CARSTEN EROBIQUE MEYER - TATORTREINIGER SOUNDTRACKS (2018)

DER TATORTREINIGER ist eine Fernsehserie mit BJARNE MÄDEL in der Hauptrolle. Jetzt wurde eine Auswahl von zwanzig Soundtrack-Beispielen des Komponisten CARSTEN EROBIQUE MEYER veröffentlicht. Was man davon erwarten darf, kann hier erfahren werden:

So unterhaltsam und ausgefallen kann zweckgebundene Unterhaltungsmusik fürs Fernsehen sein.

Carsten Meyer ist ein Tüftler, Querdenker und Spontan-Entertainer. Geboren wurde er 1972 im beschaulichen Münsterland und bereits mit acht Jahren nahm er aus Eigeninitiative Klavierunterricht. Erste Auftritts-Erfahrungen sammelte der vielseitig interessierte Musiker gleich nach dem Abitur in Münster, wo er in verschiedenen Bands spielte. Ab 1997 veranstaltete er unter dem Künstlernamen Erobique unter Hinzunahme von DJ-Pult, Plattenspieler und Keyboards unkonventionelle Tanzveranstaltungen, bei denen 70er Jahre Disco-Songs im Mittelpunkt standen, aber auch genüsslich improvisiert wurde und so im Grunde genommen alles passieren konnte. Durch diese erfolgreichen Events nahm seine Karriere Fahrt auf. Zunächst landete er im Vorprogramm der Rap-Combo Fischmob, dann gründete er zusammen mit DJ Koze und Cosmic DJ das Projekt International Pony. Es folgten unter anderem Arbeiten als Theaterkomponist und das Eintauchen in den Dunstkreis der schrägen Künstler von Studio Braun um Rocko Schamoni, Jaques Palminger und Heinz Strunk. Durch diesen Kontakt bekam Carsten Meyer 2012 den Auftrag, die Musik für deren Film „Fraktus - Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“ zu verfassen. Im gleichen Jahr begann auch die Arbeit am Soundtrack für die Fernsehserie „Der Tatortreiniger“ des Regisseurs Arne Feldhusen, mit Bjarne Mädel als Heiko „Schotty“ Schotte („Meine Arbeit fängt da an, wo sich andere vor Entsetzen übergeben“) in der Hauptrolle.
Jetzt erscheinen mit den „Tatortreiniger Soundtracks“ zwanzig Beispiele der exklusiv verfassten Begleitmusik aus den bisher ausgestrahlten 27 Folgen jener psychologisch intelligent gestalteten Comedy-Serie. Hierbei trifft Exotica auf Easy Listening, 60er Jahre Filmmusik auf Kaffeehaus-Atmosphäre, angestaubter Jazz auf „schäbige“ (Zitat: Erobique) Disco-Sounds und Soft-Porno-Berieselung auf Minimal-Art-Passagen. Die Barock-Pop-Erkennungsmelodie der Serie wird als Eröffnung zunächst nur kurz angespielt. Ohne Bildunterstützung muss dann bei „Im Wald“ nicht unbedingt eine naturnahe Vorstellung entstehen. Die Musik lässt durchaus Spielraum für andere Assoziationen wie z. B. eine sinnliche, knisternde Liebesbeziehung. „Ja, ich will“ transportiert danach sanft wiegende Disco-Soul Elemente, die von Streicher-Einlagen umwölkt werden. Nach einer Minute ist dieses Intermezzo schon wieder vorbei.
„Schottys Traum“ führt musikalisch nach Brasilien und in den Jazz-Keller. „Der Keiler“ wird von Posaunen- und Glockenspiel-Tönen durchflutet und bleibt dabei stets einem gemächlichen Tempo sowie einem gleichförmigen Ablauf ausgesetzt. „Amtsschimmel“ zeigt sich als Schmelztiegel der Kulturen und Stile, wobei rumpliger Rhythm & Blues sowie bayerische und griechische Folklore angedeutet werden. Jazz, Art-Pop und atmosphärische Filmmusik dienen dabei als Bindemittel. Ein Glockenspiel verleiht der Komposition „Der letzte Versuch“ einen besinnlichen Effekt. Munter perlende Synthesizer-Klänge lösen diesen Eindruck zwischendurch nur teilweise auf.
„Emma“ sorgt für traurige, dramatische Momente. Schwerfällige Grooves lassen dann „Clouds Of Ecstasy“ mehr poltern als hüpfen. „Schotty in Manchester“ erinnert ab und zu an den Rave-Sound der 90er Jahre aus dieser Stadt. Für „An und für sich“ werden mysteriöse Töne aneinander gereiht, die sich wie ein dünner Schleier auf die Gehörgänge legen. Bei „Meditation“ ist der Name Programm. Sparsam getupfte Klavier-Akkorde sorgen für innere Einkehr. „Scheibenwischer“ klingt mit seinen käsigen Synthesizer-Tönen wie Musik für Telefon-Warteschleifen. „Rein in die Westernstiefel“ wurde entgegen des Titels nicht von Country & Western beeinflusst. Es handelt sich vielmehr um einen etwas aufgeregt agierenden Track mit New Wave-Wurzeln.
Für „Zappelphilipp“ wird im Grunde nochmal das Thema der Erkennungsmelodie aufgegriffen und variiert. „Fly Heli Fly“ kämpft sich von einer sympathisch chaotischen Lautmalerei zu einem Funk-Soul-Track voran. Elegante Lounge-Music-Töne werden für „Traurige Clownerie“ von einem kräftigen Schlagzeug heimgesucht, was dem Stück einen eigenartigen Kontrast verleiht. „Der Ameisenmarsch“ lässt ulkig-kindlich die Insekten vor dem geistigen Auge vorbei marschieren. Das aber nicht militärisch korrekt in Reihe und Glied, sondern ungezwungen eigensinnig. Das romantische Piano-Stück „Sanfter Stress“ bildet eine kurze Überleitung zu „Der Schamane“, das eine längere, ausgefeilte Form der Erkennungsmelodie ist. Dieser Track vereint auf seltene und seltsame Weise aufmunternde und beschauliche Bestandteile.
Carsten Meyers musikalische Einflüsse sind mannigfaltig, wie z.B. Esquivel und Bert Kaempfert, The Style Council und Curtis Mayfield, Bohannon und Supermax, Caterina Valente und Hildegard Knef. Meyer kennt keine Scheuklappen, aber für den Außenstehenden sind das eher unvereinbare Gegensätze. Erobique bastelt aus seinen Ideen kauzige Unterhaltungsmusik mit schrägen Einfällen. Irgendwie Old-School, aber dennoch erfrischend anders, so dass nie der Verdacht bloßer Berieselung aufkommt.
Bei der Schaffung der Tonfolgen agiert Meyer als Instinkt-Musiker. Kein Einfall wird von vornherein verworfen. Alle in seinem Tonstudio im Hamburger Karolinenviertel entstandenen Klangmuster durchlaufen als Qualitätskontrolle die Entscheidungsfindung, ob sie zu den gespielten Szenen passen. Unabhängig von Stil und aktuellen Trends werden die gefundenen Fragmente verarbeitet. Deshalb verbreitet die Platte den Eindruck eines Musterkoffers. Viele Stimmungen und Wendungen stecken da drin: Dramatik, Melancholie und Demut sowie Lebensfreude, Erotik und Humor können sich abwechseln oder ergänzen. Die Möglichkeiten werden nur vom Einfallsreichtum von Carsten Meyer begrenzt und der scheint noch lange nicht erschöpft zu sein.
Und hier nochmal die Erkennungsmelodie zum Einstieg und zur Erinnerung:



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