Ladyhawke - Time Flies

Ladyhawke, die Unentschlossene. Findet sie nun mit "Time Flies" ihre eigentliche, endgültige künstlerische Identität?

Es ist wie es ist, machen wir uns also nichts vor: Madonna, Cher, Miley Cyrus, Rihanna und Britney Spears haben ihren kreativen Höhepunkt längst überschritten und spielen in der Landschaft der nimmersatten Chart-affinen Konsumenten keine herausragende Rolle mehr. Ihre Vormachtstellung als Vorzeige-Pop-Queens haben sie verloren und sie wurden von frischen, frechen und talentierten Ladys wie Billie Eilish, Dua Lipa, Taylor Swift und Lana Del Rey entthront.

Neues Futter braucht das Hit-Radio! Da kommt Ladyhawke grade rechtzeitig, um sich ihre Pfründe zu sichern. Aber hat sie es wirklich ausschließlich auf hohe Chart-Positionen abgesehen oder will sie künstlerisch mehr erreichen als die vielen anderen Retorten-Sängerinnen, die im Hinblick auf schnelles Geld dem Mainstream-Publikum zum Fraß vorgeworfen werden und ihre Seele verkaufen?
Pressefoto Credit: Lula Cucchiara

Ladyhawke wurde als Philippa Margaret Brown 1979 in Neuseeland geboren und hat ihren Künstlernamen aus dem Film "Ladyhawke" (gespielt von Michelle Pfeiffer) von Richard Donner aus 1985 entliehen. Von 2001 bis 2003 spielte Philippa als Pip Brown Leadgitarre und sang im Background der Wellingtoner Punk-Band Two Lane Blacktop, die sich an The Stooges, MC5 und The Clash orientierten. 2004 trat sie der Art-Pop-Band Teenager bei, die bis 2007 hielt. Danach zog sie nach London und nannte sich fortan Ladyhawke, was auch der Name ihres ersten Solo-Albums von 2008 war, das hauptsächlich vom 1980er Jahre-New Wave-Sound und Synthie-Pop dominiert wurde. 

Der Nachfolger "Anxiety" (2012) zeigt ein anderes Gesicht, er ist massiver und verleibt sich den elektronischen Alternative-Rock der 1990er Jahre ein. 2013 folgte ein Umzug nach Los Angeles und 2016 kam mit "Wild Things" das dritte Werk heraus, das einen eingängigen, wieder elektronischeren, druckvollen Pop-Sound präsentiert. 

Nach der Geburt ihrer Tochter und überstandener Hautkrebs-Erkrankung übergibt Ladyhawke am 19. November 2021 "Time Flies" mit elf Songs dem Licht der Öffentlichkeit: Wird die sich anschmeichelnde, eingängig-unkomplizierte, aber Ohrwurm-taugliche Ballade "My Love" noch durch einen kräftigen Beat aus der Melancholie gezogen, 
so führt der erbarmungslose, überbetonte Bass bei "Think About You" dazu, dass die ergänzende, platziert gesetzte Rhythmik etwas zu kurz kommt und die im Grunde genommen attraktive, abwechslungsreiche Melodieführung durch Gimmicks verharmlost wird. Weniger Pomp, Glimmer und Effekte und ein eher akustisches Arrangement hätten diesem Song besser zu Gesicht gestanden.
Der Song "Time Flies" klingt wie ein Mid-Tempo-Folk-Song, der in ein Electro-Pop-Gewand gesteckt wurde 
und "Mixed Emotions" schafft es auf den Tanzboden. Pop-, Funk- und Disco-Elemente bilden eine Klammer, die den Track zu einem Allrounder für unterschiedlichste Radio-Formate macht.
Für "Guilty Love" wird ein harter, stampfender Rhythm & Blues-Groove einbezogen, dem kurze, verzerrte E-Gitarren-Akkorde zur Seite stehen. Nach ein paar Verschnaufpausen wird der Track immer wieder saftig und kräftig hochgefahren. 

Bevor die Ballade "Take It Easy Mama" zu süßlich zu werden droht, bekommt sie einen ordentlichen Tritt in den Hintern, gönnt sich aber auch Auszeiten, die melodisch fein gestrickt werden. Im Gegensatz dazu bietet "Loner" nur biedere Hausmannskost: Die Melodie ist fade, der Gesang eintönig und die billigen Synthie-Töne, die für schmückendes Beiwerk sorgen sollen, klingen wie aus einer 80erJahre-Mottenkiste. Aus dieser Dekade scheint auch "Adam" zu kommen: Romantischer, eintöniger Synthie-Pop, der damals den New Romantics wie Spandau Ballet oder Duran Duran zugerechnet worden wäre. 

Im Spannungsfeld zwischen Ballade und Power-Pop scheint sich Ladyhawke sehr wohl zu fühlen, denn "Reactor" balanciert beide Seiten ausgewogen aus und kann dadurch als dynamisch abgestufter Pop-Song gefallen. Der Refrain von "Walk Away" klingt wie ein Abzählreim, passt aber trotzdem gut zu dem flotten, rhythmisch agilen Lied, das eine Party-Stimmung durchaus anheizen kann. "Love Is Blind" zeigt auf, dass Ladyhawke auch ernsthafte Pop-Musik überzeugend auskleiden kann. Der Song erfüllt noch nicht die höchste Qualitätsstufe, zeigt aber einen alternativen Weg für sie auf.

Ladyhawke sollte sich entscheiden: Möchte sie auf Teufel komm raus in die Charts, dann sollte sie sich einen angesagten Produzenten suchen, der sie punktgenau auf Mainstream-Format zuschneidet. Dann bleibt natürlich ihr zweifellos vorhandenes Talent auf der Strecke, weil sie unter diesen Bedingungen etliche Kompromisse eingehen müsste. Möchte sie sich künstlerisch weiterentwickeln, dann sollte sie sich einen Produzenten suchen, der sie mit anspruchsvollen Songs ins rechte Licht rückt und auf einen effektbeladenen, künstlich aufgedonnerten Sound verzichtet. Oder möchte sie vielleicht einen Weg zwischen Kunst und Pop suchen, dann sollte sie sich einen Produzenten ihres Vertrauens mit ganz viel Einfühlungsvermögen finden, der ihr den Sound verpasst, der ihre Persönlichkeit individuell herausstellt. 

Philippa Margaret Brown hat schon viele Genres ausprobiert, war aber bisher wankelmütig, was das Herauskehren eines eigenen Stiles angeht. Ihr Karriereweg verläuft im Zickzack, ist nicht kontinuierlich und weist auf kein eindeutiges Ziel hin. Aber noch ist alles möglich: Zwar ist "Time Flies" ein neuer Gehversuch mit ansprechenden Ansätzen, der sich unspezifisch zwischen allen Stühlen bewegt und deshalb offen lässt, wo es eigentlich künstlerisch hingehen soll. Aber bei einem erneuten Anlauf könnte es gelingen, mit verinnerlichten Werten zu einem spezifischen Sound zu finden.

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