Eloise - Somewhere In-Between

Achtung Geheimtipp! Aber vielleicht bald nicht mehr, denn Eloise breitet auf "Somewhere In-Between" ihr ganzes Talent aus - das kann unmöglich unbeachtet bleiben! Dabei ist Eloise erst 21 Jahre alt, hat aber schon einige prägende künstlerische Ereignisse hinter sich. Sie wurde in England geboren, wuchs jedoch in der Normandie zweisprachig auf. Die Eltern sind Schauspieler und so bekam das Mädchen schon mit 12 Jahren eine Hauptrolle in einer britischen Arthouse-Produktion angeboten, bei der sie auch singen durfte. Daraufhin engagierte man sie vom Fleck weg für den Soundtrack, den Damon Albarn (Blur, Gorillaz) betreute. „Als ich dann zusammen mit Damon Musik machte, wurde mir klar, dass ich genau das zum Leben brauchte: Das war der Grund, weshalb ich überhaupt hier auf der Erde bin. Womit ab da für mich klar war: Tja, dann eben keine Schauspielerei, weil ich ja Musikerin werden muss! Das war absolut klar für mich“, sagt Eloise zu diesem wichtigen Meilenstein in ihrer Biografie.
Mit 17 Jahren stellte sie akustische Cover-Versionen bei Instagram ein und erntete dadurch größere Aufmerksamkeit. Der britische Singer-Songwriter und Gitarrist Bruno Majors wurde auf sie aufmerksam, da Eloise sein "Second Time" interpretierte und lud das Talent daraufhin als Duett-Partnerin für ein Konzert in London ein. 
Danach durfte Eloise Bruno Majors bei seiner USA-Tournee im Rahmen des Vorprogramms für Sam Smith als Background-Sängerin und Keyboarderin begleiten. Es ergab sich bei dieser Gelegenheit, dass sie sogar kurze Solo-Auftritte einstreuen konnte. 2019 kam dann mit der EP "This Thing Called Living" die erste eigene Produktion raus.
Zu den Fans dieser Musik gehört auch Billie Eilish, die als Wertschätzung den Eloise-Song "Left Side" auf Instagram coverte.
So ganz hat Eloise noch nicht verarbeiten können, wie schnell sie Anerkennung erhielt und wieviel Glück sie bisher hatte: „Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass mir jetzt erst so richtig klar wird, wie verrückt diese letzten vier Jahre meines Lebens eigentlich waren. Das ist wohl auch der Grund, weshalb die nächste EP etwas von einem Comedown hat: Es ist eine Art Comedown-EP, die davon handelt, was passiert, wenn sich der ganze aufgewirbelte Staub, der ganze Wahnsinn wieder gelegt hat und all diese komplizierten Gefühle zum Vorschein kommen, mit denen du dich vorher einfach nicht befassen konntest, weil dafür schlicht die Zeit gefehlt hat.“ Das Ergebnis liegt nun mit neun neuen Stücken unter dem Namen "Somewhere In-Between" vor und ist digital und als Vinyl erhältlich.
Das eröffnende, 16sekündige "Bienvenue" ist nicht mehr als ein Gimmick, ein Soundschnipsel mit kindlichem Singsang und verstimmter, leiernder Gitarre. Mit "Hungover" geht der Song-Reigen danach erst richtig los. Der Titel schmeichelt sich ein, sucht allerdings auch mal emotionale Distanz, wobei sich Eloise sowohl als anhängliche Schmusekatze wie auch distanziert präsentiert. Diesen Kontrast bewältigt die Sängerin alleine durch die Flexibilität, die ihre Stimme bietet. Sie lässt keine Übergänge erkennen, sondern formuliert und intoniert gewandt und souverän. Ungelenke Break-Beats und zittrige, flirrende Minimal-Art-Background-Gesänge können die Musikerin nicht aus dem Konzept bringen, weil sie fokussiert agiert, um ihren prickelnden Soul-Jazz punktgenau und genießerisch zu platzieren. Als unnahbare Jazz-Diva und laszive Soul-Queen kokettiert die ausdrucksstarke Chanson-Sängerin hier mit einem beinahe abgehoben-intellektuellen Image, welches sie älter erscheinen lässt, als sie wirklich ist. "Und ich bin verkatert, weil ich jeden Gedanken an dich mit einem Glas Bedauern ertränkt habe", heißt es philosophisch im Refrain. Die Protagonistin ist in diesem Lied die Betrogene, die emotional zwischen Wut und Trauer zerrissen wird. Ein Wechselbad der Gefühle, das gesanglich aufgegriffen und glaubwürdig nahe gebracht wird.
Der filigran-entspannte Folk-Tronic-Sound von "Enough" reflektiert Enttäuschung und Traurigkeit, wobei der zarte Schmelz in der Stimme die Situation ausgleichen möchte. Eloise braucht weder laut noch radikal oder fordernd zu sein, um aufzufallen. Die einnehmende Persönlichkeit der jungen Frau sowie ihr makelloses und dabei verführerisches Timbre kann Steine zum Weinen bringen.
"Trick Of The Moon" wird in ein Korsett eingebettet, das eine Live-Situation simuliert. So wird ein romantischer Jazz-Pop konstruiert, das einen schleppenden Break-Beat-Rhythmus verpasst bekommt, wodurch der Track Tradition und Moderne vereint.
"Intertwined" klingt zunächst wie eine Hommage an Melody Gardot, denn der Gesang wurde genauso leise und akzentuiert in den Vordergrund gemischt, wie es auch auf der letzten Produktion der sensiblen US-amerikanischen Künstlerin ("Sunset In The Blue", 2020) geschehen ist. Auf diese Weise konnten feinste Gefühls-Nuancen hörbar gemacht werden. Die Begleitung sorgt für eine fantasievoll-friedvolle Psychedelic-Folk Untermalung, die Eloise als geistreiche Art-Folk-Frau präsentiert.
Die Durchtränkung der Noten mit Sinnlichkeit findet bei "Who`s She" ihren Höhepunkt. Der Track pendelt sich dazu überwiegend ruhig und zurückhaltend ein. Es gibt Momente, die so filigran sind, dass man als Zuhörer kaum atmen mag, um das grazile Gebilde nicht zu stören. Der Song entzieht sich einer eindeutigen Zuordnung. Es sind vielmehr die Eingängigkeit des Pop, die Wärme des Soul und die Kunstfertigkeit des Jazz, die dem Stück einen einzigartig charmant-süßen Anstrich verleihen.  
Für "BAMO" wird traditioneller und moderner Rhythm & Blues miteinander versöhnt. Und da treffen wir auch die torkelnde Gitarre aus dem Prolog "Bienvenue" wieder. Die intime Folk-Ballade "Wanderlust" kitzelt nochmal die herausragenden, sinnlich-lieblichen Gesangs-Qualitäten der Musikerin hervor, so dass der Song als besonders eindringlich-harmonisch hängen bleibt. Auch "Lines" beginnt gefühlvoll-folkloristisch, bekommt aber später durch mechanisch-monotone Rhythmus-Beigaben eine disziplinierte Ausrichtung.

Die Nachlassverwaltung von Amy Winehouse hält an. In diesem Jahr fiel zum Beispiel Celeste als fähige Soul-, Pop- und Jazz-Sängerin auf, die die lasziv-lässige Ausstrahlung der viel zu früh gestorbenen Winehouse kompetent auf ihrem Debüt-Album "Not Your Muse" aufleben ließ. Was Talent, Ausdruckskraft und Ausstrahlung angeht, steht auch Eloise Amy Winehouse in nichts nach. Die fehlenden anrüchigen Umgangsformen überkompensiert sie locker mit Leichtigkeit und Elastizität. Es braucht nicht viel Vorstellungskraft um zu prophezeien, dass Eloise demnächst ein Weltstar sein kann. 

Wenn das eintritt, dann bleibt sehr zu hoffen, dass sie sich auf ihrem Karriere-Weg nicht verliert und nicht verbiegen lässt. Stattdessen sollte sie ihre individuelle Klasse weiter ausbauen und schärfen. Eigentlich ist die Künstlerin ja schon fertig ausgebildet und überzeugt mit "Somewhere In-Between" komplett. Sie hinterlässt allerdings den Eindruck, dass sie noch viel mehr erreichen kann. Die Schallplatte ist eine Sammlung von problematischen Beziehungs-Songs, die Leid, Begehren, unerfüllte Erwartungen und bedingungslose Hingabe beschreibt und überzeugend in glanzvolle Noten kleidet. 

Thematisch setzt sich die gefühlsbetonte Poetin mit der Wechselwirkung zwischen der Suche nach beständiger Liebe, der Verarbeitung von Enttäuschungen und dem Glauben an eine erfüllte, glückliche Zweisamkeit auseinander. Eloise betätigt sich sozusagen als leidenschaftliche Beziehungs-Klärungs-Botschafterin, die alle emotionalen Zustände annimmt, durchlebt und (hoffentlich) gestärkt übersteht. Mühelos erzeugt die junge Musikerin eine Gänsehautstimmung, wobei ihr Gesang nie an Grenzen zu stoßen scheint. Stilistisch bedient sie sich bei Jazz, Folk, Soul, HipHop, Rhythm & Blues und Pop. Ihre Zitate fügt sie unverkrampft und kultiviert zusammen, so dass Text, Gesang und Instrumentierung eine logische, in sich geschlossene Einheit ergeben. Das ist eine reife Leistung!

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