Color Green - Fool`s Parade (2024)

Wenn die Narren die Welt beherrschen, dann müssen die Künstler das Ruder in die Hand nehmen: Color Green erschaffen mit "Fool`s Parade" herausragende Qualität unter dem Gütesiegel "Americana".

Das Quartett Color Green aus Los Angeles in Kalifornien hat ein Luxusproblem: Die Band verfügt über vier gleichwertige Stimmen, die sich den Lead- und Background-Gesang hinsichtlich der gewünschten emotionalen Ausrichtung bestmöglich aufteilen. Für Abwechslung ist also schon alleine deshalb gesorgt. 

Für "Fool`s Parade", dem zweiten Album nach "Color Green" aus 2022, haben sich Corey Madden (Gitarre, Gesang), Noah Kohll (Gitarre, Gesang), Kyla Perlmutter (Bass, Gesang) und Corey Rose (Schlagzeug, Gesang) zur Verfeinerung ihres Sounds folgende Gäste eingeladen: Jonny Kosmo (Klavier), Jon „Catfish“ Delorme (von The Nude Party) (Pedal Steel), Sarah Safaie (Saxofon), Tomas Dolas (von Osees) (Keyboards) und Bill Evans (Banjo), weshalb ihnen bei der Verwirklichung der Einfälle zusätzlich eine große Bandbreite an akustischen Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung stand. Auch dieser Tatbestand verspricht (und hält) eine breite Klangvielfalt.

Color Green, v.l.: Corey Madden (Git. & Voc), Corey Rose, genannt Rose (Drums & Voc),
Noah Kohll (Git. & Voc), Kyla Perlmutter (Bass & Voc)

Credit: Nate Kahn

Konsequent, druckvoll und kompakt preschen Color Green mit dem Eröffnungs-Stück "Coronado" vor und ziehen sofort alle Register, die für eine überzeugende Wahrnehmung nötig sind. Die sich energisch kreuzenden und ergänzenden Doppel-Gitarren-Akkorde deuten auf Kenntnisse im Garagen- und Southern-Rock hin. Television und The Allman Brothers Band geben Hinweise hinsichtlich der Inspiration. "Coronado" ist ein Song wie ein Befreiungsschlag. Energetisch aufgeladen und inhaltlich verschlungen hat er sogar noch ein gelungenes Wortspiel parat, dass die Erleichterung über das Wegfallen jeglicher Einschränkungen einschließt: "Jetzt verlasse ich Coronado. Ja, ich verlasse Coronado." Die Melodie besitzt die beseelte Freundlichkeit des Country-Rocks und durch gezielte Dynamik- und Tempowechsel verbreitet der Track einen lässig-intelligenten Charme. Eine perfekte Einstimmung!

"Four Leaf Clover" greift den Schwung von "Coronado" auf und präsentiert sich überschwänglich-selbstbewusst, mit einem unbefangenem, flüssigem, umtriebigem Instrumenteneinsatz als psychedelisierter Folk-Rock. Die Musiker beschwören als biblisches Gleichnis den Garten Eden, der für das gelobte Land im Sinne eines Zufluchtsorts steht: "Im Zentrum von Reichtum, Liebe und Ruhm gibt es einen Garten, dort ist ein Garten, da wächst alles umsonst". 

Das Titelstück "Fool’s Parade" dringt noch weiter in die eigentümlich-verspielte Wunderwelt des Hippie-Sounds vor und lässt die Noten rauschhaft-entrückt tanzen, rotieren und schweben. Eine schöne, bildreiche Poesie begleitet das Lied bei seinem entrückten Trip: "Wer kann die Augen eines Schattens malen? Wer kann die Farben des Regens malen?" oder "Wer kann das Lächeln der Traurigkeit malen? Wer kann die Sterne in unserem Kopf malen?", heißt es da.

"When The Clouds Roll In" ist ein Musterbeispiel dafür, wie geschickt Color Green scheinbar unpassende Stile und Strömungen dezent-geschmeidig miteinander verbinden können: Es geht zunächst mit lockerem Boogie-Piano-Groove-Pop los. Gelegentlich werden dann immer wieder Southern-, Jam- und Country-Rock-Bestandteile als Ergänzung oder Füllstoff eingebunden, sodass das Stück frische Beweglichkeit und harmonische Wendigkeit beweisen kann. Herannahende Wolken, stärker werdende Winde, sich in Gedanken verlieren und die Abhängigkeit von Naturgewalten spüren - all diese Eindrücke trugen zum Entstehen dieses Liedes bei.

Zupackender, entschlossen vorwärts treibender Power-Pop zeichnet anschließend "God In A$" aus, ein Track, in dem wieder christliche Symbolik anzutreffen ist. Auf halbem Weg holt die Komposition etwas Atem, um dann druckvoll, mit zweiter Luft, in die Zielgrade einzulaufen.

Als leiser, langsamer, elektrischer Folk mit einem esoterisch angehauchtem Ambient-Country-Flair entpuppt sich "5:08". Der Song entfaltet dabei eine sanft-melancholische Stimmung mit Sog-Effekt. "Es geht darum, Menschen zu verlieren, die einem sehr nahe stehen, und mit ihnen kommunizieren zu wollen, aber nicht wirklich zu wissen, wie", berichtet Corey Madden. Der emotionale Tiefschlag aufgrund des Todes eines Elternteils zweier Musiker hat schließlich zum Anstoß für dieses traurige Gebilde geführt, bei dessen Einspielung alle Gruppenmitglieder geweint haben.

"Kick The Bucket" spielt sich zunächst in einem sphärischen, Drogen-vernebeltem Modus ab, gewinnt aber mit zunehmender Spieldauer an Volumen, Vitalität und Aggressivität. Das steigert sich bis zum orgiastischen Abschluss, aus dem die verzweifelte Suche nach Erkenntnisgewinn erneut erwächst.

Mit "Ball And Key" haben Color Green noch eine zu Herzen gehende, unsentimental mitfühlende Art-Folk-Ballade mit tiefsinnig-kryptischer Lyrik im Köcher, 
welche nahtlos in "Hazel Eyes" übergeht. Dieser Track steht in der Tradition des Jingle-Jangle-Pop der Byrds und dem College-Rock von R.E.M., bietet also Adult-Pop auf höchstem Niveau. Und es ist wahr, was sie singen: Man kann wirklich den Verstand verlieren, wenn man tief in haselnussbraune Augen blickt.

Grün ist die Hoffnung. Die Farbe Grün spiegelt das Gedeihen und die Kraft der Natur wider. Grün tut einfach der Seele gut. Warum sich die vier Musiker aber wirklich Color Green genannt haben, bleibt bislang ihr Geheimnis. Was aber kein Geheimnis bleiben sollte, ist, dass sie sich für "Fool`s Parade" einen attraktiv klingenden Americana-Sound ausgedacht haben, der gleichzeitig harmoniesüchtig, herausfordernd, traditionsbewusst und zukunftsweisend ist. 

"Alle Songs wurden gemeinsam als Band geschrieben. Wir waren zu viert in einem Raum und alle unsere Stimmen sind zu hören." Aus dieser Vorgehensweise heraus resultiert ein Sound, der vollmundig, packend, sensibel und klug strukturiert ist. Vorbilder werfen ihren Hut in den Ring, bleiben aber weitestgehend als Zündfunken, nicht als Nachbildung in Erinnerung. Wenn alles gut läuft, werden wir auch in Zukunft noch viel Vergnügen mit Color Green haben.

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