Kurz und bündig: Heinz Rudolf Kunze - Eine Form von Gewalt (1982)

Das Brot der frühen Jahre.


"Romanze" von Kunzes erstem Longplayer "Reine Nervensache" (1981) ist die wohl ausdrucksstärkste Beschreibung innerlicher Vereinsamung, die ein deutschsprachiger Musiker je zu Papier gebracht hat. Neben Persönlichkeitsproblemen verarbeitet Heinz Rudolf Kunze auf seinem zweiten Album "Eine Form von Gewalt" auch Themen voller politischer Brisanz. 

Drei solche Titel seien besonders hervorgehoben: "Die kommen immer wieder" ist eine gelungene Entmystifizierung von Beherrschern, wie sie schon von DAF (= Deutsch Amerikanische Freundschaft) mit ihrem "Der Mussolini" erreicht wurde.

Die Obrigkeiten des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten bekommen in "Der Präsident" ihr Fett bei einer sarkastischen Betrachtung über die Folgen der Atombombenabwürfe über Japan im 2. Weltkrieg weg: "Ich bin der Präsident/vom freiesten Land der Welt/zum Geburtstag lad ich/alle ein/der erste Tanz gehört/der Japanerin/die sich vor Knochenkrebs/nicht mehr bewegen kann." 

Ergreifend-schockierend, mit Sinn fürs Detail, wird in "Lamm Gottes" ein Foto aus Holger Strohms Buch "Friedlich in die Katastrophe" beschrieben, welches ein durch Strahlen- und damit Genschäden missgebildetes Lamm zeigt. 

 
Leider ist es Kunze mit seinem zweiten Werk noch nicht gelungen, seine natürliche Aggressivität, die sich in seinen zumeist hochkarätigen Texten zeigt, musikalisch kongenial umzusetzen. Von seinen eigenen Wert- und Qualitätsvorstellungen (Zitat: "Ich glaub`, ich hab`den Punk in mir.") ist der Musiker zu diesem Zeitpunkt mit den künstlich wirkenden Elektro-Pop- und biederen Deutsch-Rock-Produktionen noch weit entfernt. HRK beschrieb die Einordnung seines frühen Sounds so: "Wir hatten damals das Gefühl, für Norddeutschland das zu sein, was BAP für Köln war."

Den Anspruch, Punk-Rebellion musikalisch ausdrücken zu können, hat Heinz Rudolf später mehrfach eingelöst und gerechtfertigt. Besonders überzeugend ist ihm das 2009 auf "Protest" mit "Astronaut in Bagdad" 

und "Selbst ist die Zerstörung" gelungen.

Am 2. Juli 2024 wird Heinz Rudolf Kunze am Strand von Sankt Peter-Ording (Schleswig-Holstein) ein Konzert gemeinsam mit der BigBand der Bundeswehr (!?) geben, das gratis sein wird. Die Frage ist: Handelt es sich dabei um schnöde Touristen-Belustigung mit einem "Best of"-Programm oder um das Ausprobieren von alternativen Klang-Vorstellungen?

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