SLY & THE FAMILY STONE - Live At The Fillmore East October 4th & 5th, 1968

Eine kleine Sensation ist die Veröffentlichung des ersten Live-Albums von SLY & THE FAMILY STONE. "Live At The Fillmore East October 4th & 5th, 1968" enthält vier Konzerte aus dem Musentempel von Bill Graham und vermittelt einen ungefähren Eindruck der Intensität dieser Formation.
Sly & The Family Stone gaben der Verbindung von Funk und Rock Ende der 60er-Jahre Starthilfe. Jetzt zeigt das Dokument „Live At The Fillmore East“ nochmal eindrucksvoll auf, welche Power in dieser Formation steckte.
Live at the Fillmore East October 4th & 5th 19 - Sly & the Family ...
Er ist eine Ausnahmeerscheinung, wenn es um die Entwicklung der afro-amerikanischen Musik in den USA geht. Ende der 60er-Jahre fusionierte er Psychedelic-Rock, Rhythm & Blues, Soul und Funk in einer bahnbrechenden Weise, wie vor ihm nur James Brown. Außerdem war er auch hinsichtlich seines Auftretens und der von ihm verbreiteten gesellschaftspolitischen Botschaften ein Revolutionär und Vorreiter. Die Rede ist von Sylvester Stewart alias Sly Stone, der in der Bay Area um San Francisco in seiner Formation Family Stone Musiker beider Geschlechter und von unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe vereinte. Das war damals zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung und Rassendiskriminierung alles andere als selbstverständlich.
Musikalisch war er so einflussreich, dass ein amerikanischer Musik-Journalist einmal schrieb, es gäbe nur zwei Arten von schwarzer Musik: Die vor Sly & The Family Stone und die danach. Musik hat im Leben von Sylvester Stewart schon früh eine zentrale Rolle eingenommen. Im Alter von vier Jahren schrieb er seinen ersten Gospel-Song, später spielte er in diversen Bands, war als Produzent offen für viele Stile und betätigte sich als Radio-DJ, wobei er auch hier ein buntes Programm von schwarzer und weißer Musik präsentierte. Nebenbei feilte er beständig an seinem spezifischen Vortragsstil. Dieser bestand aus einer dynamischen, explosiven Mischung aus hochenergetischem Funk, drogenvernebeltem West-Coast-Rock und emotionalem Soul.
Es dauerte nach der ersten, noch relativ konservativen Veröffentlichung „A Whole New Thing“ von 1967 nicht mehr lange, bis sich erste Chart-Erfolge einstellten. Die Single „Dance To The Music“ vom gleichnamigen Album erreichte bereits 1968 die Top 10 in den USA. Die steigende Popularität sicherte der Band dann einen Auftritt beim Woodstock-Festival (1969). Hymnen wie „I Want To Take You Higher“ fielen dort auf fruchtbaren Boden und brachten die Massen in Ekstase. Die Musiker waren jetzt ganz oben angekommen. Sly Stone konnte den Erfolg jedoch nicht verkraften und wurde in den folgenden Jahren mehr und mehr zur tragischen Figur. Sein massiver Drogenkonsum führte dazu, dass er seine charismatische Bühnenpräsenz nicht mehr verlässlich einbringen konnte. Außerdem war er desillusioniert von der gesellschaftlichen Entwicklung in den USA, denn die Bürgerrechtsbewegung erreichte nicht wie gehofft den durchschlagenden Erfolg bei der Gleichstellung der Bürger. Dazu kam, dass wichtige politische Hoffnungsträger tot waren (Martin Luther King, Malcolm X, Robert Kennedy) und es keine gleichwertigen Nachfolger gab.
1971 gelang dem Funk-Rock-Pionier mit dem verstörenden, aber wegweisenden Album „There`s A Riot Goin` On“ noch mal eine grandiose Leistung. Auch „Fresh“ von 1973 enthielt einige packende Songs, wie z.B. „If You Want Me To Stay“, aber das letzte bemerkenswerte Album war dann „High On You“ von 1975. Danach ging es kreativ, kommerziell und persönlich für ihn steil bergab. Heute lebt Sly verarmt und im Rechtsstreit mit seinem Manager, den er auf 50 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt hat, in einem Wohnmobil. Aber sein Einfluss ist ungebrochen. Die HipHop-Generation entdeckte ihn wieder und sampelte häufig seine Einfälle. So wie das Gitarrenriff von „Into My Own Thing", das Fatboy Slim für seinen Hit „Weapon Of Choice" (2001) nutzte.
Die jetzt herausgebrachten, offiziellen Live-Aufnahmen von 1968 entstanden kurz nach der Veröffentlichung des dritten Albums „Life“ und sollten eigentlich schon damals rauskommen. Da sich „Life“ aber gut verkaufte, wollte man den Erfolg nicht durch eine zu schnell nachgeschobene Publikation torpedieren und die Bänder verschwanden im Archiv. Die vier CDs, die in einem schönen, aber etwas umständlich handhabbaren, mehrfach klappbaren Digi-Pack verkauft werden, enthalten alle vier Konzerte, die am 4. und 5. Oktober 1968 in New York aufgenommen wurden. Dadurch bekommt man natürlich einige Tracks mehrfach serviert, „Are You Ready“,

„Color Me True“ und „Won`t Be Long“ sogar viermal. Der Konzert-Mitschnitt zeigt ein köchelndes, ausschweifendes Happening mit viel Spielfreude aller Beteiligten. Es handelt sich um ein ungeschöntes authentisches Tondokument. Man hört keine perfekt zusammengestellte Performance, sondern typische Konzerte mit aufgedrehter, ausschweifender Stimmung und manchmal allzu zerfaserten, ausgewalzten Kompositionen inklusive Fehler und Übersteuerungen. Der Sound wurde gut aufgearbeitet. Für eine historische Aufnahme ist er sehr dynamisch und transparent. Was fehlt, ist die wichtige visuelle Komponente. Dem Set hätte deshalb unbedingt eine DVD oder Blu-ray beigelegt werden sollen.
Sly Stone ist eine einflussreiche Legende, dessen Werk noch immer lebendig ist. Der Zahn der Zeit konnte der Bedeutung und Wirkung seiner Musik nichts anhaben. Musiker wie Prince nennen ihn als Vorbild und hätten sich ohne sein Wirken anders entwickelt. „Live At Fillmore East 1968” ist eine hochwillkommene, historisch und musikalisch wichtige, längst fällige Rückschau. Sie fällt nicht nostalgisch aus, weil sie eine Seite von Sly & The Family Stone beleuchtet, die es bisher - mit Ausnahme von den Woodstock-Aufnahmen - noch nicht auf Tonträger zu erleben gab.

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