ETHAN JOHNS - Silver Liner (2015)

ETHAN JOHNS ist Musiker, Produzent und Sohn der Produzentenlegende GLYN JOHNS (u.a. Eagles, John Hiatt, "Let It Be", Eric Clapton). Sein drittes Album hat er mit einer festen Band, zu der auch Pedal-Steel-Legende B.J. COLE gehört, aufgenommen und SILVER LINER genannt. Er bietet AMERICANA auf hohem Niveau: Roots-Rock, Folk und Country in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Da kommen Erinnerungen an NEIL YOUNG, JACKSON BROWNE, EAGLES, TOM PETTY und MICHAEL DINNER auf.

Der Produzent als Musiker. Ethan Johns kann nicht nur durch Erfahrung überlegen führen, sondern auch einfühlsam agieren.


Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Das trifft auch auf Ethan Johns zu. Genetisch bedingt hat er eine musikalische Ader, denn sein Vater ist der berühmte Glyn Johns. Dieser Produzent hat unter anderem durch seine Regie-Tätigkeiten für The Beatles („Let It Be“, 1969), die Eagles („Eagles“, 1972 und „Desperado“, 1973), Eric Clapton („Slowhand“, 1977 und „Backless“, 1978), The Rolling Stones („Get Yer Ya-Ya`s Out!“, 1970), John Hiatt („Slow Turning“, 1988 und „Stolen Moments“, 1990) und Ryan Adams („Ashes & Fire“, 2011) hohes Ansehen erlangt.
Sein Filius Ethan, inzwischen auch schon 46 Jahre alt, heimste durch Betreuung von u.a. Ryan Adams („Heartbreaker“, 2000, „Gold“, 2001 und „29“, 2006), Rufus Wainwright („Poses“, 2001), The Jayhawks („Rainy Day Music“, 2003), Kings Of Leon („Aha Shake Heartbreak“, 2004), Laura Marling („I Speak Because I Can“, 2010) und nicht zuletzt durch die Beteiligung an den letzten drei reifen Alterswerken von Tom Jones („Praise & Blame“, 2010, „Spirit In The Room“, 2012 und „Long Lost Suitcase“, 2015) Kritikerlob ein. Ins Licht der Öffentlichkeit geriet der vielseitige Künstler allerdings zunächst als Schlagzeuger und Gitarrist bei Crosby Stills & Nash und als Begleiter von Emmylou Harris.
Ethan Johns: Silver Liner (Kritik & Stream) - Musikexpress
Der beliebte Klangberater veröffentlicht nun schon seit 2012 unter eigenem Namen Musik. „Silver Liner“ ist bereits sein drittes Studiowerk, das ihn wieder im Americana-Umfeld zwischen Folk, Country und Roots-Rock zeigt. Im Titelsong seines neuen Albums breitet er eine weitläufige Country-Rock-Landschaft aus. Das ist so nah an „Everybody Knows This Is Nowhere“ von Neil Young dran, dass es sich um einen vergessenen oder unveröffentlichten Song des Kanadiers handeln könnte. Akustische und elektrische Gitarren halten innige Zwiesprache. Die Verständigung zwischen den Instrumenten findet auf einer geheimnisvollen metaphysischen Ebene statt und lässt Uneingeweihte staunend mit offenem Mund vor den Lautsprechern ausharren. Gillian Welch sorgt mit angepasstem, defensivem Harmonie-Gesang für zusätzliche Gänsehautmomente. Die Frau weiß eben, wie man tief verwurzelte Gefühle freilegt.
Bei „Juanita“, einem Folk-Song mit mexikanischem Flair, kommt die wundervolle Künstlerin nochmal zum Einsatz, geht aber leider ziemlich unter. Es fällt auch nicht auf, dass das Eagles-Gründungsmitglied Bernie Leadon hier ebenfalls gesanglich unterstützt. Ethan Jones ist ein Geschichtenerzähler, der mit einer markanten Stimme ausgestattet ist, die manchmal an den kanadischen Troubadour Bruce Cockburn erinnert. Zu „The Sun Hardly Rises” weint die Steel-Guitar und wird dabei durch entschlossenen, selbstbewussten Gesang gestützt. Dieser milde Country-Folk wärmt die Seele. Gleiches Genre, unterschiedliche Vorgehensweise: Durch verzwickte Wendungen und Drehungen sorgt „Open Your Window“ für erhöhte Aufmerksamkeit. Der epische Schleicher wird durch ein beherztes Gitarrensolo angeheizt und emotional ständig auf Spannung gehalten.
Schunkelnder, launiger Folk-Pop wird bei „I Don`t Mind“ geboten. Gesanglich ist das nicht weit weg von Frank Zappas „Camarillo Brillo“ von „Over-Nite Sensation“ (1973). Die mit Geigen verzierte Piano-Ballade „It Won`t Always Be This Way“ lässt an Randy Newman sowie Jackson Browne denken und geht zu Herzen. „Six And Nine“ erinnert an Tom Petty und James McMurtry. Auch die frühen Eagles können bei dieser entspannten Folk-Rock-Nummer als Referenz herangezogen werden. Der geerdete Folk von „Dark Fire“ wird durch den sakralen Gesang in eine feierliche, andächtige Stimmung versetzt. Folk-Picking, das munter aber nicht überschäumend ist, begleitet „I`m Coming Home“ und untermalt die behagliche Wohlfühlatmosphäre angemessen.
Ethan Johns besitzt Einfühlungsvermögen, keine Frage. Seine Produzentenleistungen sind vortrefflich, dafür gibt es genügend Beweise. Sein neues Werk entstand mit Nick Pini (Bass), Jeremy Stacey (Schlagzeug) und der Pedal Steel-Legende B.J. Cole direkt im Studio. Es ist ein im besten Sinne altmodisches Singer/Songwriter-Album geworden, das im Plattenregal stilistisch neben den zu Unrecht fast vergessenen, edlen Songwritern Michael Dinner, John Prine und Eric Andersen eingeordnet werden kann. Wer mit dem Laurel Canyon-Folk-Rock der Endsechziger- und Frühsiebzigerjahre groß geworden ist oder diese Musik inzwischen für sich entdeckt hat, wird auch seine wahre Freude an den ausgefeilten, warmherzigen Liedern haben.
Der Brite mit Langzeitwohnsitz in den USA setzt seine Ideen authentisch um und legt Wert auf handwerklich saubere Leistungen ohne Selbstdarstellung. Die akustischen Visionen klingen lebendig und atmosphärisch dicht. Album Nummer drei zeigt den Roots-Musiker weiter gereift auf dem Weg zur Oberliga. Ethan Johns erfindet das Rad nicht neu, überzeugt aber durch gediegene, wertige, seriöse Songs, die dem Americana-Kosmos zeitlos schönen Glanz verleihen.

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