Bonnie „Prince“ Billy - Best Troubador (2017)

Heldenverehrung: Will Oldham alias Bonnie „Prince“ Billy setzt mit "Best Troubador" seinem Idol, dem Country-Superstar Merle Haggard, ein Denkmal.

WILL OLDHAM ist ein besonderer Musiker, der gerne unter Pseudonymen auftritt. Als BONNIE "PRINCE" BILLY hat er grade eine Hommage an den Country-Superstar MERLE HAGGARD rausgebracht. BEST TROUBADOR heißt das Werk und eine Rezension kann hier nachgelesen werden:
„Best Troubadour“ ist ein Liebesbeweis für die Country-Musik, aber speziell eine Hommage an Merle Haggard, einen herausragenden Vertreter dieser Musikrichtung. Der 1937 in Louisville, Kentucky geborene Haggard gehörte zu den sogenannten Outlaws, also Country-Musikern, die sich nicht mit den Konventionen der Country-Hauptstadt Nashville abfinden wollten. Merle war als Jugendlicher tatsächlich als Räuber und Fälscher aufgefallen und verbrachte deshalb drei Jahre im Zuchthaus von San Quentin. Durch den frühen Krebstod seines Vaters und die selbstzerstörerische Ehe seiner Eltern war er entwurzelt und desillusioniert worden. Im Gefängnis sah er ein Konzert von Johnny Cash, dass ihn animierte, sich der Musik zuzuwenden. Dabei lernte er, seine Emotionen in Noten und Texten auszudrücken.

Anfang der siebziger Jahre fand die Abgrenzung und Auflehnung gegen den verkrusteten Nashville-Country-Zirkel statt, weil den Musikern von Produzenten und Plattenlabels einengende Bestimmungen und Methoden, entgegen gebracht wurden. Einige Künstler zogen deswegen von Nashville in andere Städte wie Austin (Texas), um dem Diktat der Musikindustrie zu entgehen. Die „Geächteten“ legten Wert darauf, sich in ihrer Musik auf Traditionen wie dem Erzählen von Alltagsgeschichten zu konzentrieren, kritische Töne anzuschlagen und den Pop-Faktor aus der Country-Musik zu verdrängen. Wobei Haggard allerdings große Erfolge mit Songs feierte, die ein konservatives Amerika feierten. Wie „Okie From Muskogee“ über einen Südstaatler, der über Hippies herzieht und „The Fighting Side Of Me“, das sich verächtlich über die Gegner des Vietnam-Kriegs äußert.
Die wichtigsten Vertreter des Outlaw-Country waren neben Merle Haggard unter anderem Willie Nelson und Waylon Jennings. Merle zeichnete sich musikalisch dadurch aus, dass sich in seinem Bakersfield-Sound Elemente von Jazz, Blues und Folk einfanden, was bei Country-Puristen verpönt war. Der Bakersfield-Sound wurde durch Buck Owens bereits in den 1960er Jahren populär. Dessen „Act Naturally“ coverten sogar die Beatles auf „Help“ (1965). In den 1980er Jahren belebte Dwight Yoakam diesen eigentümlichen Stil. Typisch für den Klang ist, dass die Lieder stets eine rhythmisch aktive Komponente besitzen, selbst die Balladen.
Merle Haggard ist der erklärte Held von Will Oldham und eine Verneigung vor dessen Lebensleistung war eine lange gehegte Absicht. Leider gelang es ihm nicht, dies zu Lebzeiten der Legende fertigzustellen, denn Merle starb am 6. April 2016, seinem neunundsiebzigsten Geburtstag. Unter dem Pseudonym Bonnie „Prince“ Billy hat der kauzige, introvertierte Oldham nun eine Auswahl von Songs aus dem riesigen Repertoire des Country-Superstars bearbeitet und dabei selten auf die offensichtlichen Hits zurückgegriffen. Als intimer Kenner des Back-Kataloges haben ihn eher seine Lieblings-Lieder interessiert, die er vielleicht gerne selber geschrieben hätte. Aber Bonnie „Prince“ Billy wäre nicht Bonnie „Prince“ Billy, wenn er den Originalen nicht seine eigene Sichtweise einverleibt hätte.

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Die Interpretationen übersetzen die ländlichen, swingenden Vorlagen oft in einen melodischen, jazzigen, versponnen-verschlafenen Hippie-Folk-Sound, der ein bluesinfiziertes, vorsichtig geblasenes Saxophon und eine artige, gesittete Flöte enthält. Überwiegend nach herkömmlichem Country klingende Songs sind eher selten („My Old Pal“, „Wouldn`t That Be Something“, „Pray“). Was als Empfindungen von den Vorlagen konserviert wurde, sind eine melancholische Schwere und eine bittere Süße, die von Einsamkeit, Wehmut und Sehnsucht zeugen. Oldham bewegt sich bei seinen Ausführungen häufig in ruhigen, langsamen Fahrwassern. Mit „Roses In The Winter“ treibt er das verzögerte Vorgehen auf eine tiefenentspannte Spitze. Das klingt, als würde die Zeit allmählich stehen bleiben. Ausnahmen von dieser Gangart bilden die im Vergleich zur verbreiteten gedämpften Stimmung relativ munteren „The Fugitive“, „I’m Always On A Mountain When I Fall“ und „Wouldn`t It Be Something“. Außerdem ist in diesem Zusammenhang noch „Leonard“ zu erwähnen Das ist ein Lied über den Songwriter Tommy Collins, der mit bürgerlichem Namen Leonard Raymond Sipes hieß. Diese Cover-Version ist sogar wesentlich lebhafter als das Original.

Wäre nicht bekannt, dass es sich hier um Merle Haggard-Kompositionen handelt, würden die Lieder ohne Weiteres als Eigengewächse von Mr. Oldham durchgehen, da sie voll und ganz seine Handschrift tragen. Der introvertierte Musiker beweist Einfühlungsvermögen und Stil. Seine Interpretationen sind sowohl ehrfürchtig wie auch eigenständig. Das heißt, sie transportieren die emotionale Tiefenwirkung der Quellinformationen, werden aber durch individuelle Ausgestaltungen angereichert. So entstehen gehaltvolle, wirkungsvolle Cover-Versionen, die vor den Ursprüngen bestehen können und eine alternative Sichtweise dokumentieren.

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