Musik-Rezensionen und Musiker-Portraits aus den Gebieten: Individuelle Singer-Songwriter, Soul, Jazz, Blues, Folk, Rock, Country, Art-Rock und Pop.
Kristoffer Bolander - 3 (2021)
Link abrufen
Facebook
X
Pinterest
E-Mail
Andere Apps
Der Schwede Kristoffer Bolander ist der Chef der Alternative-Folk-Band Holmes und gehört zu den Singer-Songwritern, die durch ihre Verletzlichkeit, Intimität und Fragilität an Leonard Cohen oder an den akustischen, sensiblen Neil Young oder an die schmerzvollen Lieder von Elliott Smith erinnern. Der Multiinstrumentalist präsentiert seine Kompositionen jedoch aktuell nicht als purer Folk-Sänger, sondern stattet sie gerne mit einem verheißungsvoll-mystischen Grundrauschen, einem energischen Rhythmus sowie elektrischen, melodischen Gitarren-Soli aus. Das verleiht ihnen neben Farbe auch Kontrast und verschafft abwechslungsreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Dies belegte der introvertierte Künstler erstmalig 2015 auf dem von Samuel Beckett inspirierten Solo-Debüt "I Forgive Nothing". 2018 folgte dann "What Never Was Will Always Be" und nun gibt es mit "3" acht neue Songs zu hören.
Für "The Child" projiziert Kristoffer eine verträumte Landschaft in die Hirnwindungen. Die Rhythmus-Abteilung demonstriert parallel auch Kraft und Tatendrang. Bolander windet seine leidvoll-schwerelose Stimme - die Betroffenheit und Mitgefühl ausdrückt - um die elegischen Gitarrentöne, was dem Stück zusätzliche Inbrunst verleiht. Eine sakrale Demut paart sich wie selbstverständlich mit einem lebensbejahenden Puls, der von dem Herzschlag-Takt des Schlagzeugs ausgeht. Die E-Gitarre sendet gleichzeitig ein souveränes und starkes Durchhaltesignal aus. Gemischte Gefühle bestimmen ständig unser Dasein und beeinflussen das Denken und Handeln so lange, bis sich eine Entscheidung eingependelt hat. Kristoffer Bolander bereitet genau diesen Entscheidungsprozess mit seiner Musik sorgfältig und nachvollziehbar auf.
Auch bei "Am I Wrong?" arbeitet ein treibender Rhythmus gegen einen nüchternen, vorsichtigen Erzählstil an, der den Musiker geläutert erscheinen lässt. Die Musik erinnert spontan an The Cure in einer Light-Version. Diese Illusion bezieht sich allerdings nur auf wenige prägende Bestandteile, wobei die besonderen Eigenarten im Sound der Düstermänner nicht ungefiltert nachgeahmt werden, sondern wie eine flüchtige Erinnerung erscheinen.
Bei "Evelyn" konkurriert die Klarheit des Folk mit einem dumpf grollenden Bass, der wie ein Donnergrollen eine erhöhte Wachsamkeit aktiviert, weil sich Gefahr ankündigt. Deshalb gerät das Stück zwischen die Gegensätze Frohsinn und Bedrohung und wird von ihnen erbarmungslos eingeklemmt.
Die erschütternde Traurigkeit in der Stimme des Schweden wird bei "Replace Me" durch eine feinsinnige, aber raumgreifende Begleitung aufgefangen und zu Gunsten einer cremigen und leicht prickelnden Stimmung abgeschwächt. Es ist sehr plastisch nachzuempfinden, wie die Reinheit der Gitarren den Nebel der Keyboards verdrängt.
Der Gesang schwelgt in Wehmut und das Harmonium verbreitet Behaglichkeit, bevor eine gradlinige Orgel, eine singende Pedal-Steel-Gitarre und eine melodische E-Gitarre dafür sorgen, dass "The Rogue" vollends in einen von wohliger Sentimentalität geprägten Klang-Rausch versetzt wird.
Bei "Attaboy" klingt sowohl der getriebene Dark-Wave solcher Bands wie Echo & The Bunnymen, wie auch der weitläufige, silbrig schimmernde Country-Rock der Byrds von ihrem "Notorious Byrd Brothers"-Album aus 1968 an. Wohlgemerkt als Referenz und Inspiration aus der Ferne, nicht als Kopie.
Der Country-Folk von "Her World" trägt eine Heiterkeit in sich, die deutlich zum Tragen kommt, aber nicht überschwänglich, sondern gezähmt übermittelt wird und von freundlicher Distanz geprägt ist. Dadurch erhält der Titel eine innere Spannung, die sich aus rhythmischer Eleganz und melancholischer Feinsinnigkeit ergibt.
Ein monotones, akustisches Leonard-Cohen-Gedächtnis-Gitarren-Picking bestimmt die sorgsam und exakt gestaltete Erzähl-Geschwindigkeit und die erwartungsvolle Grundstimmung von "The Animal". Das ist ein Song, der sich aus eigener Kraft aus dem traditionellen Folk-Gerüst heraus schält und zu einem symphonischen, opulenten Pop heran wächst.
Kristoffer Bolander bekommt bei der Formung seiner wohltuenden Tristesse bei seinem dritten Werk Hilfestellung von Joakim Olsson am Schlagzeug und Theo Stocks an der Pedal Steel Gitarre. Die schwedische Electro-Ambient-Künstlerin ANNELIE (Johansson) soll außerdem mit ihrer Stimme bei zwei Stücken für eine sehr diskrete, einfühlsame Begleitung sorgen.
Skandinavische Kunst wird häufig von Schwermut und von der Vorstellung von einer weiten, leeren Landschaft geprägt. Introvertierte Sänger sind typisch für diese Region, aber auf beinahe wundersame Weise wirken sie oft trotz ähnlicher Herangehensweise interessant, glaubwürdig und originell, ohne dass es einen Abnutzungseffekt bei der Darstellung ihrer Traurigkeit gibt.
Da macht auch "3" keine Ausnahme. Die halbe Stunde geht ans Herz, wirkt sowohl vertraut, wie auch neu erfunden und bildet instrumentell und gesanglich eine Symbiose. Wobei gegenläufige Stimmungen, wie aktiver Rhythmus und ruhiger Gesang, keine offensichtlichen Gegner sind, sondern sich ergänzen und harmonische Reibungen hervorrufen. Mit anderen Worten: Die Musik von Kristoffer Bolander ist wie alter Wein in neuen Schläuchen und so angenehm wie ein guter Freund, der jederzeit willkommen ist.
Waiting For Louise sind immer für eine Überraschung gut! Längst haben sich Waiting For Louise von einer reinen, eigenständig-kreativen Cover-Versionen-Band zu einer beeindruckend ideenreichen Formation mit Genre sprengenden, eigenen Kompositionen entwickelt. Mit "Rain Meditation" emanzipieren sie sich jetzt auch noch von der Notwendigkeit, dass Country-Folk oder psychedelischer Rock unbedingt englische Texte enthalten muss. Vier der acht neuen Tracks wurden nämlich mit deutscher Sprache ausgestattet. Ideengeber und Lenker hinter der Gruppe Waiting For Louise , deren Grundstock bereits 1992 gelegt wurde, ist der Multiinstrumentalist, Sänger und Komponist Michael Mann. Der aus Voerde am Niederrhein stammende Musiker ist außerdem noch für die Blues-Combo Rusty Nails und das Projekt Songs To The Siren verantwortlich, welches sich unter anderem mit den Kompositionen von Tim Buckley , The Velvet Underground und Nick Drake auseinandersetzt. "Rain Meditation" enthält au...
Fünf Autoren, fünf Sichtweisen, eine Zielrichtung: Der Pop soll Kopf stehen. Die Bugwellen des Lebens prägen die Wahrnehmung und damit auch die Beziehung zur Musik, die für alle Autoren von "Pop steht Kopf" viel mehr als nur billige Hintergrund-Berieselung ist. Damit geben sie sich nicht ab. Musik ist ein wichtiger Bestandteil des Daseins, ist beglückend, bildend und kraftspendend. Davon handelt "Pop steht Kopf" unter anderem. Unerschrocken vorgetragene Erfahrungsberichte zeichnen ein schillerndes, abwechslungsreiches Bild der Pop-Kultur, das es in dieser Konstellation wohl bislang nicht gegeben hat. Kompetenz trifft hier vortrefflich auf Leidenschaft, Feinsinnigkeit, Aufrichtigkeit und Originalität. Der Klappentext: Musik in einen kulturellen und/oder persönlichen Kontext zu stellen, war die einzige Vorgabe an die Autoren dieser Anthologie. Ihr Titel Pop steht Kopf ist lediglich eine Andeutung, wie unterschiedlich die Autoren mit ihren eigenwilligen Perspektiven an...
Turbulenzen, Krisen und Katastrophen haben das Weltgeschehen im Jahr 2023 geprägt. Die Qualität der Popmusik hielt stabil dagegen und so gab es auch in diesem Jahr wieder etliche Höhepunkte zu bestaunen. Als Erstes ist aus Sicht von Lost & Found: Musik ohne Grenzen natürlich die Veröffentlichung von POP STEHT KOPF zu nennen, einem Buch, auf das alle Autoren mächtig stolz sein können, wie auch die ersten Rezensionen zeigen. Kritikerstimmen: Thomas Waldherr von " I`m in a cowboy band " : Pop steht Kopf | "I'm in a cowboy band" Frank Ipach von " hooked on music " : https://www.hooked-on-music.de/review/various-artists-pop-steht-kopf/15682 Abgesehen davon meldeten sich 2023 ein paar Legenden zurück, die auch im Buch eine Rolle spielen und mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte: Von den Beatles gab es dank Künstlicher Intelligenz mit " Now And Then " noch einen letzten, netten, harmlosen Song in der klassischen Besetzung mit John Len...
Kommentare
Kommentar veröffentlichen