WARREN HAYNES - Ashes & Dust (2015)

WARREN HAYNES kennt man als ex-Gitarrist der ALLMAN BROTHERS BAND und vor allem als Kopf seiner JAM ROCK Formation GOV`t MULE. Nun hat er sein drittes Solo-Album herausgebracht, dass er mit der Bluegrass-Band RAILROAD EARTH eingespielt hat. Die Hinwendung zu Folk und Country steht ihm hervorragend. Er bringt sich mannschaftsdienlich ein und überzeugt mit großartigen Songs und inbrünstigem Einsatz.

Die dritte Solo-Scheibe des Gov`t Mule-Chefs ist die überzeugendste Leistung seiner bisherigen Karriere geworden.

Jetzt hat der ex-The Allman Brothers Band-Gitarrist Warren Haynes neben seinen umfangreichen Verpflichtungen mit seiner Jam-Rock-Formation Gov`t Mule sogar noch Zeit gefunden, ein drittes Album unter eigenem Namen aufzunehmen. Grade konnte er mit seiner Stammband noch 20-jähriges Jubiläum feiern und öffnete dazu sein Archiv, worüber wir ausführlich berichteten („Sco-Mule“, „Dub Side Of The Mule“, „Stoned Side Of The Mule“), jetzt legt der Vollprofi schon den nächsten Streich vor, denn rasten bedeutet für ihn rosten. Aber kann er mit diesem Seitenprojekt seinen Anhängern nicht nur einen quantitativen, sondern auch einen qualitativen Mehrwert bieten? Und ob! „Ashes & Dust“ ist unter tatkräftiger Mithilfe der sechsköpfigen Newgrass-Band Railroad Earth entstanden, die Warren kennenlernte, als sie im Vorprogramm der Allman Brothers Band spielten. Die neuen Stücke zeigen den Meistergitarristen in einem anderen Licht. Lebte er mit Gov`t Mule hauptsächlich seine improvisierende, ausschweifende Seite aus, so hört man ihn nun songdienlich im Folk- und Country-Umfeld agieren. Dabei hält er mit seinem Gitarrenspiel weiterhin einen hohen Energielevel und trifft sich mit den anderen Musikern zu leidenschaftlichen Instrumentalkommunikationen.
Ashes & Dust [Deluxe] - Warren Haynes: Amazon.de: Musik
Beim behäbigen Folk-Rocker „Is It Me Or You” ist sein Sparringspartner der Geiger Tim Carbone. Im Hintergrund klappert ein Banjo erwartungsvoll und Warren singt sehnsüchtig-schmerzverarbeitend, denn er tröstet und leidet gleichzeitig. Sein Slide-Gitarren-Solo ist impulsiv, fügt sich aber trotzdem in die getragene Stimmung ein. Bei dieser Vorgehensweise fällt ein anderer großer Name ein, der ähnliche Spielmuster aufbietet und damit Seele und Hirn verwöhnt, nämlich Richard Thompson.
„Coal Tattoo“ bietet Country-Rock der bedächtigeren Sorte, der mit einem röhrend-jaulenden E-Gitarren-Solo geadelt wurde. Dadurch wird die ländliche Stimmung aufgefrischt, wobei die Geige mit traditionellen Elementen dagegen hält. Der harmonische Lead-Gesang glättet die Wogen und verbreitet milde Melancholie. „Blue Maiden`s Tale“ ist eine kammermusikalische Folk-Ballade, bei der zunächst Kontrabass und Geige die Hauptrollen spielen. Warren lenkt dann aber mit seinem eindrucksvollen, introvertierten Gesang die Aufmerksamkeit auf sich.
Bis auf ein paar Akkorde auf der E-Gitarre ist „Company Man“ eine reine Country/Bluegrass-Nummer, bei der Mandoline, Geige und Banjo die Begleitung übernehmen. Mit „New Years Eve“ wird es sehr andächtig. Der Titel verbreitet mehr Trauer als Hoffnung. Bei der swingenden Blues-Nummer „Stranded In Self-Pity” teilen sich Geige und Gitarre die Haupt-Solo-Parts. Für Abwechslung sorgen eingestreute Piano- und Klarinetten-Einlagen. Intensiv und gefühlvoll wird die Ballade „Glory Road“ aufgeführt, die mit instrumentalen Leckereien wie einer akustischen Slide-Gitarre auf sich aufmerksam macht. Die mit schwüler Erotik unterlegte Cover-Version von „Gold Dust Woman“ - im Original auf Fleetwood Mac`s „Rumours“ - wird von der Gastsängerin Grace Potter sinnlich begleitet. „Beat Down The Dust“ ist eine recht flotte, an Gypsy-Swing angelehnte Nummer. Mit „Wanderlust“ ist ein bitter-süßer Country-Track mit singender Slide-Gitarre, weiblichem Harmony-Gesang von Shawn Colvin und lückenfüllender Harmonika von Mickey Raphael gelungen. Ganz anders ist „Spots Of Time“, das zusammen mit Phil Lesh von Grateful Dead geschrieben wurde: Jazzig verspielt, mit leicht groovenden Rhythmen beginnt der Track. Diese Figuren tauchen immer wieder auf, zunächst überführt Warren den Song jedoch in einen engagierten Pop-Rock und trägt noch ein jazziges Solo bei. „Hallelujah Boulevard” ist wiederum eine ausgedehnte Ballade mit eindringlichem, leidenschaftlichem Gesang und zum Schluss gibt es mit „Word On The Wind“ noch einen Folk-Rock in gemäßigtem Tempo.
Bei Gov`t Mule ist Warren Haynes Chef im Ring. Hier teilt er sich die Ausgestaltung seiner Songs mit versierten Begleitmusikern, die ihren Anteil am Geschehen einfordern und virtuos umsetzen. Es steht den Songs gut, dass sie nicht von einem Top-Musiker alleine beherrscht werden, sondern ein Konglomerat von einfühlsamen Top-Leuten zur Güte und Abwechslung beiträgt. Mr. Haynes hat dadurch das überzeugendste Produkt seiner langen Karriere fertiggestellt. Weniger offensive Präsenz trägt eben manchmal zu einer höheren Ausgewogenheit bei. Warren hat hörbar Spaß an der Country-Folk-Ausrichtung und der Feinmechanik, die mit der Verschachtelung der Instrumente einhergeht. Er überlässt seinen Mitstreitern erstaunlich viel Raum und Gestaltungsmöglichkeiten und gewinnt dadurch noch mehr Aufmerksamkeit, wenn er seine Talente einbringt. Gesanglich zeigt er sich überzeugender, ausgewogener und intensiver als je zuvor und auf der Gitarre ist er ja sowieso ein As.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation

Jahresbestenliste 2023

Lesestoff: Pop steht Kopf