ESKA - Eska (2015)

Manchmal kommt ein Talent wie aus dem Nichts daher und stellt alles auf den Kopf. Eska ist solch ein seltener Glücksfall.

Eska ist bisher nur mit einer EP, die 2013 in Eigenregie veröffentlicht wurde, in Erscheinung getreten. Praktische Erfahrung hat sie darüber hinaus unter anderem durch die Zusammenarbeit mit Grace Jones und Tony Allen, dem Cinematic Orchestra,sowie Bobby McFerrin gesammelt. Auf ihrem Debütalbum spielt sie eine Art Jazz-Soul, der in dieser Ausprägung selten zu hören ist. Er zielt nicht auf eine populäre Darstellung des Jazz ab, sondern verläuft kontrovers, komplex und anspruchsvoll. Die ohne musikalische Scheuklappen aufgewachsene Musikerin benötigt keine üppige Instrumentierung oder dröhnend-monotone Rhythmen, um ihre Songs interessant und auffällig zu gestalten. Bei „Rock Of Ages“ genügen nur wenige Bass- und Trommel-Töne, um den Takt vorzugeben. Es reicht eine sparsame, ausschmückende und begleitende Instrumentierung, um eine bezaubernde Stimmung zu erzeugen. Über diesem Konstrukt breitet sich ihr wirkungsvoller Gesang einnehmend, elegant und kunstvoll aus.
Eska: Eska (Reissue) (180g) (Limited Edition) (LP) – jpc
Eska Mtungwazi entpuppt sich als Multitalent. Ihr Gesang ist ausdrucksstark und wird variabel eingesetzt. Sie demonstriert nicht ständig, welchen Umfang sie abdecken kann (und der ist enorm), sondern setzt ihre Stimmbänder songdienlich ein. Vom leisen Flüstern bis zum voluminösen Grollen ist alles drin. Für „Boundaries“ bringt sie die Vorzüge ihrer beiden Lieblingssängerinnen zusammen. Die Gesangsspur übermittelt sowohl das märchenhaft-dramatische Element von Kate Bush wie auch die tiefgründigen Töne von Joni Mitchells. Und dann sind da noch die außergewöhnlich einfallsreichen, anregenden, verblüffenden, unberechenbaren Songs mit ihren phantasievollen, abwechslungsreichen Arrangements und den bizarren Instrumentierungen. So werden unter anderem gefüllte Wasserflaschen und Röhrenglocken für die Erzeugung von speziellen Klangfarben eingesetzt. Außerdem unterstützt die gelernte Geigerin die filigranen Schwingungen mit Violine und Cello punktgenau und wohldosiert.
Die in Simbabwe geborene und in London lebende Künstlerin präsentiert ein grandioses Erstlingswerk, das den Eindruck eines reifen, bis ins Detail durchdachten Werkes vermittelt. Die Arrangements wurden von allem Ballast befreit, damit die Aufnahmen nicht überambitioniert klingen. Wie Joni Mitchells „Hejira“ kann die Musik sowohl für Pop- wie auch für Jazz-Fans einen Leckerbissen darstellen und macht den Eindruck, dass man sich sehr lange mit ihr auseinander setzen und immer wieder feine, geschmackvolle Ideen entdecken kann.
So behält „This Is How A Garden Grows“ seine spröde Jazz-Linie die ganze Zeit über bei, während der Gesang durch harmonische Beiträge den brüchigen Hintergrund mit Samt auskleidet. Eigentümlich, unorthodox und aufregend ist „Gatekeeper“. Die Stimme jubiliert über den mit einem präparierten Klavier und einem Heizkörper als Schlaginstrument bizarr arrangierten Song. Hier werden Marschmusik, kindlicher Pop und Rhythm & Blues extravagant miteinander kombiniert. Afrikanische Wurzeln zeigen sich in „She`s In The Flowers“. Ein polyrhythmisches Geflecht wird von klagendem, drängendem Gesang flankiert. Der Aufbau des Stücks erinnert dabei an „The Battle Of Evermore“ von Led Zeppelin. Bei „Shades Of Blue“ trifft lässiger Pop auf raffinierte Jazz-Ästhetik und die Ballade „To Be Remembered” fällt dadurch auf, dass das Piano gegenläufig zum Gesang eingesetzt wird. „Dear Evelyn“ kommt ganz ohne Instrumente aus und bietet übereinandergelegte, lautmalerische Stimmen, die eine mystisch-verzückte Atmosphäre erzeugen.
Eska traut sich was. Sie verwendet Verbindungen und Zusammenhänge, die ungewöhnlich sind. So werden Kunst und Emotion, Melodie und Sound sowie Pop und Avantgarde famos miteinander verbunden. Die Zeit ist reif für die von Eska betriebene Eska-lation des musikalischen Ausdrucks. Das Album ist dadurch eine geschmackvolle Herausforderung für den Gehörsinn.

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