WOOD BROTHERS - PARADISE (2016)

Americana in einer neuen Dimension: Feingliedrig, kreativ und eingängig ist das neue Werk der WOOD BROTHERS geworden. PARADISE heißt es und es macht Spaß von Anfang bis Ende. 
Akzente setzen, sich Zeit lassen, um Ausdrücke wirken zu lassen, und Töne wirkungsvoll platzieren: Diese Künste beherrschen die Wood Brothers vortrefflich.
Chris Wood (Bass, Gesang, Harmonika), Oliver Wood (Gitarre, Gesang) und Jano Rix (Schlagzeug, Keyboards, Gesang) können schon als alte Hasen des Musikbusiness bezeichnet werden. Chris hatte seit den 90er-Jahren beim Fusion-Jazz-Trio Medeski, Martin und Wood musiziert und Oliver spielte etwa zeitgleich in der Roots-Rock-Kapelle King Johnson. Als The Wood Brothers legen sie jetzt auch schon ihr fünftes Studioalbum seit 2006 vor, bei dem sie sich wieder unverkrampft bei diversen Stilen bedienen. Es hat sich zum Glück seitdem noch keine lähmende Routine eingeschlichen und die Ideen sind den Musikern auch noch nicht ausgegangen. Ganz im Gegenteil: Die Wood Brothers verbinden auf beeindruckende Weise Ungezwungenheit mit Raffinesse. Eingängige Melodien und ein künstlerisch anspruchsvoller Songaufbau führen zu Kompositionen von großem Unterhaltungswert. Diese Lieder eignen sich deshalb sowohl als Soundtrack für lange Autofahrten wie auch zum genussvollen Hören über Kopfhörer. Durch die kristallklare, die Instrumente perfekt abgrenzende Produktion kommt es zusätzlich zu einem klangvollen Hörvergnügen.
The Wood Brothers: Paradise (CD) – jpc
„Singin` To Strangers“ und „American Heartache“ geben dem ehrwürdigen Genre Country Rock eine besondere Ausrichtung. Es wird sowohl herzhafter Schwung, wie auch eine mild groovende Tendenz vermittelt. Einschübe von Harmonika und von allem was Saiten hat, werden punktgenau und ökonomisch gesetzt.
Jazzige Ausflüge und Gospel-Stimmung lassen „Never And Always“ wertbeständig und erhaben zugleich wirken. Das hat was von den Arbeiten von Ben Harper mit den Blind Boys Of Alabama.
Schmissiger, schwungvoller Rock der Marke Rolling Stones wird bei „Snake Eyes“ mit einer Southern Soul-Würzung versehen. Die Ballade „Two Places“ könnte auch von The Band stammen. Sie wird transparent, nur durch einen auffallenden Standbass, eine zart dekorierende Orgel, relativ dezente Bläser, eine zurückgenommene akustische Gitarre und ein differenziert eingesetztes Schlagzeug ausgefüllt.
„Heartbreak Lullaby“ ist ein Folk-Song mit mexikanischem Einschlag und „Without Desire“ treibt den Tex-Mex-Gedanken weiter in Richtung Rock & Roll. Das Ergebnis erinnert an Calexico oder Los Lobos und wird hier mit einer coolen, schwungvollen Jazz-Note versehen. In verwandtem Fahrwasser bewegt sich „Touch Of Your Hand“. Das Lied klingt, als würden Calexico oder Giant Sand Jazz-Stilübungen veranstalten, also etwas neben der Spur der konventionellen Spielweise agieren.
„Raindrop“ ist mit einem Funk-Riff ausgestattet, das Anleihen bei „Superstition“ von Stevie Wonder macht. Dann gibt es noch New Orleans-Jazz-Verzierungen mit einer Hommage an Allen Toussaint und lyrische, ruhige Passagen, die den Track auf verschlungene Pfade führen. Ein schnarrender Standbass leitet das Klangbild von „River Of Sin“ ein. Ein Piano, das in einer schummrigen Bar zu stehen scheint und eine akustische Gitarre, bei der kurze Akkorde angerissen werden, ergänzen die Bar-Jazz-Stimmung. Später fallen noch eine wohlig grummelnde Orgel und andächtige Gospel-Sängerinnen auf.
Die Wood Brothers sind innerhalb des Americana-Kosmos auf vielen Spielwiesen anzutreffen. Der Roots-Rock von The Band hat sie geprägt, ebenso Bar-Jazz, Southern Soul und Gospel. Tex-Mex ist ihnen auch nicht fremd und Folk und Country gehören sowieso zu ihrer Standard-Ausrüstung. Was dieses Trio auszeichnet, ist das Selbstverständnis, mit dem ungezwungen die Stilvielfalt beherrscht wird. Außerdem noch die Qualität der Songs und Arrangements. Neben der schlafwandlerisch sicheren Instrumentenbeherrschung kommt noch Feingefühl und kreative Intelligenz hinzu.
Die verwendeten Referenzen sind nie aufdringlich, sondern schmiegen sich als willkommene Bezugspunkte in die lebhaften, agilen Kompositionen ein. Das ist eben mehr als perfektes Handwerk. Einfühlungsvermögen, Erfahrung und Ideenvielfalt führen zusammen zu einer unterhaltsamen, anregenden Mischung und setzen so neue Maßstäbe im Americana-Umfeld. In dieser Verfassung kann diese Musik in ein breiteres Bewusstsein geführt werden, ohne sich anbiedern zu müssen. Es fehlt nur noch der Funke, der den Flächenbrand in Gang setzt.

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