Kareyce Fotso & Reiner Witzel - Aneya (2019)

Wenn Kultur auf Wirklichkeit trifft: Kareyce Fotso & Reiner Witzel verschmelzen für „Aneya“ afrikanische Traditionen mit jazzigen Beiträgen.
So klingt es also, wenn das Goethe-Institut ein deutsch-kamerunisches Projekt fördert. Aneya (auf Deutsch: Elefant) ist das Ergebnis einer zweijährigen Gemeinschaftsarbeit zwischen dem deutschen Saxophonisten und Flötisten Reiner Witzel, der schon mit der Afro-Beat-Legende Fela Kuti und der Reggae-Band Third World zusammen gearbeitet hat und der Sängerin Kareyce Fotso aus Kamerun, die in ihrem Heimatland ein Star ist. Die beiden Künstler sind allerdings nicht als Duett tätig, sondern haben eine Crew aus erfahrenen Musikern hinter sich, die für eine geschmeidige, ausfüllende Grundausstattung sorgen.


„Pegne“ gleitet dahin wie eine leichte, warme, sich wiegende Brise. Ein dichter, polyrhythmischer Takt sorgt dabei für die stabile Basis, auf der das weitgehend beherrscht agierende Saxophon und die engagierte Stimme ihre Dialoge austauschen. 
„Lomdieu“ zeigt sich tänzelnd. Der lebensfrohe Afro-Folk-Aspekt erlangt die Oberhand und die Flöte verziert das muntere Treiben gelegentlich phantasievoll. Manchmal widerfährt dem Stück dabei aber eine folkloristische Übersteigerung ins Kitschige. Die Percussion-Einlagen weisen auf dem Track „Aneya“ Minimal-Art-Strukturen auf, die stellenweise von lyrischen Saxophon- und Flöten-Tönen durchbrochen werden. Ansonsten fusionieren die Jazz- und Weltmusikanteile harmonisch und grooven federnd-elegant. 


„Allez Allez“ wurde über einem karibisch anmutenden Funk-Hintergrund ähnlich umgesetzt, wobei sich die Flöte hier allerdings vermittelnd und ausgleichend verhält, während sich das Saxophon ein kurzes, extrovertiertes Solo gönnt.
„Ke Wouac A“ dockt an holprige Disco-Strukturen an, die den Track aus der Komfortzone zerren wollen. Das Improvisieren von Reiner Witzel verstärkt diese Bemühungen noch. Da das Stück aber nach knapp viereinhalb Minuten ausgeblendet wird, bleibt der Ausgang ungewiss. Der Reggae „Po Tomgne Mbou“ sorgt für rhythmische Abwechslung, während „Poalag“ etwa zur Hälfte eindringlich-introvertiert und die übrige Zeit aufgewiegelt-lebhaft abläuft. Melancholie und Lebensmut liegen eben manchmal dicht beieinander. „Yeke Wawa Oh“ scheint gesanglich tief in afrikanische Traditionen einzutauchen, wird aber durch schnittig-saftige Bläser in die Gegenwart zurück geholt. Schmierige Synthesizer-Linien befördern das langsame „Goun Yock“ zunächst in eine künstliche Parallelwelt. Eine knapp eingesetzte, fetzende E-Gitarre und Witzels fließendes Blechblasinstrument gestalten daraufhin eine dynamische Jazz-Rock-Weltmusik-Fusion. Spielerisch leicht kommt dann bei „Abiali“ ursprünglicher Afro-Folk mit Jazz-Phrasierungen zusammen. Der Song bildet in dieser Verfassung nochmal sinnbildlich den kulturumspannenden Aspekt des Werkes ab.


„Aneya“ lässt einen ausgewogenen Kulturanspruch erkennen. Es ist Reiner Witzel hoch anzurechnen, dass er als improvisierender Jazzer zu keiner Zeit das Geschehen an sich reißen will, sondern seine Instrumente atmosphärisch klug einsetzt, indem er die Stücke sachdienlich unterstützt. So entsteht ein beinahe durchgängig angenehmes Klanggeflecht, welches das verbindende, lebendige afrikanische, Lebensgefühl herausstellt. Das westlich-intellektuelle Improvisationsverhalten wirkt sich darauf positiv ergänzend aus. Eine intellektuelle Kopfgeburt bleibt also aus. Das ist gelebte verbindende musikalische Völkerverständigung zum Nutzen aller Partner.
Das Goethe-Institut in Kamerun hat für die Produktion von „Aneya“ gesorgt, so dass die Aufnahmen professionell mit einem siebenköpfigen Ensemble, bestehend aus einigen Percussion-Musikern und Vokalisten, sowie Bass, Keyboard und Gitarre, eingespielt werden konnte. Kareyce Fotso ist mit ihrer ausdrucksstarken und voluminös-vollmundigen Stimme, die sowohl zart-sinnlich wie auch wütend-unbeherrscht sein kann, zweifellos das schillernde Aushängeschild des Werkes. Aber auch der einfühlsame Beitrag von Reiner Witzel sowie der homogen schwingende Sound, der ein romantisch-exotisches Gesamtbild erzeugt und nur wenige Ausrutscher in Richtung abgenutzter Belanglosigkeit aufweist, sind zu loben. Die Künstler haben durch ihre Anpassungsfähigkeit ein recht unkompliziertes Jazz-Folklore-Werk geschaffen, welches alle Bestandteile gleichberechtigt und spielfreudig integriert.
Erstveröffentlichung dieser Rezension: Kareyce Fotso & Reiner Witzel - Aneya

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