Amadou & Mariam - L’amour à la folie (2025)
Der Sound von Amadou & Mariam ist von Liebe durchflutet.
Die Musik von Amadou Bagayoko & Mariam Doumbia zeichnet sich grundsätzlich durch einen geschmeidigen, stimulierenden Groove und einen zart fließenden, warmen Flow aus. Blues, westafrikanische Folklore, Funk, Soul, Pop, Rock - das sind die auffallendsten Musik-Stile, die in den Kompositionen herauszuhören sind und in der westafrikanischen Sprache Bambara oder auf Französisch vertont wurden. Aber die bunte, schillernd-variable Mischung der Klänge macht den eigentlichen Reiz und die besondere Anziehungskraft aus.
Zum Auftakt ihres letzten gemeinsamen Werkes "L’amour à la folie" bringt "Bienvenue à la maison" (= Willkommen zu Hause) rauschhafte Töne mit wiegenden Rhythmen, satten Bässen, verdichtetem Akustik-Gitarren-Picking und kristallklaren, schillernden und erhabenen E-Gitarren-Akkorden beschwingt und scheinbar mühelos zusammen. Amadous Stimme klingt entschlossen, richtungsweisend und seriös. Umwerfend stimulierend! Das Lied ist eine Ode an die (Gast)-Freundschaft, die Liebe und die daraus resultierende Verbundenheit, die dabei hilft, viele Schranken und Grenzen zu überwinden.
Bei "Sonfo" gibt es gesangliche Unterstützung durch den kongolesischen Rumba-Sänger, Tänzer und Produzenten Fally Ipupa Nsimba. Dessen Beitrag sorgt auch dafür, dass der Song eine moderne, urbane Neo-R&B-Färbung erhält. Die Zusammenarbeit gelingt ohne qualitative Einbußen am ursprünglich konzipierten, folkloristisch-gediegenen, kontrolliert optimistischen Sound. Genauso wie "Bienvenue à la maison" hat der Song einen unwiderstehlichen Vorwärtsdrang, der von Amadous grandioser, virtuos und passgenau eingebundener E-Gitarre angeheizt wird. Von dem Stück gibt es am Ende des Albums noch eine alternative Version, bei der die im wahrsten Sinne elektrisierende Gitarre noch mehr im Mittelpunkt steht. Klasse!
Die Lieder "Nakan"
und "La vie est belle" (= Das Leben ist schön)
integrieren einen dumpf-monotonen Beat, über dem sich die Percussion-Instrumente genussvoll räkeln und winden. Beide Tracks lassen hinsichtlich ihres Aufbaus an Minimal-Art- oder Electronic-Dance-Music-Strukturen denken, obwohl sich der Einfluss von künstlichen Synthesizer-Klängen in Grenzen hält. Der Ablauf ethnischer Tanzmusik weist manchmal Ähnlichkeiten zu modernen Club-Sounds auf, und die Kombination beider Bestandteile führt hier zu einem wirbelnden Ergebnis, bei dem rhythmisch aktive Welten erregend und geschmackvoll kollidieren!
Für "Mogolu" teilen sich Amadou & Mariam mit freundlich-prickelnder Wirkung den Lead-Gesang und sind bestrebt, mit diesem aufmunternd-belebenden "Afro-Disco-Klang" die Tanzflächen zu füllen.
Durch das Knistern am Anfang vermittelt "L'amour à la folie" (= Wahnsinnige Liebe) zunächst den Eindruck einer Außenaufnahme auf einer alten Schallplatte. Das ist aber nur ein Gimmick, denn fortan geht es flott und sauber produziert zur Sache. Eine sprudelnde, positiv aufgeladene Rock-Energie steht im Mittelpunkt dieses Tracks, der für ordentlich Bewegung und Druck sorgt.
Hörerschaft an unterschiedliche Gegenden, mal an mystisch verklärte Orte, mal an belebt-aufregende Plätze. Faszinierend! Das Paar engagiert sich politisch. Sie rufen zur Disziplina auf: "Wenn jeder seine Pflicht tun würde. Die Welt wird ein guter und viel besserer Ort sein." Und klagen Missstände an: "Weit verbreitete Anarchie. Weit verbreitete Armut. Weit verbreitete Korruption. Weit verbreitete Unsicherheit. Weit verbreitete Heuchelei. Weit verbreitete Demagogie."
Die Rhythmus-Figuren für "Kɛlɛ kɔ" schäumen vor Lebenslust und verbinden traditionelle und moderne Takt-Ideen originell miteinander. Die ethnischen Percussion- und Streichinstrumente vermitteln unterdessen den Eindruck, man sei bei einer geheimnisvollen, jahrhundertealten Zeremonie dabei. Dazu kommt der monoton-beschwörende Gesang, der die hypnotische Wirkung noch verstärkt. Die homogen eingebundene, flirrende E-Gitarre am Ende des Stücks holt einen dann wieder taufrisch in die Gegenwart zurück.
"Saabujugu" ist durch seine eingängigen Refrains eine mitreißende Pop-Nummer geworden. Die unverblümten Reggae-Aromen und milde, kreative Art-Rock-Ausflüge vermitteln darüber hinaus noch einen exotischen und eigentümlichen Charme.
"Furu" verdeutlicht einmal mehr, welch exzellenter, einfühlsamer Gitarrist Amadou war. Der Track entpuppt sich als hinreißend herzhafter Westcoast-Rock oder auch als psychedelischer Wüsten-Blues. Man kann sich unter dem Eindruck von "Furu" lebhaft vorstellen, auf was für abenteuerliche Gitarrenexkursionen sich Amadou zum Beispiel mit Richard Thompson, Tom Verlaine oder Neil Young begeben hätte können. Schade, dass es nicht dazu gekommen ist.
"Tanu" schlägt in die gleiche Kerbe, wobei das Tempo gegenüber dem Vorgänger zurückgenommen wird. Dadurch scheinen die Klänge sanft über das Gelände dahinzuschweben. Ausgeglichenheit, Würde und die Kraft alter Traditionen machen sich breit.
Die Musik auf "L’amour à la folie" hat erneut eine aufrechte, hoffnungsvolle Ausstrahlung und ist ein stabiles, fruchtbares Vermächtnis von Amadou & Mariam, die sich mit Leib und Seele ihrer Kunst verschrieben haben. Sie drücken mit jeder Note ihre Liebe zueinander, zum Leben und zur afrikanischen Natur und Kultur aus. Dieser Zauber wird die Zeit überdauern, denn Qualität setzt sich immer durch und ist unvergänglich. Die pulsierende Musik-Szene von Mali hat mit Amadou Bagayoko einen wichtigen Kultur-Botschafter verloren. R.I.P., Amadou!
Unter dem Namen Amadou & Mariam - Dimanche à Bamako ist 2004 diese stimmungsvolle, sehenswerte Dokumentation erschienen:


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