Jake Isaac - Honesty

 

"Honesty" ist das zweite Album des Engländers Jake Isaac. Das erste hieß "Our Lives" und kam 2017 raus. Darüber hinaus gab es seit 2012 noch ein paar verstreute EPs des unter Kollegen und Kolleginnen beliebten Musikers. Isaac wuchs als Sohn eines Priesters in London auf und hat karibische Wurzeln. Er kann Schlagzeug, Klavier und Bass spielen und schreibt eigene Songs. 

Unter Kritikern galt er nach dem Erfolg seines Erstlings-Werkes als Hoffnungsträger und wurde als der nächste große Star gehandelt. Das setzte ihn immens unter Druck und blockierte seine Produktivität. Deshalb schrieb er sein Nachfolgewerk erst in den ersten Märzwochen des vorigen Jahres. Also in der Isolierung des ersten Lockdowns in Großbritannien. Ehrlichkeit hat er sich auf die Fahnen geschrieben. Ehrlichkeit im Umgang mit seinen Mitmenschen und mit ihm selbst. Wahre Gefühle möchte er ausdrücken. Dazu benutzt er Elemente aus Soul, Pop, Gospel und Folk, die er nachdenklich und gefühlvoll in Szene setzt.

Drei mit schwelgerischer Untermalung hinterlegte Sprachmitteilungen ("Her" - Track 1, "Him" - Track 6 und "Never Forget The End" - Track 10) verleihen dem Album einen erzählerischen Charakter. Es geht dabei letztlich um Liebesglück und Liebesleid. Das ewige, immer wieder aufgegriffene, immer wieder bedeutende, aber nicht überraschende Thema. Beschäftigen wir uns also lieber mit der Musik. Obwohl im stillen Kämmerlein ersonnen, spielte Jake die neuen Lieder nicht Solo ein, sondern suchte sich gesangliche Verstärkung. Bei "Good" unterstützt ihn Tertia May, die zuletzt 2019 mit der EP "Not From Concentrate" auf sich aufmerksam machte. Der Track groovt geschmeidig, als wolle jeden Moment Bill Withers ("Ain`t No Sunshine") mit einsteigen, aber dann erhebt Tertia ihre sanft-erotische Soul-Stimme und bringt die Break-Beats zart zum Schmelzen. Mit dominanten, synthetischen Drums geht es bei "Eyes For You" in ähnlicher Form ohne Gast-Stimmen weiter. Die Rhythmen werden durch Streicher und Schlagzeug-freie Stellen teilweise ausgebremst, so dass eine gewisse Phasenverschiebung des Tempos entsteht. Aber die Melodie ist zu durchsichtig, um dem Track eine gute Benotung zu geben.

 

Auch "Remember" wird von penetrant aufdringlichen Beats drangsaliert, weshalb sich die Sensibilität des Stückes gar nicht richtig entfalten kann. So ist es nicht möglich, Eindringlichkeit und Tanzbarkeit stimmig miteinander zu fusionieren. Da nutzen auch die bemühten Gesangs-Helfer Samm Henshaw und Mumu Fresh nicht wirklich etwas. 

Die Grammy-dekorierte R&B-Künstlerin India Arie verleiht "Gold" ein paar tiefgehende, intime Solo- und Duett-Gesangs-Momente. Da der Song nicht instrumental überfrachtet ist und die Rhythmus-Maschine Pause hat, kann das Lied eine gewollt lieblich-süße Stimmung entfalten. Aber Vorsicht, noch ein wenig mehr Zuckerguss und die Feinnervigkeit stirbt an Diabetes!

"Talk About It" wartet mit der malaysischen Sängerin Yuna auf, die ihre Musik zunächst auf Myspace hochlud und dadurch bei Insidern bekannt wurde. Bei dieser glatten, steril-künstlich produzierten Ballade agiert sie als einfühlsame Begleitung und bringt einen Hauch sinnliche Exotik mit ein. Die Damen des Folk-Trios Wildwood Kin aus England erweisen sich als ideale Verstärkung für "Wake Up". Sie sorgen mit ätherisch-geheimnisvollen Background-Gesängen für besondere und intime Augenblicke. Dieser Soul-Folk zeigt auf, dass Jake Isaac mehr hat, als nur eine schöne Stimme, nämlich auch ein Gespür für Drama-freie Melancholie. Für "Promise You" werden wieder knallende Takte bemüht, aber dieses Mal stimmt die Balance zwischen Alarm und Einkehr. Melodie und Refrains sowie Instrumentierung können sich hören lassen. Der Track pulsiert kraftvoll und hat zusätzlich auch lyrische Bestandteile.

Jake Isaac verfügt über prominente Freunde und Fürsprecher wie Duffy, Julia Stone, Joan As Police Woman oder Gabrielle, die ihm dabei behilflich sein könnten, den Karriereweg zu ebnen, aber trotzdem steckt der Singer-Songwriter zur Zeit fest. Nämlich zwischen den Erwartungen des Marktes und dem eigenen Anspruch. Er wäre nicht der erste Künstler, der falsch beraten wird oder wegen des schnöden Mammons seine Ideale aufgibt. "Honesty" enthält nämlich nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Für die Zukunft muss sich Jake Isaac entscheiden, ob er danach streben möchte, bedeutende Musik zu erschaffen oder ob er als austauschbarer Smooth-Soul-Pop-Sänger sein Dasein fristen will. Talent hat er, ob er das Potential hat, einmal zu den Großen zu gehören, darüber gibt "Honesty" keine verlässliche Auskunft.

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