Nadeah - While The Heart Beats (2016)

Gibt es noch Hoffnung für die Pop-Musik? Solange noch Künstlerinnen wie NADEAH aus dem Rahmen der Erwartungshaltungen ausbrechen und trotzdem radiotauglich bleiben, auf jeden Fall!

Nadeah steht für ein unverkrampftes Pop-Verständnis mit offenem Horizont.


Es waren einige schicksalhafte Wendungen und Ereignisse nötig, bis „While The Heart Beats…“ entstehen konnte. Die gebürtige Australierin Nadeah hat zunächst in Paris als Straßenmusikerin den steinigen Weg zur Profi-Musikerin begonnen. Die danach von ihr in Brighton, England, gegründete Band The loveGods stand kurz vor dem Durchbruch, als sie ihr Visum verlor. Zwangsläufig musste die junge Frau zurück nach Paris, wo sie aber eine neue künstlerische Herausforderung als Teil des Projektes Nouvelle Vague fand. Diese Formation coverte Songs der Achtzigerjahre und verlieh ihnen in der Regel eine wolkige Easy Listening-Umgebung. 2011 hatte Nadeah dann die Gelegenheit, ihr erstes Solo-Album „Venus Gets Even“ aufzunehmen und ihre Beharrlichkeit trägt jetzt mit dem zweiten Werk Früchte.
While The Heart Beats | Nadeah
Es weht ein frischer, unbekümmerter und unabhängiger Wind zwischen den Noten. „Met A Man“ setzt Maßstäbe, denn der Song hält sich an keine Erwartungen. Aufmüpfige Funk-Gitarren, die sowohl den Talking Heads wie auch dem New Yorker No Wave- und Free Funk-Saxophonisten James Chance gestanden hätten, bringen Unruhe in den gemütlichen Disco-Beat. Sie senden elektrische Morsezeichen und deuten damit eine antiquierte Kommunikation in modernen Zeiten an. Der Song ist beweglich, keiner der eingesetzten Stile hat lange Bestand: Sehnsüchtiger West Coast-Pop, New Wave-Zickigkeit, Funk-Grooves und Jam-Rock-Zitate flackern abwechselnd auf, ohne sich im Weg zu stehen.
Eine hochmelodische Sixties-Pop-Melodie mit Groove-Verweisen zeichnet den Adult-Pop von „One Way Lie“ aus. Der Song könnte genauso aus der Feder von Dusty Springfield wie auch von Adele stammen. Beschaulich wird „Ordinary Colours“ abgeliefert. Angeschrägte E-Gitarren vertreiben die aufkeimenden Sentimentalitäten, die durch den harmoniesüchtigen Gesang aufgebaut werden. Als Duettpartner fungiert hier Tim Booth von der Band James.
Pop-Funk ist der Zündstoff für „Kansas“, das dadurch rhythmisch aktiv und lebhaft erscheint. Schwergewichtige Riffs und pumpend-stampfende Rhythmen gaukeln bei „Unknown“ zunächst Gefahr vor. Nadeah löst die bedrohliche Stimmung aber durch ihren selbstbewussten Gesang auf. Der Track mutiert allmählich zu einer dynamischen, unter Dampf stehenden, euphorisierenden Angelegenheit.
Punk-Gitarren und ein dominantes Schlagzeug machen aus „Darling“ einen energischen Power-Pop, der an Blondie erinnert. Lieblich wie Natalie Merchant breitet Nadeah ihre Stimme über „Get Out Of Your Head“ aus. Der jugendlich arrangierte Song hat einen Singer/Songwriter-Kern und verbindet so Tradition und Moderne. Der Folk-Wave-Punk der Violent Femmes trifft bei „She Said“ auf sanfte und energische Gesänge und lässt ein sprudelnd-originelles Pop-Rock-Stück entstehen. „RH Jam“ ist ein gebremst fröhlicher Track, dessen monotoner Rhythmus im angenehmen Kontrast zur einfachen Pop-Verpackung steht. Die E-Gitarre mischt dieses Konstrukt noch lustvoll auf. „Run“ kann nicht die energische, überraschende Flexibilität der vorangegangenen Lieder halten und ist im Prinzip nur eine eindimensionale Ballade ohne besonderen Tiefgang. Und „Pocketful Of Holes“ bleibt als belangloser, banaler Piano-Pop mit Elfen-Gesang hinter den Erwartungen zurück.
Nadeah hat aus ihren unterschiedlichen Stationen etliche Erfahrungen und Ideen aufgesaugt, die sie wirkungsvoll dazu nutzt, möglichst stimmige, nachhaltig beeindruckende Kompositionen zu entwerfen. Die Musik macht dabei einen lebendigen, unverbrauchten Eindruck, weil sich die Künstlerin keinen Trends unterwirft und für die verwendeten Arrangements keine Einschränkungen bestehen. Hier wird keine Betroffenheit zur Schau gestellt und in den Mittelpunkt der Darbietung gerückt. Trotzdem versteht es die Musikerin, gefühlvolle Momente zu schaffen. Sie ist auch keine barsche Rock-Röhre, aber in ihren Liedern schwingen dennoch Kraft und Selbstvertrauen mit. Ein freier Geist schafft hier unangestrengte, spritzige, teils verblüffend unkonventionelle Pop-Muster. Auf diesem Konzept lässt sich vortrefflich aufbauen.

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