Robert Finley - Black Bayou

Der Blues von alten Männern muss nicht unbedingt altmodisch klingen!

Auch wenn der Name Robert Finley bisher nicht jedem geläufig sein wird, so ist der aus Louisiana stammende Musiker alles andere als ein Newcomer. Der inzwischen blinde Sänger veröffentlichte sein erstes Album "Age Don`t Mean A Thing" bereits 2016. Da wurde er allerdings schon 63 Jahre alt.
Credit: Jim Herrington

Es folgten die mit den helfenden Händen von Dan Auerbach von The Black Keys verwirklichten Werke "Goin` Platinum" (2017) und "Sharecropper Son" (2021). Auerbach ist auch bei "Black Bayou" (erschienen am 27. Oktober 2023) wieder als Produzent und Helfer an Bord. Außerdem begleiten den altersweisen Soul- und Blues-Mann noch die Schlagzeuger Patrick Carney (The Black Keys) und Jeffrey Clemens (G. Love & Special Sauce), Eric Deaton am Bass, sowie der Country-Blues-Gitarrist Kenny Brown und die Sängerinnen Christy Johnson und LaQuindrelyn McMahon, also die Tochter und Enkelin von Robert Finley. 

Mit "Black Bayou" spiegelt Finley das einerseits entbehrungsreiche, andererseits aber erfüllende Leben in den Sümpfen von Louisiana wider. Die Aufnahmen entstanden jedoch nicht in der Heimat von Robert, sondern in Auerbachs Studio in Nashville, wo sehr viel Wert auf Spontanität hinsichtlich der Song-Gestaltung gelegt wurde. Die Tracks entwickelten sich teilweise erst vollständig bei den Einspielungen. Robert agierte dynamisch, kraftvoll und sinnlich, während die Begleiter ihm den Weg aufzeigten, auf dem er seine Geschichten lebendig erzählen und darstellen konnte.

"Livin' Out A Suitcase" ist ein sumpfiger, schwergängiger Funk-Blues, der Leid, Schmerz und Entbehrung hörbar macht. Finley lässt seine Stimmbänder wütend und verletzt vibrieren, was im Wechsel mit der scharf angespielten E-Gitarre und dem mächtigen Bass für aufwühlende Momente sorgt. Das Stück erzählt von den sündhaften Verlockungen, die die Einladungen hübscher Frauen mit sich bringen, aber vor allem von der erfüllenden Freude, die er mit der Musik in die Welt sendet.
Das sich elegant und schlüpfrig wiegende "Sneakin' Around" erinnert in seiner konsequent herausfordernden Soul-Dynamik an die treibend-schmachtenden Songs von Wilson Pickett, wie "Funky Broadway".
Als ob Chris Isaac und Creedence Clearwater Revival ihre Sounds vereinen würden, so klingt in etwa "Miss Kitty". Cooler Surf-Rock trifft dabei also auf nachtblauen, erregten, erotisch aufgeladenen Slow-Blues-Rock. Offensichtlich hat "Miss Kitty" Robert mit ihren Reizen umgehauen. Er ist ihr verfallen, obwohl er nicht weiß, ob es sich bei ihr um ein gutes oder böses Mädchen handelt. Wenn die Verführungskunst raffiniert genug ist, bleibt der Verstand eben oft auf der Strecke.
"Waste Of Time" beschreibt, wie frustrierend es sein kann, sein Geld als Straßenmusiker zu verdienen. Ein stabiler, machtvoller Funk-Rock im Stil von Rare Earth ("I Just Want To Celebrate") wird als Soundtrack für diese Sozialstudie hingebungsvoll ausgelebt und bildet den Ausdruck für das stoische Durchhaltevermögen, welches für diesen Job nötig ist.
Für den am Psychedelic-Rock schnuppernden, zähflüssigen Blues "Can't Blame Me For Trying" legt sich Robert ordentlich ins Zeug, um dem Song stimmlich ein temperamentvolles Gegengewicht zu verschaffen.
Der "Gospel Blues" stützt sich auf traditionelle Blues-Schemata und lässt es gemächlich angehen. Ein flammendes Slide-Gitarren-Solo holt den Track aus seiner schleppenden Behaglichkeit heraus und lässt das Lied lodernd aufflaçkern. Finley denkt über sein Ableben nach und ob er es schaffen wird, in den Himmel zu kommen. Er hat keine Angst vor dem Tod, weil er davon ausgeht, dass er dann zumindest seine Sorgen los ist.
"Nobody Wants To Be Lonely" ist eine mit peinigend intensivem, eindringlichem Gesang versehene Gospel-Soul-Ballade, bei der der unter die Haut gehende Background-Gesang genauso wichtig ist wie der brennende Lead-Gesang.
"What Goes Around (Comes Around)" bringt den gleichen, schwül-stechenden Groove zustande wie "Suzie Q" in der Version von Creedence Clearwater Revival. Bei Mr. Finley kommt allerdings noch ein brachialer, vor Kraft strotzender Rock-Rhythmus dazu.
Für "Lucky Day" singt Robert Finley so ergreifend, als sei der Geist von Otis Redding in ihn gefahren. Der Song hat einen eleganten, dabei angerauten Sound, wie die Blues-Nummern auf dem Derek & The Dominos-Meisterwerk "Layla And Other Assorted Love Songs" aus 1970, die mit den genialen Gitarristen Eric Clapton und Duane Allman veredelt wurden.
Dunklen, warmen Southern-Soul mit gelegentlicher Falsett-Gesangseinlage hat "You Got It (And I Need It)" zu bieten. Dabei kommt auch eine schneidend-intensive Gitarrenarbeit nicht zu kurz.
"Alligator Bait" beruht auf dem irrwitzigen, aber wahren Erlebnis, dass Roberts Großvater ihn als Köder für den Fang eines Krokodils eingesetzt hat. Schwüler, langsamer Folk-Blues mit Spoken-Word-Beiträgen dient als Untermalung für diese Anekdote.

"Black Bayou" ist erdig, waschecht und rau. Die Lieder werden mit viel Herzblut interpretiert und mit Inbrunst vorgetragen. Robert Finley ist ein ausdrucksstarker Sänger, bei dem die rauchigen, leidenschaftlichen Songs so wirken, als wären sie ihm auf den Leib zugeschnitten worden. Die erzeugte Atmosphäre ist zeitlos bodenständig und Finley reiht sich gesanglich sauber in die Garde großer Blues- und Soul-Sänger ein. Er überzeugt durch seine Darstellung gefühlsechter Stimmungen und geht eine markige Symbiose mit den sensibel agierenden Instrumentalisten ein. 

Kurzum: "Black Bayou" erfreut sowohl die Liebhaber von Blues-getränktem Liedgut als auch Menschen, die alle Spielarten des Americana-Sounds inklusive Soul und Funk mögen. Hoffentlich müssen wir auf das nächste Robert Finley-Album nicht wieder zwei Jahre warten!

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