JASON ISBELL - Something More Than Free (2015)

Mit Studioalbum Nummer fünf etabliert sich der Americana-Songwriter Jason Isbell endgültig als einer der eindrucksvollsten und ambitioniertesten Vertreter seiner Zunft.
Es lassen sich einige Parallelen zwischen Jason Isbell und Ryan Adams feststellen. Beide sind Sänger, Komponisten sowie Gitarristen und mit einem Rock`n`Roll-Herz im erweiterten Americana-Umfeld tätig. Außerdem haben beide Musiker vor ihrer Solo-Karriere in renommierten Bands gespielt. Adams bei der von ihm gegründeten Country-Rock-Band Whiskeytown und Isbell war von 2001 bis 2007 Mitglied der muskulösen Southern-Rocker Drive-By Truckers. Sowohl von Ryan Adams wie auch von Jason Isbell kann man aufgrund ihrer außergewöhnlichen Talente Songs erwarten, die intensive Gefühle transportieren und tief berühren. In den besten Momenten erzeugen sie eine magische, Gänsehaut erzeugende Wirkung.
Something More Than Free (Lp) [Vinyl LP]: Amazon.de: Musik
„Something More Than Free” ist das fünfte Album des Singer/Songwriters aus Alabama, der seine wilde, durch Drogen-Exzesse geprägte Zeit erst mal hinter sich gebracht zu haben scheint. Er besinnt sich aktuell auf den Wert von Familien- und Freundesbeziehungen, hat neu geheiratet und wird bald Vater. Als Geschichtenerzähler haben diese Ereignisse und die Überwindung seiner Dämonen direkten Einfluss auf seine Songs („How To Forget”). Jason beobachtet detailliert den Umgang der Menschen mit ihren Unzulänglichkeiten, analysiert ihr Scheitern oder das Wachsen an schwierigen Aufgaben. Natürlich hinterfragt er auch den Verlauf von Liebesbeziehungen und beleuchtet das Leben der einfachen Leute („Speed Trap Town“), deren Einbindung in den amerikanischen Traum und ihre ambivalente Beziehung zur Arbeit („The Life You Chose”, „If It Takes A Lifetime“). Denn diese kann sowohl eine Bürde wie auch die Chance zur Selbstbestimmung sein. Für die Entwicklung seiner Song-Charaktere nutzt der Mann aus Alabama eigene Erfahrungen genauso wie fiktive Geschichten. Textlich beschreibt er konkret Sachverhalte oder drückt sich in Metaphern aus.
So vergleicht er in „Flagship“ eine verblassende Leidenschaft mit den Eindrücken, die er in einem alten Hotel gesammelt hat und sinniert gleichzeitig über die Zerbrechlichkeit der Liebe. Eigentlich handelt es sich aber auch um ein Liebeslied für seine Frau. Jason lässt sich seine Figuren gerne an Leitsätzen orientieren. Eine Kernaussage ist, dass es wichtig sei, sich seinen Ängsten zu stellen und dabei Selbstsucht und Eitelkeit beiseite zu lassen. In „24 Frames“ vermittelt sein Protagonist die Ansicht: „Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott“. Denn der Erzähler trifft die Aussage: „Du dachtest, Gott sei ein Architekt, aber jetzt weißt du, er ist eher eine Rohrbombe, die bereit ist, zu explodieren“. Derartige mehrdimensionale philosophische Abrisse und provokant-intelligente Aussagen durchziehen das gesamte, klug beschreibende Werk.
Musikalisch werden auch einige Leckerbissen geboten, wie gleich zu Beginn mit „If It Takes A Lifetime“. Melodisch erinnert der Song an „Games People Play“ von Joe South, ist damit also eine Referenz an den Country-Soul, der in den berühmten FAME-Studios von Muscle Shoals in Alabama entstand. „24 Frames“ ist die Rate an Bildern, die jede Sekunde bei einem Kinofilm abgespielt wird und die erste Single-Auskopplung des Albums. Jason zaubert hier einen unwiderstehlichen, lässigen Folk-Rock mit schleifenden E-Gitarren-Linien aus dem Ärmel. Vollmundigen, süffigen, gelassenen, mit Streichern versetzten West-Coast-Rock in der Tradition von Stills, Nash & Young hört man bei „Children Of Children“. Textlich wurde Jason von der Tatsache angeregt, dass sowohl seine Mutter wie auch seine Schwiegermutter schon in jungen Jahren Kinder bekommen haben und er reflektiert, wie sie mit dieser Situation umgegangen sind.
„Something More Than Free“ ist eine Ballade mit engagiertem Gesang und packender Melodie, die von der besinnlichen Geige von Jasons Ehefrau Amanda Shires getragen wird. Mit „Palmetto Rose“ flackert die cool rockende, aggressivere Seite des Singer/Songwriters auf und „To A Band That I Loved“ ist eine zärtlich-introvertierte Hommage an Centro-Matic. Mit dieser Band ist Jason freundschaftlich verbunden und er ging auch schon mit ihnen auf Tournee. Stimmungsvollen, sehnsüchtigen Country-Rock, der mit einer harmonischen Melodie versehen ist, bekommt man bei „Hudson Commodore“ zu hören. Nicht nur bei diesem Titel werden alle Fans des frühen, folkigen Neil Young oder von Jackson Browne anerkennend mit dem Kopf nicken, denn die Qualität vieler Jason Isbell-Songs kann sich durchaus mit der von diesen Ikonen messen.
Live im Studio präsentiert der Künstler hier das Titelstück seines Prachtalbums:

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