Matt Berninger - Get Sunk (2025)
Diese verführerische Stimme!
Matt Berninger ist der Sänger und Komponist von The National. Und was als Erstes auffällt, berührt und für Aufmerksamkeit sorgt, wenn man deren Musik hört, ist seine Stimme. Die vertraut erscheinenden, einfühlsam-entspannten, zufrieden brummenden Bariton-Schwingungen erzeugen eine hypnotische Aura, die die Sinne auf sie ziehen und die Empfindungen betören. Matt Berninger wird dank seiner gesanglichen Fähigkeiten zum unwiderstehlichen Verführer.
Credit: Chantal Anderson
Matthew Donald "Matt" Berninger wurde am 13. Februar 1971 in Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio geboren. Er studierte Anfang der 1990er Jahre zunächst Grafikdesign, arbeitete danach in der Werbung, bevor er 1999 in New York The National gründete. Deren Mischung aus originellen Americana-Spielarten, ruppigem Rock und opulentem Pop fand schnell eine breite Hörerschaft und wurde im Laufe der Jahre stets verfeinert und abgerundet. Neben dem alternativen Pop-Duo-Projekt EL VY, das er zusammen mit Brent Knopf (von Ramona Falls und Menomena) betreibt, verfolgt er seit dem Jahr 2020 auch eine Solo-Karriere, die er mit dem Album "Serpentine Prison" begann. The National bestanden parallel weiter und jetzt liegt mit "Get Sunk" der zweite Alleingang vor, der am 30. Mai 2025 der Öffentlichkeit präsentiert wird. Matt Berninger fühlt sich abermals dem gehaltvollen Song verpflichtet. Er räumt aber auch der anspruchsvollen Poesie einen maßgeblichen Platz ein, die nicht selten von seinen inneren Konflikten gespeist wird ("Unsere Herzen sind wie alte Brunnen, die mit Cents und Würmern gefüllt sind.")
Die flirrend-schwingende, Echo-artige Gitarrenarbeit für "Inland Ocean" weckt Erinnerungen an schwindelerregende psychedelische Zustände, wie sie ähnlich bei "How Soon Is Now" von The Smiths vorkommen. Die Komposition dreht sich im Kreis, tanzt wie in Trance, windet sich spiralförmig und lässt dabei sinnlich-liebevolle Gefühle gedeihen. Der Track klingt hin und wieder wie ein gar nicht mal so weit entfernter Verwandter von David Bowies "Heroes". Berninger bekommt gelegentlich zärtliche Hintergrund-Gesangs-Unterstützung von Julia Laws, was ihn in die Lage versetzt, seiner Stimme durch diese Überlagerung weitere Nuancen hinzuzufügen.
Die flirrend-schwingende, Echo-artige Gitarrenarbeit für "Inland Ocean" weckt Erinnerungen an schwindelerregende psychedelische Zustände, wie sie ähnlich bei "How Soon Is Now" von The Smiths vorkommen. Die Komposition dreht sich im Kreis, tanzt wie in Trance, windet sich spiralförmig und lässt dabei sinnlich-liebevolle Gefühle gedeihen. Der Track klingt hin und wieder wie ein gar nicht mal so weit entfernter Verwandter von David Bowies "Heroes". Berninger bekommt gelegentlich zärtliche Hintergrund-Gesangs-Unterstützung von Julia Laws, was ihn in die Lage versetzt, seiner Stimme durch diese Überlagerung weitere Nuancen hinzuzufügen.
Das bei "Inland Ocean" gehörte Prinzip der halluzinogenen Verfremdung funktioniert unter ähnlichen Bedingungen, aber noch energiegeladener auch bei "Bonnet Of Pins". Dieses Stück setzt auf die leidenschaftliche Wirkung von engagiertem Gesang, aufhellend-energischen, teils schäumenden E-Gitarren-Wirbeln, einem stoischen Schlagzeug-Takt und hymnischen Trompeten-Beigaben. Der Sound von "The War On Drugs" um Adam Granduciel funktioniert übrigens mit sich gleichenden Zutaten.
Durch den nervös-hektischen Rhythmus lässt sich Matt bei "No Love" nicht aus der Ruhe, Konzentration und Besinnung bringen. Es scheint, die Welt könnte neben, hinter und vor ihm zusammenbrechen, das alles würde ihn nicht von dem Ziel abbringen, dieses gefühlvoll-beseelte Lied aufrecht und erhobenen Hauptes zu Ende zu singen. Er blendet die Welt um sich herum total aus. Vielleicht ist diese aber auch schon für ihn zusammengebrochen, die Liebe ist nicht mehr zu retten und seine Stimme übernimmt quasi das Pfeifen im Walde, um böse Geister oder Gedanken zu verscheuchen: "Dieser Ort vermittelt ein Gefühl der Bedrückung. Die Energie ist so seltsam."
Gab es eben für "No Love" noch lebendigen rhythmischen Beistand, so begleiten "Frozen Oranges" weltabgewandte Klänge, bei denen das Schlagzeug zu zaghaft agiert, um aufmunternd gegensteuern zu können. Bei diesem Lied werden beinahe nebensächliche Tätigkeiten und Beobachtungen in einen Prozess der Reife und Läuterung überführt. Der Erzählstil ist meistens entspannt, manchmal auch bekehrend-eifrig. Die den Text umgebenen Töne verhalten sich versöhnlich-zugänglich, entbehren aber auch nicht einer inneren Spannung, die durch würzig abgeschmeckte Folk-Jazz- und rumpelnde Break-Beat-Töne attraktiv gestaltet werden.
Der gelassen-intime, galant-köstliche Country-Folk von "Breaking Into Acting" hat seine eigenen, um Ernsthaftigkeit bemühten, jedoch unterschwellig erotisch knisternden Gram Parsons & Emmylou Harris-Duett-Momente. Meg Duffy alias Hand Habits findet als Stimm-Partnerin eine emotionale Ebene, die die Luft zum Vibrieren bringt, indem sie den Track dezent lasziv und fürsorglich auflädt. Eigentlich geht es in dem Lied darum, dass sich Matt auf der Bühne wie ein Schauspieler fühlt und dass es seltsam ist, dieses Gefühl zwischen Show und Privatleben ständig an- und auszuschalten.
Für "Nowhere Special" kehrt der The-National-Sänger seine warmen Klangfarben überwiegend in einen eiligen, ausführlichen Monolog mit knurriger Stimme um, welcher unruhig die engagierte Poesie vorträgt, die sich oft wie spontan ersonnen anhört. Allerdings geht die Übermittlung der sich sprunghaft verändernden Inhalte zu schnell, um tiefgreifende Anteilnahme zu erzeugen. Aufgrund der sonoren Stimme wird das Umfeld dennoch neugierig darauf gemacht, ob es wohl noch eine unerwartete melodische Stärkung gibt. Die bleibt allerdings aus und so endet das kleine Poetry-Slam-Abenteuer musikalisch relativ unbefriedigend.
Stück für Stück verändert sich alles, es geht manches verloren oder gerät in Vergessenheit ("Nach und nach verlierst du das Interesse an bestimmten Gewohnheiten. Schrittweise gehst du aufs Grab zu"). Diese schmerzhafte Seite des Daseins beleuchtet "Little By Little". Das Stück verfügt über eine anpassungsfähig-leichtgängige Country-Folk-Struktur, die auf einer weit ausgebreiteten, einladenden Melodie fußt. Der Refrain wird hinsichtlich der Dringlichkeit des Themas oft wiederholt, was zu einer erhöhten Eingängigkeit, aber auch zu einer gewissen Übersättigung führt.
Die Schilderung von totaler Hingabe und unendlichem Vertrauen zeichnet die Lyrik von "Junk" aus. Dahinter steckt ein Pop-Song, der sich als unspektakulärer Ausflug tarnt. Er legt jedoch ganz unauffällig listige Fallen aus, die ihn zum Ohrwurm werden lassen.
Bei der vollmundig arrangierten, schwelgerischen, nach Tränen schmeckenden Ballade "Silver Jeep" fungiert Julia Laws alias Ronboy ein weiteres Mal als Gesangs-Partnerin, wobei sie hier die Rolle der vermeintlichen Fremdgängerin übernimmt ("Ich wollte nicht, dass du denkst, ich wüsste überhaupt etwas. Über das Gerücht, dass dich jemand gesehen hat. Irgendwo mitten im Nirgendwo in einem silbernen Jeep").
"Times Of Difficulty" ist zugleich Schlusspunkt und Essenz des Albums. Der Song strahlt Reife und Ruhe aus, ist von überlegener Geschlossenheit und zeugt von hoher Empathiefähigkeit. In schwierigen Zeiten (wie diese) bewegt sich der seelische Zustand irgendwo zwischen Kapitulation und erwachendem Kampfgeist. Das ist Matt Berninger bewusst und er vermittelt entsprechend Mitgefühl und ermutigt. Ein starkes Statement gegen die Anpassung an den bestehenden Zustand! Der Albumtitel "Get Sunk" materialisiert sich hier als Metapher für Befinden, nicht tot zu sein, aber sich in einer ausweglos erscheinenden Situation zu befinden. Der Künstler stellt die Frage, wie wir in schwierigen Zeiten unsere Verfassung realistisch beurteilen können.
Gegenüber dem Vorgänger "Serpentine Prison" zeigt "Get Sunk" keine umwälzende stilistische Weiterentwicklung, sondern eine konsequente Stagnation und Beharrlichkeit, um weiterhin nach eigenen Maßstäben eine souveräne Qualität abliefern zu können. Auch wenn "Get Sunk" nicht ganz so flüssig durchläuft wie "Serpentine Prison", so kann man Matt Berninger auf jeden Fall bescheinigen, dass er sich gewissenhaft auf die Suche nach wertbeständigen Elementen für seine erwachsene Pop-Musik begibt und die Ergebnisse kultiviert in seine Lieder einbaut.
Manche Ideen von "Serpentine Prison" finden ihre logische Entsprechung auf "Get Sunk". Nicht als zweiter Teil, sondern als Ergänzung der erlebten und vertonten Signale und Emotionen: Für "Silver Springs" (von "Serpentine Prison") und "Breaking Into Acting" (von "Get Sunk") gibt es weibliche Verstärkung beim Gesang, der die Lieder auf eine prickelnd-abtastende Kommunikations-Ebene hebt. "All For Nothing" (von "Serpentine Prison") und "Little By Little" (von "Get Sunk") stellen die Dringlichkeit ihrer Aussagen in offensiv herausgestellten Refrains dar. "One More Second" (von "Serpentine Prison") und "Times Of Difficulty" (von "Get Sunk") können als herausragend intelligent auskomponierte Referenz-Stücke angesehen werden, die zukunftsweisend sind.
Die Ausbeute an neuen Liedern, die wahrscheinlich dem Zahn der Zeit trotzen werden, ist jedenfalls hoch. Und dann ist da ja noch diese verführerische Stimme, deren charmante Umarmung man unbedingt widerstandslos genießen sollte.
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