Iron And Wine & Ben Bridwell - Sing Into My Mouth (2015)

Sam Beam und Ben Bridwell haben zusammen ein Album mit Cover-Versionen aufgenommen. Bei diesen beiden Musikern handelt es sich um die Köpfe von IRON & WINE und BAND OF HORSES. Sie haben tief in der Pop-Historie gegraben und Lieder so unterschiedlicher Künstler wie J.J. und JOHN CALE, SADE, den TALKING HEADS und der MARSHALL TUCKER BAND geborgen. Alles wird schön melancholisch und unaufgeregt dargeboten, so dass es eher ein Herbstalbum geworden ist. Aber der kommt ja leider wieder viel früh und dann können die Songs die Seele wärmen.
Die Köpfe von Iron And Wine und Band Of Horses haben ihr lange vorbereites Cover-Versionen-Projekt realisiert.
Iron And Wine ist der in South Carolina aufgewachsene Singer/Songwriter Sam Beam. Entstanden seine ersten Songs 2002 noch als Heim-Aufnahmen, so wurde er im Laufe seiner Karriere immer professioneller, ohne dabei seinen eigenbrödlerischen Charme abzulegen. Für die Werke „In The Reins“ (2005) und „The Shepherd`s Dog“ (2007) hatte er schon mal mit Gästen zusammen gearbeitet. Damals waren das unter anderem Calexico. „Sing Into My Mouth“ ist jetzt zusammen mit Ben Bridwell von Band Of Horses entstanden und enthält nur Cover-Versionen. Diese zeigen das weite Ideen-Spektrum und einige Einflüsse der Freunde sowie deren Herangehensweise ans Produzieren und Arrangieren auf. Für die Zusammenstellung wurden nicht die offensichtlichen Titel aus dem alternativen Country-Folk-Umfeld ausgesucht, sondern eher nicht erwartete, außergewöhnliche Vorlieben gewählt.
Iron And Wine & Ben Bridwell: Sing Into My Mouth (CD) – jpc
Das Projekt ist im letzten Sommer in den Echo Mountain Studios in Aseville, North Carolina, realisiert worden, aber schon ein lange gehegter Wunsch der beiden. Ihr Umgang mit den Vorlagen zeigt einerseits großen Respekt, andererseits krempeln sie manche Songs total um. Alle Bearbeitungen wurden unabhängig von der Dynamik und vom Tempo der Originale eher ruhig und bedächtig umgesetzt. Und so ist eine Zusammenstellung gelungen, die Fans des verhangenen, leicht melancholischen Country-Folks gefallen sollte.
Zu den radikal veränderten Songs gehört der flippige New Wave Funk von „This Must Be The Place (Naive Melody)“ der Talking Heads. Sam Beam lässt seinen ausgleichenden, lyrischen Lead-Gesang in der Bearbeitung über hypnotisch gepickte akustische Gitarren gleiten. Der Folk-Song wird von Akkordeon- und weinenden Steel-Gitarren-Schüben begleitet. Apropos Steel-Gitarre: Wer sich an „Teach Your Children“ von Stills, Nash & Young erinnert, hat einen Eindruck, wie dieses Instrument hier eingesetzt wird. Damals wurde es von Jerry Garcia (Grateful Dead) herzzerreißend und intensiv bedient. Auf „Sing Into My Mouth” wird es in vielen Tracks ähnlich gespielt. Besonders reizvoll und lieblich auf „Any Day Woman“, das schon im Original von Bonnie Raitt sehr berührend ist. Die Cover-Version ist noch dunkler ausgefallen und würde somit gut ins Repertoire von Bonnie Prince Billy passen.
Nicht erwarten konnte man eine Version von Sades „Bulletproof Soul“. Von diesem lasziven, gefälligen Late-Night Jazz-Soul sezieren sie die dunkle Seite und breiten milde Melancholie über einen verführerischen Country-Soul-Teppich aus. Aus dem schüchternen, Streicher-betonten Breitwand-Pop von El Perro Del Mar („God Knows (You Gotta Give To Get)“) machen sie einen sehnsuchtsvollen Song, der eindringlicher als das Original ist und statt Streichern eine originelle Klarinette aufweist. Von J.J. Cale, dem Schweiger aus Tulsa, wählen sie nicht etwa die Hits „Cocaine“ oder „After Midnight“ aus, sondern das intime „Magnolia“. Ben Bridwell präsentiert das Lied mit seiner tragisch-klagenden, pathetischen Stimme und die Cover-Tüftler versehen den Song mit Echo-Sequenzen, so dass eine seltsame Atmosphäre entsteht. Und aus dem musikalisch wenig ansprechenden Jodel-Folk „Coyote, My Little Brother“ vom Folk-Urgestein Pete Seeger machen sie einen reizvollen, halluzinogenen Alternative-Folk.
Aber auch bei den Songs, die sie stimmungsmäßig übernehmen, fügen sie jeweils eine spezielle Sicht hinzu oder lassen sie so klingen, als hätten sie sie selbst verfasst. Die diabolische, emotional undurchsichtige Hintergründigkeit von John Cales „You Know Me More Than I Know” lösen sie zugunsten eines offen bekennenden, gradlinigen Stückes mit verzweifelten Untertönen im Refrain auf. Und aus dem Folk-Rock der britischen Unicorn („There´s No Way Out Of Here“), der im Original sehr nach der Westküste der USA klingt, fabrizieren sie einen hinreißenden Progressive-Folk-Track.
Sam & Ben müssen eine interessante Plattensammlung haben. Sie haben ein Gespür dafür, aus Titeln unterschiedlichster Couleur die Essenz zu destillieren und so aufzuarbeiten, dass sie zu interessanten, intimen Neuschöpfungen werden. Selbst Songs, die sich im Original beim ersten Hören als nicht unbedingt besonders geeignet anhören, wie „The Straight And Narrow“ von Spiritualized, dem Nachfolger der Trance-Rocker Spacemen 3, werten sie durch ihre Bearbeitung auf. Sie tauchen nach Perlen und berücksichtigen dabei den sträflich unterbewerteten Ronnie Lane mit seiner eindringlichen Ballade „Done This One Before“ genauso wie die relativ unbekannten Them Two. Sie haben mit „Am I A Good Man?“ eine Rhythm & Blues-Ballade geschrieben, die eigentlich eine Steilvorlage für The Black Keys sein sollte. Außerdem stellen sie beim kurzen „Ab`s Song“ der Marshall Tucker Band die vorzügliche Melodie heraus und reaktivieren dadurch einen vergessenen Edelstein.
„Sing Into My Mouth“ ist durch den mehr als 15-jährigen Austausch von musikalischen Favoriten zweier Gleichgesinnter entstanden. Das überzeugende, ausgewogene Konzept mündet in ein homogenes, authentisches Ergebnis. Wer also generell Spaß an attraktiven, originellen, mit Herzblut umgesetzten Cover-Versionen hat und sich für feingeistige Country-Folk-Songs interessiert, der wird sein Vergnügen an „Sing Into My Mouth“ haben und sehnlichst auf Teil 2 hoffen.

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