GISBERT ZU KNYPHAUSEN - DAS LICHT DIESER WELT (2017)

Lange war es relativ still um ihn geworden, jetzt ist GISBERT ZU KNYPHAUSEN mit "DAS LICHT DIESER WELT" wieder da.

Mit DAS LICHT DIESER WELT legt GISBERT ZU KNYPHAUSEN seine dritte Platte unter eigenem Namen vor. Seine Karriere kam ins Stocken, als 2012 sein musikalischer Partner NILS KOPPRUCH plötzlich starb. Grade erst war die erste Platte von KID KOPPHAUSEN, dem gemeinsamen Projekt der beiden Musiker erschienen und versprach einen großen Erfolg.

Das aktuelle Werk zeigt einen reifen Künstler, der sich entwickelt hat und seinen Freund mit der Fertigstellung von einem von ihm begonnenen Song ehrt. Neugierig geworden? Dann gibt es hier mehr Informationen:
Auf zu neuen Ufern: Gisbert zu Knyphausen hat frischen Mut gefasst und bringt sein bisher reifstes und komplexestes Album heraus.
Lange war nichts von ihm unter eigenem Namen zu hören. Er war abgetaucht, dann spielte er Bass in der Band von Olli Schulz und hat als Mitglied des Trios Husten jüngst eine EP veröffentlicht. Jetzt meldet er sich mit seinem dritten eigenen Studio-Album zurück. Gisbert zu Knyphausen konnte nach dem Tod seines musikalischen Partners Nils Koppruch verständlicherweise nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Grade war der gemeinsame Erfolg eingetreten und die Musiker bildeten eine perfekte Paarung, da wurde Nils 2012 plötzlich aus dem Leben gerissen. Die Formation Kid Kopphausen, die beide Künstler zusammenbrachte, war der Anfang und der Schwanengesang einer fruchtbaren, vor Kreativität sprühenden Verbindung.
Knyphausen gehört zu den Sängern und Lyrikern, denen Worte und Musik gleich wichtig zu sein scheinen. Vielleicht könnte man ihn mit dem ungelenken Begriff Liedermacher beschreiben, den in den 1960er Jahren alle deutschsprachigen Musiker verpasst bekamen, die sich kritisch äußern und vom Schlager abgrenzen wollten, wie z.B. Reinhard Mey, Hannes Wader oder Konstantin Wecker. Als poetischer Geschichtenerzähler kann der 1979 in Wiesbaden geborene Musiker aber auch angekündigt werden. Mit der neuen Platte entzieht er sich jedoch einer eindeutigen Kategorisierung, denn die Aufnahmen zeigen ihn kompositorisch noch reifer und musikalisch offener denn je. Dazu sind die Arrangements vielfältiger und raffinierter als bei seinen beiden Solo-Arbeiten von 2008 „Gisbert zu Knyphausen“) und 2010 („Hurra! Hurra! So Nicht“) ausgefallen.
Gisbert zu Knyphausen: Das Licht dieser Welt (Kritik & Stream ...
„Niemand“ macht Hoffnung und lehrt Demut: „Tief in dir brennt ein Licht und es scheint solange du lebst für dich. Man blickt in den Spiegel und denkt, man müsste so vieles sein und es dauert lange, bis man lernt ein Niemand zu sein.“ Das sind die Kernaussagen dieses märchenhaft verwunschen instrumentierten Stücks, das den Komponisten in seiner Rolle als differenzierten Beobachter und Arrangeur mit Gespür für stimulierende Klänge präsentiert. 

Bei „Sonnige Grüße aus Khao Lak, Thailand“ geht es um Einsamkeit und wie es ist, den Alltag zu ertragen, wenn Hoffnungen zerstört und Ziele egal geworden sind. Der Song wurde instrumental dicht und flexibel gestaltet, wobei sich Jazz-Einschübe mit engagierten Folk-Rock-Figuren abwechseln.
Was kann so alles an einem Tag „Unter dem hellblauen Himmel“ passieren? Gisbert beschreibt kleine Glücksmomente, nebensächliche Beobachtungen und einschneidende Erlebnisse, die in dem leicht swingenden Lied gleichwertig betrachtet werden. „Dich zu lieben ist einfach“ beschreibt dann unsentimental das Glücksgefühl, das entsteht, wenn über die gemeinsame Zeit mit einem eng verbundenen Menschen nachgedacht wird. Entsprechend leicht und unaufgeregt läuft der transparente und flüssige Song auch ab. Der delikate Folk-Jazz von „Stadt Land Flucht“ bekommt zum Schluss einen aggressiven Schub verordnet und zwischendurch werden Blumfeld mit „Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg“ aus „Verstärker“ von 1992 zitiert. Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur. Das könnte übrigens die Essenz des dynamisch abgestuften, jazzigen Gospel-Folk-Rock von „Keine Zeit zu verlieren“ sein.
Bei „Kommen und Gehen“ geht es um das späte und frühe Sterben. Das anrührende Lied enthält die treffenden Worte eines Todgeweihten: „Meine geliebten Erinnerungen, wo wollt ihr denn ohne mich hin“. Das folgende, Mut machende, bedächtige, akustische Folk-Stück „Das Licht dieser Welt“ war eine Auftragskomposition für den Film „Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“. Deshalb war zunächst gar nicht klar, ob der Song überhaupt zum geplanten Album passt. „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“ ist das Motto der Bremer Stadtmusikanten und gleichzeitig der Titel eines Liedes, das Nils Koppruch geschrieben, aber nicht mehr vollendet hat. Das hat nun Gisbert getan und lässt seinen Freund hier nochmal im Abspann auftreten. Es ist bewegend und schön anzuhören, wie die Freundschaft zur adäquaten Vollendung des Tracks geführt hat und wie der mystische Koppruch-Groove ordentlich Schwung verliehen bekommen hat.
Zwei englischsprachige Songs werden mit „Teheran Smiles“ (= schleifender Progressive-Folk-Pop) und „Cigarettes & Citylights“ (= eleganter Pop-Jazz) eingestreut. Das kann man machen, muss man aber nicht. Auch wenn es sich um eine Ausweitung des Ausdrucks-Spektrums handelt, wird dieses Experiment als Bruch empfunden. Musikalisch sind die Lieder makellos, allerdings wären sie auf einer rein englisch eingesungenen Platte besser aufgehoben gewesen. Im Gegensatz dazu verschafft das ungewöhnliche Piano-Solo-Stück „Carla Bruno“ dem gediegenen Album tatsächlich einen wohltuenden, entspannten und passgenauen Mehrwert.
Auch wenn „Das Licht dieser Welt“ kein Konzeptalbum im engeren Sinne ist, so geht es doch immer um „Das wundervolle Leben und den ganzen blöden Scheiß. Das hat uns Gisbert jedenfalls schon in „Erwischt“ von seinem Debüt-Album in 2008 beigebracht. Aktuell gestaltet er seine Songs allerdings nicht so wüst, direkt und Punk-getrieben wie dieses Lied. „Die Lieder handeln von der ewigen Sinnsuche, dem nicht einfach nur sein können, vom Tod und dem Umgang damit und wie man es schafft, mehr Licht und Optimismus in sein Leben zu lassen“, erklärt zu Knyphausen den roten Faden, der seine neue Lied-Kollektion verbindet. Erzählerisch hat er die Perspektive der persönlichen Erlebnisse und Empfindungen verlassen und widmet sich jetzt den Erfahrungen und Empfindungen von anderen Menschen. Das Licht als Kraftquelle, Erleuchtung und Leuchtfeuer spielt in der Symbolik dabei eine wichtige Rolle. Gisbert unterliegt textlich nicht zwangsläufig dem Reimzwang. Denn wenn es etwas Wichtiges mitzuteilen gibt, werden die Worte unabhängig von Regeln in das musikalische Gerüst eingeschliffen und mit dem Großen und Ganzen untrennbar verbunden.
Für die Umsetzung dieser köstlich und prunkvoll realisierten Musik, die sich geschickt eindeutigen Zuordnungen verweigert, sind hervorragende Studiomusiker herangezogen worden: Tim Lorenz (Schlagzeug / Udo Lindenberg / Nils Frevert), Martin Wenk (Trompete), der auch in Diensten von Calexico steht, Michael Flury an der Posaune (Sophie Hunger), Bassist und Gitarrist Florian Eilers (Cäthe), Jean-Michel Tourette (Gitarre, Piano und Keyboard / Wir sind Helden) sowie Vibraphonist Karl Ivar Refseth (Hägar) sind für die geschmackvolle Untermalung verantwortlich. Die Hinwendung zu komplexeren Arrangements passt exakt zu den melancholischen und trotzdem lebensbejahenden Themen, weil so auch die emotionalen Zwischentöne getroffen werden. Das Leben schillert in allen Farbabstufungen. Gisbert fängt diese Schraffierungen bezaubernd ein, denkt inhaltlich und musikalisch global und schenkt uns mit seinen Geschichten Trost, Wärme, Nachdenklichkeit und Zuversicht. Mehr davon!

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