Vilnes - Back To The Start

Wie schon oft festgestellt: Melancholie liegt den Skandinaviern im Blut - so scheint es jedenfalls zu sein. Zumindest verkörpert auch Eivind Vilnes grundsätzlich diese Stimmungslage, wenn auch mit entscheidenden Abstufungen und Ausblicken. Der norwegische Musiker hat das kurze, 24minütige Album "Back To The Start" bereits 2019 aufgenommen und wurde danach durch einen blöden, weltweit verbreiteten Virus hinsichtlich seiner weiteren geplanten Aufnahme-Aktivitäten ausgebremst.

Seine musikalische Visitenkarte beginnt untypisch mit einer energischen Piano-Ballade (das ist kein Widerspruch!), für die einige Künstler ihren rechten Arm hergeben würden. Denn "Desire" holt den Hörer/die Hörerin genau da ab, wo sie am empfindsamsten sind: Bei der Schnittstelle zwischen Verletzlichkeit und Wut.
"A Million Smiles" erstaunt dann die Menschen, die mit einer weiteren intimen Vorstellung gerechnet haben. Der Song ist jedoch ein beschwingter Pop-Jazz, wie er in ähnlicher Form von Jamie Cullum kultiviert wurde und wie er in dieser lockeren, aber gebildet klingenden, konsequenten Umsetzung nicht jeder Musiker hin bekommt.
Für "Gabriella" verwandelt sich Vilnes in einen Blue-Eyed-Soul-Sänger und bringt einen groovenden Folk-Rock zu Gehör, der sich nicht am Mainstream orientiert, sondern seine eigenen Wege geht. Blues-Rock bildet die Grundlage für das eindringliche "Hey There", das die natürliche Aggression von Vilnes zu Tage fördert und musikalisch Zugriff auf die 1970er Jahre nimmt. Led Zeppelin, Free und Humble Pie lassen grüßen.  

"Show Me The Love" bewegt sich in ähnlich exzentrischen Folk-Jazz-Kreisen, wie sie auch von Ben Howard erforscht werden. Auch wenn dieser erneute Schlenker von Vilnes eine weitere Facette seiner Möglichkeiten offenbart, so ist er doch zu 100% ein Abbild seiner Soundvorstellungen zwischen verletzlicher Innenansicht und extrovertierter Befreiung.
„Es war eine große Herausforderung, dieses große Arrangement zu schaffen und gleichzeitig das einfache Grundgefühl beizubehalten. Ich habe mir bei diesem Stück das Herz herausgesungen und jeder Take hat seine eigenen Vorzüge. Diese Version ist ein bisschen größer als das Leben, und sie schließt das Album ab. Es gibt nichts mehr zu sagen, wenn dieses Lied ausklingt.“, sagt Vilnes über "Back To The Start". Dem ist kaum etwas hinzu zu fügen, nur: Warum ist das Lied nicht der Titel-Song des neuen James Bond-Films?

Vilnes geht mit "Back To The Start" nicht zurück zum Anfang einer langen musikalischen Karriere, sondern der Norweger fühlt sich nur so, als sei er schon lange dabei. Dabei ist er ein Neuling, der seine Vorstellungen voll auslebt und zeigt, was alles in ihm steckt. Etwas stilistisch verdreht vielleicht, aber voller Empathie und Leidenschaft. "Back To The Start" präsentiert ein attraktives Repertoire, das andeutet, was in Zukunft noch alles erwartet werden kann. Man darf gespannt sein, welche Entwicklung der begabte Musiker noch zulassen wird.

Als Ergänzung gibt es hier die

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