

Dieses Klangerlebnis ist manchmal schwer verdaulich. Ein paar Stücke wachsen tatsächlich mit der Zeit, andere schaffen es nicht unbedingt, dass man Sympathie für sie empfindet. Jemand, der sich allerdings von den angeführten Attributen angesprochen fühlt, wird womöglich zu einer ganz anderen Beurteilung kommen. Für ihn könnten diese Aufnahmen ein Fest sein.

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