Baby Rose - Through And Through

Vielfalt ist ihr zweiter Vorname: Baby Rose kann auf ihrem neuen Album eine Song-Kollektion vorlegen, die eine große Bandbreite aufweist.

Wollte man die Künstlerin Baby Rose mit nur einem Adjektiv beschreiben, dann kommt als erstes "vielseitig" in den Sinn. Sie ist anscheinend eine Alleskönnerin, die mit verschiedenen Stilen wie Soul, Funk und HipHop so souverän umgeht, als hätte sie diese Musikrichtungen erfunden. 

Baby Rose wurde als Jasmine Rose Wilson in Washington D.C. geboren und wuchs in Fayetteville, North Carolina auf. Sie fand über die Eigenart, dass ihre Stimmlage tiefer war als bei anderen Kindern und Jugendlichen in ihrem Alter, zur Musik. Mit Singen, Komponieren und Klavier spielen konnte sie daraufhin ihre Persönlichkeit ausdrücken und formen. Es gelang ihr auf diese Weise, sich ihren Idolen Billie Holiday, Nina Simone und Janis Joplin zu nähern und ihre ganze Gefühlswelt in die Noten zu legen. 2019 erschien dann ihr erstes Album mit dem Titel "To Myself" und am 28. April 2023 schob sie das zweite Werk "Through And Through" mit elf Eigenkompositionen nach.
Credit: Allen Jiang

Der Rhythmus schlängelt sich lasziv und cool durch "Go", dem ersten Lied auf der Platte. Baby Rose lädt die Atmosphäre durch ihren flehenden Gesang temperamentvoll auf. Und wenn dann noch die sinnlichen Background-Ladies in den Reigen einfallen, dann ist eine knisternd erotische Stimmung, wie sie Marvin Gaye 1973 für "Let`s Get It On" aufgebaut hat, zum Greifen nahe.
Bei "Fight Club" fahren die treibenden Bass-Trommeln druckvoll in die Gehörgänge. So dumpf wie Schläge in die Magengrube. Perlend-spritzige Keyboard-Töne sorgen für ein Gegengewicht und die Duett-Partnerin Georgia Anne Muldrow tauscht sich unterdessen im Call & Response-Stil auf zart flüsternde Art liebenswürdig-bedachtsam aus.
Die Ballade "Dance With Me" bekam einen dröhnend-kraftvollen Takt verordnet, sodass die Traurigkeit des leidenschaftlich leidenden Gesangs nicht ganz so bedrückend ins Gewicht fällt.
Bei "Paranoid" wird es sentimental, die intim-verwinkelte jazzige Instrumentierung verhindert aber ein Abgleiten in schmalzige Gefilde.
"I Won’t Tell" ist ein knackiger Disco-Funk, der direkt in die Beine geht und die Eleganz von Chic mit der Vehemenz von Funkadelic verbindet. Zum Schluss wird es durch eine geschwätzige HipHop-Einlage unruhig. Die Geschmeidigkeit wird in einen zerbröselnden Zustand versetzt und löst sich quasi in ihre Bestandteile auf.
"Love Bomb" ist ein Smooth-Soul, der ein räumliches Sound-Gefühl hinterlässt, welches Wärme und Behaglichkeit suggeriert.
"Tell Me It’s Real" verweilt in einem Schwebezustand, entzieht sich dabei eindeutigen Stilzuordnungen und macht aus einem unspektakulären, ausgeglichenen Ablauf eine raffinierte Tugend.
"Nightcap" besticht durch seinen Ohrwurm-Refrain und eine raffinierte Melodie, ist aber leider viel zu früh vorbei
und die erschütternde Dramatik von "Stop The Bleeding" erinnert an die hingebungsvoll gesungenen Tragödien von Anthony & The Johnsons.
Elektronische Effekte und akustische Instrumente gehen für "Water" eine Fusion ein, die für beide Seiten Vorteile bietet. Durch die Verschmelzung wirkt die Elektronik nicht kühl und die herkömmlichen Instrumente verlieren ihren starren traditionellen Ausdruck.
"Power" ist eine Mut machende Hymne mit einem einfachen, einprägsamen Ablauf. Ähnlich wie "Give Peace A Chance" der Plastic Ono Band verbreitet der Song ein Mantra, auf das sich wahrscheinlich viele Menschen einigen könnten: "Love Has The Power To Heal The Whole Wide World" ("Liebe hat die Kraft, die ganze Welt zu heilen").

Baby Rose hat Talent und weiß, was sie will. Sie füllt ihre Rolle als süffige Balladensängerin genauso energisch aus wie die als groovende Soul- und Funk-Botschafterin. Das sehr gelungene, engagiert vorgetragene "Through And Through" sollte ihr weiteres Selbstbewusstsein verschaffen, damit Jasmine Rose Wilson den nächsten Entwicklungsschritt in Ruhe mit Überblick angehen kann.

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