HODJA - Halos (2016)

Dänemark ist nicht grade als Wiege des Rock & Roll bekannt. Die Band HODJA, die dort beheimatet ist, zeigt jetzt mit ihrem bereits zweiten Album innerhalb eines Jahres, dass es auf die Einstellung und nicht auf den Wohnort ankommt, ob inspirierende Musik gelingt. Hier hört man jedenfalls brodelnden, geheimnisvollen Voodoo-Rock der Güteklasse A.

Die Voodoo-Blues-Priester von Hodja lassen das zweite unbändige Monster von der Leine.


Der Rock’n‘Roll hatte schon immer auch eine dunkle, dämonische und mystische Seite. Selbst die Rolling Stones sangen über „Sympathie Für Den Teufel“ und Dr. John aus New Orleans verlieh seiner Musik durch Einbeziehung von Voodoo-Riten einen magischen Effekt. Heute sind diese Strömungen weitgehend aus dem Pop- und Rock-Tagesgeschäft verschwunden. Aber im verträumten Dänemark, das im „World Happiness Report“ der Vereinten Nationen auf Platz 1 gelandet ist, gibt es noch eine Bastion mit unbeugsamen, besessenen Musikern, die diesem Kult indirekt durch beschwörende Klänge huldigen und sich Hodja nennen. Das Trio Hodja entleiht seinen Namen der Bezeichnung für einen islamischen Religionsgelehrten und führt die Tradition der unheimlichen, giftigen Seite der Rock-Musik fort.
2015 erschien ihr erstes Album mit der Bezeichnung „The Band“. Die Musik von Gamiel Stone (Gesang), F.W. Smolls (Schlagzeug) und Tenboy Levinson (Gitarre) deutet dort auf Vorlieben für John Lee HookerThe StoogesT. RexVelvet Underground16 Horsepower und Tav Falco Panther Burns bis hin zu Mark LaneganThe Jon Spencer Blues ExplosionLed Zeppelin und ZZ Top hin. Diese Inspirationen lässt das Trio auf bemerkenswerte Weise in einem Gebräu von zügellosen, unangepassten, dreckigen, schwindelerregenden und rohen Tönen verschwimmen. Als Ergebnis förderten die Musiker aus dieser Substanz ein inspirierendes Referenzwerk zutage.
Was beim nun schon vorliegenden Nachfolger sofort auffällt, ist eine Hinwendung zu mehr Sounds gegenüber dem auskomponierten Song. Die Stimmungen hinter den Noten, der Ausdruck des Zusammenwirkens der Musiker, die Projektion von imaginären Vorstellungen und die Anregung der Phantasie ist nun manchmal wichtiger als der durchgängige Groove oder die Melodie: „Communication“ ist kaum strukturiert und die Texte werden mehr zitiert als gesungen. Das hört sich an, als würde ein überdrehter Prediger aus den US-Südstaaten imitiert werden. „Turn Down The Noise“ wirkt wie eine Lesung eines Nick Cave-Songs und bei „Before The Rain“ werden Textzeilen Mantra-mäßig über statische Instrumentenlinien wiederholt. Verworrene, freie jazzige Improvisationen drohen dabei den Track aus dem Ruder laufen zu lassen. Schräge, abgehackte Figuren, die an Captain Beefheart erinnern, werden bei „Other Lovers“ mit T. Rex-Boogie-Glam-Rock kombiniert.
Atmosphärisch dicht geht es bei „Halos“ zu. Dieser Desert-Rock lässt an gleißende Hitze denken und vermittelt ein Gefühl von lebensfeindlicher Weite. Der Gesang hört sich dazu wie das Heulen eines waidwunden Tieres an. Ennio Morricone-Zitate, die aus der Gruft entgegen hallen und verzweifelt-aggressive Ausbrüche tragen zum halluzinogenen Eindruck bei. Beim Voodoo-Folk-Rock von „Gazelles“ treffen riffbetonte Mandolinen auf treibende Rhythmen und flirrende Saitenspiele.
Dreckiger Blues-Rock, Glam-Rock-Splitter und Verbeugungen vor Jimi Hendrix spielen beim bissigen, rohen, unbarmherzigen „Cheap Wine“ eine entscheidende Rolle. Polternd, monoton und mit einem Pop-Kern ausgestattet kommt „Never Gonna Be Mine“ daher und beim herzzerreißenden, intimen, langsamen, filigranen Folk-Song „Broken Engines“ zeigt Sänger Gamiel Stone Crooner-Qualitäten. Für „Everytime You Hang Your Coat“ wird Folk als Velvet Underground-Hommage verpackt. Grabesstimmung herrscht dagegen beim traurig-dramatischen Gothik-Folk-Gospel „No Tomorrow“, wo auf die Endlichkeit des Daseins aufmerksam gemacht wird.
Am Ende bleibt das Gefühl, einem unheimlichen, morbiden und intensiven Trip beigewohnt zu haben. Hodja öffnet dabei ein breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten. Die Formation findet ihre Nische im schwergängigen, fiebrigen Blues und saftigem Rock`n`Roll mit ekstatischem Gospel-Feeling. Für ein Trio agieren sie dabei erstaunlich wandlungsfähig. Die Dänen empfehlen sich wieder eindrucksvoll als Brüder im Geiste der White Stripes und Black Keys.

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