Penguin Cafe - Rain Before Seven...

Nachdenklichkeit und Optimismus in Töne verpackt: Penguin Cafe liefern einen fremdartigen Sound-Teppich ab, der zu einer meditativen und belebenden konzentrativen Selbstentspannungs-Übung einlädt. 

Penguin Cafe ist das Nachfolgeprojekt vom Penguin Cafe Orchestra. Arthur Jeffes ist demnach der musikalische Erbe seines Vaters Simon Jeffes, der durch eine Fischvergiftung im Jahr 1972 eine Vision seiner speziellen Klang-Philosophie erlangte. 

Minimal-Art-Rhythmen, weiche psychedelische Tongebilde und komplex verschachtelte melodische Strukturen sind nur ein paar der Zutaten, mit denen Simon Jeffes exotische Schwingungen entstehen ließ. Beim Lauschen dieser Tondichtungen muss das Gehör aufnahmefähig und das Gehirn wach sein, um die Fülle der kunstvoll gestalteten Eindrücke verarbeiten zu können. 

Sein Sohn Arthur Jeffes entwirft Klang-Bilder zu erlebten Ereignissen oder erdachten Vorstellungen. Individuelle Assoziationen spielen bei der Gestaltung der Kompositionen also eine wichtige Rolle. So fußten die Klänge des letzten Werkes "Handfuls Of Night" aus 2019 auf einer im Jahr 2005 von Arthur begleiteten Expedition, welche auf den Erfahrungen des Polarforschers Robert Falcon Scott beruhten. Der Titel des am 7. Juli 2023 erschienenen Albums "Rain Before Seven..." ist der erste Teil einer Bauernregel, die mit "...Fine Before Eleven" weitergeht. Jeffes erläutert, warum ihn der Spruch inspiriert hat: „Er hat so einen dezent optimistischen Beigeschmack, und das gefällt mir sehr. Man verwendet ihn heutzutage kaum noch, aber der Reim beschreibt tatsächlich Wetterphänomene in England, die vom Atlantik aus über die Insel ziehen.“ Und so ist es nicht ungewöhnlich, dass die Musik häufig von einer gewissen Unbeschwertheit begleitet wird, was sowohl für Heiterkeit sorgt, aber unter Umständen auch als banale Ausführung empfunden werden kann. Diese Beurteilung liegt im Auge des Betrachters und hängt davon ab, ob er kulturelle Eigenarten oder zwanglose Unterhaltung erwartet. Und um es vorwegzunehmen: "Rain Before Seven..." bietet beides.
Credit: Alex Kozobolis

Als Handelsmetropole ist London eine gesellschaftlich bunt aufgestellte Großstadt. Vielleicht klingt "Welcome To London" deshalb so weltoffen, folkloristisch vielfältig und pulsierend. Ein rituelles Rhythmus-Gefüge ist hier gleichrangig neben dem Schwelgen, das aus einer Hollywood-Love-Story stammen könnte und einem Spannung verheißenden, undurchsichtigen Spaghetti-Western-Flair zu hören.
"Temporary Shelter From The Storm" hinterlässt hingegen den Eindruck, als würde die akustische Abbildung eines vergnüglichen Lebens einen unerwarteten Trauerflor tragen. Streicher und Bass verbreiten nämlich eine vorbeiziehende Melancholie, während das schnell angeschlagene, heimelig klingende Holzschlaginstrument Balafon und das Piano Schwingungen austeilen, die von Freude und Ausgelassenheit berichten.
Ein ähnliches Muster führt bei "In Re Budd" zu einer volkstümlich beschwingten Atmosphäre, wie sie in Afrika oder in der Karibik vermutet wird. 
"Second Variety" kommt dagegen sphärisch-verschwommen und introvertiert-versonnen daher.
Bei "Galahad" geht nach mystisch-undurchschaubarem Beginn doch noch die Sonne auf. Im Strudel von hypnotisch-gleichförmigen Tondichtungen findet der Track seinen individuellen Platz zwischen Fantasy-Soundtrack und Esoterik-Hintergrund-Beschallung.
Das Piano sorgt bei "Might Be Something" für Bewegung und erzeugt Abläufe, die an das Fließen von Wasser in einem klaren Gebirgs-Bach denken lassen. Der massive Jazz-Bass suggeriert Stabilität und die flirrenden, aber auch tränenden Streicher-Töne zeichnen das Stück weich und lassen es sentimental erscheinen.
Auch wenn "No One Really Leaves…" grundsätzlich von Traurigkeit geprägt ist, kann die Komposition auch aufmunternde Impulse verzeichnen, die sich zwar dezent in Szene setzen, aber nicht ohne belebende Wirkung bleiben.
"Find Your Feet" bringt durch synthetisch erzeugte Rhythmen lateinamerikanischen Schwung in das Gefüge ein, der allerdings nicht hemmungslos, sondern kontrolliert dargeboten wird.
Für "Lamborghini 754" tropfen manche Noten geduldig und schwer zu Boden, andere scheinen Sonnenstrahlen abzubilden, die durch eine Wolkendecke hervortreten - so aufhellend machen sie sich bemerkbar. Aus dieser Mischung entsteht ein emotional ausgeglichenes Gebilde aus Dur und Moll.
"Goldfinch Yodel" zweigt vom Country & Western eine tanzbare Variante nebst Einsatz einer ausgelassenen Fiedel ab, ohne dabei diese traditionellen Muster schamlos zu kopieren.

Simon Jeffes bewegt sich mit "Rain Before Seven..." auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Kitsch. Seine Kompositionen sind komplex, entbehren aber auch nicht einer gewissen Leichtigkeit und Ungezwungenheit, die unter Umständen als geläufig und damit als abgenutzt gedeutet werden kann. Das ist eine Einschätzung, die sich nur auf den Bekanntheitsgrad der verwendeten Abläufe bezieht. Nicht aber auf die originelle Konzeption, denn das Projekt Penguin Cafe genießt hinsichtlich seines Sounds beinahe ein Alleinstellungsmerkmal.

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