Verborgene Plattenschätze: MC5 - Back In The USA (1970)

Anfang der 1970er Jahre war der Name der Stadt Detroit ein Synonym für kompromisslosen, dreckigen Rock'n'Roll. Als Vertreter dieser Gattung taten sich unter anderem IGGY POP & THE STOOGES und MC5 hervor. MC stand dabei für Motor City. Detroit eben, die Stadt der Autobauer und Malocher. Damals Boomtown, heute Zentrum der Automobil- und Wirtschaftskrise in den USA. Und die 5 im Namen gab die Anzahl der Bandmitglieder an: Fred Sonic Smith (der Mann von Patti Smith) und Wayne Kramer an den Gitarren. Rob Tyner, Gesang. Michael Davis am Bass und der Schlagzeuger Dennis Thompson. 

MCS ist die einzige Band, die ich kenne, deren Debut ein Live-Album war. KICK OUT THE JAMS von 1969 war laut, direkt und brutal wie ein Schlag auf den Solar-Plexus.
MC5 – Back in the USA album cover - Fonts In Use
BACK IN THE USA, ihr 2. Album von 1970 ist da wesentlich differenzierter. Hier kommen die Wurzeln der Band, wie klassischer Rock'n'Roll und freakiger Beat besser zur Geltung. Außerdem strotzt die Platte nur so vor Innovation, viele erst später populär gewordene Stile werden hier vorweg genommen. 

Das Spektakel beginnt mit TUTTI FRUTTI. Hinlänglich bekannt von LITTLE RICHARD und ELVIS PRESLEY. Ich wette, diese Version haben auch die RAMONES gekannt und sie half ihnen, ihren Sound zu finden. Kurz (1:28) und knackig wird man hier von der Cover-Version überrollt wie von einem Monster-Truck.
TONIGHT ist die perfekte Teenager-Hymne. Dieser Power-Pop Song hätte eigentlich ein Hit werden miissen,
genau wie der nachfolgende unkomplizierte Rocker TEENAGE LUST.

Mit LET ME TRY folgt eine sich verzehrende Ballade mit tickender Schlagzeug-Begleitung.
LOOKING AT YOU hat den Groove von BORN TO BE WILD und glüht durch ein sich in die Höhe schraubendes Gitarren-Solo.
Treibenden Pop wird für HIGH SCHOOL mit Stax-Soul-Rhythmus zu einer weiteren Teenager-Hymne verbunden. 

Bei CALL ME ANIMAL nehmen sie im Grunde den Punk-Sound der späten 1970er Jahre vorweg, zumindest was die ungestüme Energie angeht.
Auch THE AMERICAN RUSE ist Hochgeschwindigkeitsrock: Nicht so überdreht wie Speed-Metal, aber geeignet, eine Tanzfläche in einen Hexenkessel zu verwandeln
und SHAKIN' STREET nimmt TOM PETTY AND THE HEARTBREAKERS vorweg.
Die Gitarrenduelle von Smith und Kramer bringen bei THE HUMAN BEING LAWNMOVER eine weitere Facette der MC5-Soundpalette ein, nämlich progressiven Hard-Rock.
Den Abschluss bildet noch ein Klassiker: CHUCK BERRY's BACK IN THE USA. Der Titel bildet den Brückenschlag vom klassischen Rock'n'Roll zu Punk. It's Only Rock'n'Roll, But I Like It. 

BACK IN THE USA ist ein wahrlich prophetisches Rock-Album, bedenkt man, wie viele Stile hier als Blaupause vorgelegt wurden: Power-Pop, Ramones-Punk, Hard-Rock und Tom Petty-Konsens-Rock. Es dürfte den Verlauf der Entwicklung der Rockmusik nachhaltig beeinflusst haben. 

1971 kam mit HIGH TIME das dritte und letzte Album der Band raus. Die Songs waren nun länger und die Bandmitglieder ausgebrannte Drogenwracks. Silvester 1972 hatte die Gruppe dann ihren letzten Auftritt. Ihr Einfluss ist aber bis heute ungebrochen. 

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