Ouzo Bazooka - Dalya

East Meets West: Ouzo Bazooka interpretieren den experimentellen Rock-Sound der 1960er und 1970er Jahre als psychedelische Weltmusik-Erfahrung.  

Israel ist nicht unbedingt als das Mutterland der Rock- und Pop-Musik bekannt. Aus dieser Gegend hat bei mir bisher nur der Singer-Songwriter Oren Lavie nachhaltige Spuren hinterlassen und als Kind habe ich natürlich von Esther und Abi Ofarim gehört. Und nun überrascht die Band Ouzo Bazooka, die 2013 in Tel Aviv gegründet wurde, ausgerechnet mit Psychedelic-, Progressive- und Kraut-Rock. Drei Genres, die heutzutage nur noch ein Nischendasein fristen, welche aber in den 1960er und 1970er Jahren ikonische Vorbilder hervorgebracht haben, an denen sich alle Epigonen messen lassen müssen. Wie schlägt sich aber nun konkret das nachgeborene Quartett aus Vorderasien in diesem Vergleich mit ihrem fünften Album "Dalya"?

Das Eröffnungs-Stück "Monsters" ist ein flirrender, sich spiralförmig drehender, kraftvoller, rauschender Space-Rocker, der selbst im Repertoire von Hawkwind ("Silver Machine") ein Highlight gewesen wäre und dessen rhythmische Minimal-Art-Auswüchse an die deutschen Avantgarde-Rocker Can erinnern. Der energische Blues-Rock-Druck lässt außerdem an "Archangel Thunderbird" der Krautrock-Veteranen Amon Düül II denken. "Monsters" macht diesen Vorbildern jedenfalls alle Ehre!
"Million Years Of Light" wartet mit einem deftigen, Bass-betonten, elektronisch verziertem Reggae-Rhythmus auf, der sich um ein melodisches, verspieltes Progressive-Rock-Konstrukt rangt, welches sowohl von Vangelis wie auch von den frühen Yes beeinflusst sein könnte, aber auch einen gewissen orientalischen Touch aufweist. Diese Fusionen zünden, weil sie sich nicht in intellektuellen, kopflastigen Jams verlieren. Genau so sollte sich ein innovativer Retro-Sound anhören!
Der orientalische Einfluss setzt sich beim instrumentalen Track "Alhagamal" fort, so dass dieser Titel wie eine Rock-Adaption eines Märchens aus Tausend und einer Nacht klingt. Ich vermisse hier jedoch den Gesang. Ohne diesen hört sich die Komposition zu sehr nach einer "Weltmusik-Feuilleton-Mainstream-Untermalung" fürs Bildungsbürgertum an. Etwas mehr Risiko bitte!
"Kruv" ist da mutiger, weil der Groove von Saiteninstrumenten-Klängen begleitet wird, die sowohl nach Rock-Gitarren wie auch nach Surf-Musik oder originell verfremdeten Harem-Sound-Klischees klingen. Die Orgel mischt ordentlich auf, schäumt und zischt, so dass alle eindeutigen stilistischen Spuren verwischt werden. Liegt Tel Aviv etwa doch an der amerikanischen Westküste?
Auch "It's A Menace" versucht, traditionelle Klänge in ein flippiges Rock-Konzept zu zwängen, was kurios klingen soll, aber gezwungen erscheint und deshalb verkrampft rüber kommt. Leider falsch abgebogen!
Bei "Nine" gelingt die Fusion psychedelischer Töne mit nahöstlichen Tradition, wie sie zum Beispiel auch von der kalifornischen Hippie-Band Kaleidoscope unter Mitwirkung von David Lindley (später der Gitarrist von Jackson Browne) und Chris Darrow (Mandoline, Bass) Ende der 1960er Jahre angestrebt wurde. Ein würdiges, ausdrucksvolles Erbe!

Ouzo Bazooka besteht aktuell aus dem Gründer, Sänger und Gitarristen Uri Brauner Kinrot, der Sängerin und Keyboarderin Dani Ever-Hadani, dem Bassisten Uei Kutner und dem Schlagzeuger Yuval Garin. Das Album "Dalya" lebt von seinem Exotik-Bonus und enthält viel Licht und etwas Schatten: Vier Tracks wurden trotz des Retro-Ansatzes fortschrittlich gestaltet, weil sie Wege gehen, die nicht ausgetreten sind, zwei Stücke ("Al Hagamal", "It's A Menace") fallen dagegen ab, weil sie sich eher wie eine Parodie und nicht wie eine kunstvolle Verschmelzung der Kulturen anhören.

Ouzo Bazooka zeichnet aber besonders aus, dass sie straff bleiben und sich nicht auf endlose Soli einlassen. Sie lassen ihre Musik grooven und swingen. Dadurch bleibt ihr verschachtelter Progressive-Rock nachvollziehbar, ihre psychedelischen Spielereien wurden als schmückendes Beiwerk interessant angeordnet und die Krautrock-Experimente geraten flüssig und anschaulich. Deshalb ist ihr Retro- oder Vintage-Sound auch heute noch willkommen, denn Musikstile bleiben nur lebendig, wenn sie frisch und neu interpretiert werden!

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