GET WELL SOON - LOVE (2016)

KONSTANTIN GROPPER referiert über die Liebe. Das neue Album von GET WELL SOON heißt LOVE und ist wohl das zugänglichste Werk im Katalog des Künstlers und gleichzeitig ein sehr hinreißendes.

Konstantin Gropper und die Liebe. Eine facettenreiche Geschichte. Fast wie im richtigen Leben.
Der Mannheimer Komponist, Sänger und Multiinstrumentalist Konstantin Gropper hat sich mit seiner eigenwilligen Auffassung von alternativen Pop-Musik als Get Well Soon unter Kennern einen guten Namen gemacht. Seit 2008 bringt er in losen Abständen anspruchsvolle, erwachsen und seriös wirkende, überwiegend nachdenklich-melancholisch geprägte Musik unters Volk. Im letzten Jahr gab es eine Serie von drei unterschiedlich motivierten EP`s als Download und Vinyl-Veröffentlichung für die alte Plattenfirma und nun ist „Love“ bei einem neuen Label rausgekommen.
Love - Get Well Soon: Amazon.de: Musik
Dass Songwriter wie Brian Wilson oder Burt Bacharach einen gewissen Einfluss auf das Musikverständnis von Konstantin hatten, scheint offensichtlich zu sein. Auch aktuellere Referenzen wie die Tindersticks oder Lambchop lassen sich im Klangbild ausmachen. Gropper mag es romantisch, nachdenklich, orchestral und voll von großen, überschwänglichen Gefühlen. Musik, die für ergreifende Filme geschrieben zu sein scheint, bei denen der Betrachter sich lange mit dem Inhalt und den Bildern auseinandersetzt.
Die Get Well Soon-Arbeiten bekommen ihren Sinn in der Betrachtung als Gesamtkunstwerk. Der Ablauf folgt in der Regel einer strengen Dramaturgie, die unter einem übergeordneten Motto steht. Früher nannte man sowas Konzept-Album. Deshalb ergeben die Gebilde auch nur in der gewählten Reihenfolge das optimale Hörerlebnis. Zumindest hinterlässt „Love“ diesen Eindruck.
Was die Musik von Get Well Soon so anziehend und interessant macht, ist ihre stilauflösende Eigenschaft. Elemente aus schöngeistigem Pop, quergebürstetem Rock, Cabaret, Easy Listening, Orchestermusik und Folk verschmelzen zu einer erhabenen, geschmackvollen Einheit. Die Töne laden dazu ein, in Emotionen zu baden und sich vertrauensvoll in die seriösen und wissenden Klangwelten fallen zu lassen. Die Kompositionen sollen aufmuntern, obwohl sie nicht unbedingt zwingend gute Laune und Unbeschwertheit transportieren. Sie weichen eben von der Norm ab, sowohl in ihrer Zusammensetzung, wie auch in ihrer Wirkung.
Beim zentralen Thema Liebe hängt der Himmel nicht immer voller Geigen, deshalb ist hier der Gesang häufig reserviert, auch wenn die Instrumentierung manchmal einen ausgelassenen Eindruck hinterlässt. Das Liebesleben wird nicht klischeehaft dargestellt oder als abgedroschene Gefühlsduselei vermarktet. Gropper hatte die feste Absicht, die Peinlichkeiten, mit denen sonst Liebesbeziehungen in der Popmusik ausgedrückt werden, zu vermeiden. Bei ihm bekommt dieses überstrapazierte Motto eine vielfältige Sicht und wird musikalisch trendunabhängig angegangen. Die möglichen Verkleidungen, mit denen uns dieses mächtige Gefühl begegnen kann, werden poetisch als Umschreibungen bei den Song-Namen angerissen, wie z.B. als zärtliches Labyrinth, Chaos oder Nebel.
Das Segment der orchestralen Popmusik mit Haltung und individuellem Stil wird nicht oft bedient. Alleine schon deshalb sind die Einfälle von Konstantin Gropper etwas Besonderes. Seine Kunst besteht darin, dieses Feld so zu beackern, dass die Kompositionen zwar vertraute Inhalte offenbaren, aber trotzdem in diesem Gefüge ungewöhnlich klingen.
Nach einer einmütigen Findungsphase bei der Ouvertüre „It`s A Tender Maze“ folgt eine ausgeruhte, weltmännisch souverän präsentierte Ballade. Die volle, gleichzeitig elastisch-luftige Begleitung durch Percussion, Streicher, Keyboards und weibliche Background-Sängerinnen wird süffig-elegant und spritzig aufgeschichtet und gegen Ende wieder zurückgefahren. Das klingt mondän und ausgewogen.
Die bleierne Gemütslage mancher früherer Aufnahmen ist grundsätzlich einer milderen Ausdrucksweise gewichen. So wie bei „Eulogy“. Das Lied vereinigt das Pop-Verständnis von Aztec Camera mit dem betörenden Charme von Prefab Sprout und der sanften Harmonie von Belle And Sebastian. Erstaunlich aufgeräumt ist auch die pure, folkige, luftig arrangierte Ballade „33“. Die emotionale Tiefe wird durch den intensiven Gesang im Zusammenspiel mit der zurückgenommenen, weisen Instrumentierung erreicht. Genau in die entgegengesetzte Richtung tendiert „It`s A Fog“. Der Track wurde üppig, weitläufig und melodisch ausladend arrangiert. Das Stück hat eine feierliche Stimmung, die symphonisch aufgebaut ist. Die Rhythmik ist dabei stimulierend und die Instrumente werden transparent geschichtet.
Groppers Liebesdeutungen sind sehr speziell. Zum hymnischen „It`s Love“ gibt es ein Video, das einen älteren Herrn zeigt, wie er ein Mahl für zwei Personen zubereitet. Es sitzt dann noch eine jüngere, etwas ungepflegt und eingeschüchtert wirkende Frau mit am Tisch, die von ihm gefüttert wird. Was zunächst fürsorglich aussieht, entpuppt sich dann als blanker Horror, denn die Frau wird im Keller des Hauses gefangen gehalten. Ein Beispiel für fanatische Liebe.
Aber auch die kitschige Seite wird zur Kunstform erhoben. Der Text des rhythmisch aufgeweckten „Young Count Falls For Nurse“ besteht nämlich nur aus Aufzählungen von Verfilmungen der Herz-Schmerz-Autorin Rosamunde Pilcher.
Get Well Soons fünftes volles Werk ist inhaltlich und musikalisch vielfältig und reich, obwohl es sich inhaltlich um einen Aspekt handelt, der ausgereizt zu sein scheint. Die leichteren Noten tun dem Gefüge gut und offenbaren ungeahnte Möglichkeiten für die weitere Entwicklung von Konstantin Gropper. Dieser Rezension lag die Standard-Ausgabe zugrunde. Es gibt allerdings noch eine limitierte Luxus-Ausgabe mit fünf zusätzlichen Stücken.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation

Jahresbestenliste 2023

Lesestoff: Pop steht Kopf