JONATHAN JEREMIAH - GOOD DAY (2018)

Die Musik von JONATHAN JEREMIAH betört und berührt. GOOD DAY macht da keine Ausnahme. 

Deutliche Spuren: Die musikalische Welt von Jonathan Jeremiah ist von Zitaten erfüllt, die große Gefühlswallungen transportieren.

Den Liebhaber von üppig ausgestalteten und in Wohlklang schwelgenden Pop-Songs hat Jonathan Jeremiah schon 2011 mit seinem ersten Werk „A Solitary Man“ im Sturm erobert: Orchester-Arrangements, die an die lässige Eleganz von Burt Bacharach-Arrangements oder die dramatische Präsenz von James Bond-Soundtracks angelehnt sind, bilden bei ihm häufig die Basis für Dramatik und Sinnlichkeit. Zudem sorgen verführerische Melodien, die zum dahin schmelzen schön sind sowie eine durchdringende Bariton-Stimme, die selbstbewusst die Fäden in der Hand behält, für sehnsüchtige, delikate Momente.
Der moderne Crooner konnte sich nach dem Debüt auch noch 2012 mit „Gold Dust“ und 2015 mit „Oh Desire“ in ähnlich guter Form präsentieren und profilieren. Jonathan ist ein Meister im Gebrauch von Referenzen. Seine Songs zapfen auf subtile Art und Weise verschiedene opulente oder nachdenklich gestimmte Muster aus der Musik-Geschichte an, ohne dass diese immer spontan identifiziert werden können. Der Mann aus London ist ein großer Fan von John Barry, dem legendären Filmmusik-Komponisten, der unter anderem für elf James Bond-Soundtracks zuständig war. Jonathans Lieblingsstück von ihm ist das Thema zum Film „Midnight Cowboy“ mit Dustin Hoffmann. Diese Verehrung hat offensichtlich erhebliche Spuren in der Musik von Jonathan Jeremiah hinterlassen, an die er drei wesentliche Qualitätsansprüche knüpft: Er möchte die Bühne so ausfüllen und einnehmen wie es Nina Simone mit ihrer Persönlichkeit tat. Seine Stimme soll so unmittelbar und tiefgreifend wie die von Frank Sinatra wirken und der Gesang soll sich so wohlklingend und warm wie eine Posaune anhören. Beim Komponieren hat er außerdem eine Eigenart entwickelt: Jonathan schreibt kaum Songs, wenn er glücklich ist.
Jonathan Jeremiah: Good Day (1 LP und 1 CD) – jpc
Entsprechend bricht bei „Good Day“ der Optimismus auch nicht massiv durch, sondern das Stück offenbart lediglich eine anzustrebende Möglichkeit, um die kleinen Glücksgefühle im Alltag zu suchen und anzunehmen. Deshalb stellt sich die Frage, ob die latent vorhandene gute Laune nur vorgeschoben und als Zweckoptimismus aufgrund der Schräglage der Weltsituation einzustufen ist. Ungeachtet dessen swingt und groovt das Lied angeregt im Jazz-Rock-, Funk- und Adult-Pop-Taumel.

Immerhin verkörpert „Mountain“ danach nicht weniger als die Hochstimmung, die auftritt, wenn es gelungen ist, über den eigenen Schatten zu springen. Stampfender Rhythm & Blues und fröhlicher Mitsing-Pop begegnen sich parallel in diesem Stück. „The Stars Are Out“ verbindet flirrend-romantische Soundtrack-Motive mit handfesten Soul-Takten. So wird auch bruchstückartig der Flair der Glitzerwelt Hollywoods eingefangen. Der Song lässt sich aber nicht von dieser hohlen Fassade blenden und einnehmen, sondern bestreitet seriös und selbstbewusst seinen individuellen Weg. Country-Folk und der Soul von Bill Withers („Ain`t No Sunshine“) bestimmen das Geschehen bei „Long Night“. Der Track spiegelt sowohl das ausgelassene Vergnügen wie auch die bohrende Einsamkeit wider, die eine lange Nacht mit sich bringen kann. „Deadweight“ taumelt verwirrend zwischen feierlicher Klassik, aufwühlendem Thriller-Jazz und Drama-Pop hin und her. Es dauert eine Weile, bis der komplizierte Takt abgestreift wird. Aber dann erwacht das Stück zu einem berauschenden, polyrhythmischen Leben, um danach eine ruhige, lyrische Phase zu durchlaufen.
Das schwelgende „Hurt No More“ lässt innerhalb von zwei Minuten weiträumige Bilder im Kopf entstehen. Der nebenbei dargestellte Schmerz wird dabei durch den Blues-betonten Gesang in den Vordergrund gerückt. „Foot Track Magic“ nutzt die Inbrunst des Soul, um tiefgreifende Gefühle auszudrücken. Das Stück speist sich zusätzlich aus dunklem Folk sowie flirrenden, kammermusikalischen Zutaten und wird durch einen gedämpften hypnotischen Groove geleitet. Der Track besitzt keine besonders ausgeklügelte Melodie, bleibt aber durch seinen Mantra-artigen Gesang im Gedächtnis. „No-One“ ist eine unspektakuläre Gospel-inspirierte Piano-Ballade geworden, bewährt sich jedoch durch die unverstellt ausgedrückten Emotionen. „Mind Games“ von John Lennon lässt als Anregung grüßen. „U-Bahn (It's Not Too Late For Us)“ macht den Eindruck, als wäre der Song ohne große Vorbereitung spontan im Studio entstanden, wobei die Noten förmlich in milder Motown-Soul-Romantik baden. Grabesstimmung begleitet dann den Beginn von „Shimmerlove“. Das Lied gerät im Verlauf mehr und mehr in einen Wirbel aus beharrlich flehenden Tönen. Der Ablauf wird dabei behutsam gesteigert und mündet in ein furioses Gospel-Noir-Gebilde. Beinahe sakral schwelgend präsentiert sich zum Abschluss „Yes In A Heartbeat“ und verbindet introvertierten Folk mit seufzenden Streicher-Kaskaden.
Jonathan mag die großen Gesten, die glanzvollen, geheimnisvollen Arrangements und die schmachtenden Melodien. In seiner Wahrnehmung schwirren unter anderem Erinnerungsfetzen der Musik von Frank SinatraJohn Martyn und dem jungen Scott Walker umher, die er Stück für Stück zu einem zeitgenössischen Entertainment-Sound zusammen fügt, den er letztlich mit seinen eigenen Vorstellungen anreichert. Das gelingt stets betörend und ist immer dann besonders überzeugend, wenn der Herz-Schmerz im Zaum gehalten und nicht zu zuckrig zubereitet wird. Offenbart Jonathan die dunkle Seite von Liebe und Leidenschaft, dann kann sein Mitgefühl eine starke emotionale Bindung erzeugen. „Good Day“ reiht sich qualitativ in das Niveau der Vorgänger-Alben ein, zeigt zwar keine wesentliche Entwicklung, aber einen souveränen Entertainer von Format, von dem noch weitere großartige Leistungen erwartet werden können.


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