Bosudong Cooler - Sand

Jenseits des massentauglichen K-Pop erwacht Süd-Korea mit Bosudong Cooler zu einem vielversprechenden, alternativen Musik-Dasein.
Unter K-Pop versteht man bei uns meistens belanglose, einfach gestrickte Schlagermusik aus Süd-Korea, die genauso schnell wieder vergessen ist, wie sie gehört wurde. Aber wie es bei den meisten Verallgemeinerungen und Vorurteilen ist, so tut man in diesem Fall den Musikerinnen und Musikern aus Asien Unrecht, die sich nicht als Retorten-Geschöpfe vermarkten lassen und ernsthaft nach nachhaltig wirksamen Klängen suchen. So wie das Quartett Bosudong Cooler aus Busan, Süd-Koreas zweitgrößter Stadt nach Seoul mit beinahe 3,5 Millionen Einwohnern.
2019 erschien "Yeah I Don`t Want It", die erste EP von Bosudong Cooler. Für das erste Album "Sand", das in Deutschland am 10. Dezember 2021 herauskommt, gab es einen Wechsel in der Besetzung: Kim Min-ji hat Gründungsmitglied Jung Ju-ri als Sängerin abgelöst. Weiterhin dabei sind aber Lee Sang-won (Bass), Goo Seul-han (Gitarre) und Choi Woon-gyu (Schlagzeug). Wie schon angedeutet, speist Bosudong Cooler seit der Gründung in 2016 seine Hörerinnen und Hörer nicht mit an Charts-orientierten Tönen ab. Auf "Sand" erzeugt die Formation Sounds, die lange im Gedächtnis bleiben und sich nicht einer bestimmten Stil-Schublade zuordnen lassen.

"Clementine" orientiert sich am eigenwilligen Folk-Jazz solcher Künstler wie Tim Buckley, John Martyn, Ben Watt oder Ryley Walker, wobei nur eine verloren klagende E-Gitarre als Begleitung ausreicht, um im Zusammenspiel mit einem filigran-melodischen Mann/Frau-Duett-Gesang lieblich, tröstend und herzerweichend zu klingen. Die Gitarren-Klänge torkeln, schwanken, bleiben aber aufrecht und berührend. Tristesse schwängert den Raum, ohne sich lähmend auszuwirken. Die seidene Schönheit und Anmut der beiden Vokalisten verleiht dem Stück eine innere Ruhe und Harmonie, die selbst düstere Stimmungen eliminiert.
Sämiger, elektrischer, vom Pop infiltrierter Folk-Rock in der Tradition von Fairport Convention der Richard Thompson-Phase, aufgewertet durch den liebenswert-reizvollen Gesang von Kim Min-ji, erwartet die Interessierten beim Song "Sand".
Der Garagen-Rock von "Season" ist etwas bissiger, zwingend-direkt und kraftvoll. Wäre da nicht die sinnliche, hübsche Lead-Stimme, dann könnte der Song sogar als Outtake von Neil Youngs "Zuma" durchgehen. Sensibilität trifft hier auf Energie.
"Breath" unterteilt sich in drei Abschnitte: In den ersten knapp zwei Minuten entpuppt sich das Folk-Rock-Chanson allmählich, bevor es zum abrupten Ende kommt und der Track unter verzerrten Gitarren-Klängen wiedergeboren wird. Der 20sekündige Abspann knüpft dann wieder an den verhaltenen Beginn an.
Mit "Sandmen" erinnert Bosudong Cooler zunächst an die zerbrechlich wirkende Bossa Nova von Astrud Gilberto, ohne selber typisch brasilianisch zu klingen. Dann zerschneidet eine alarmierende und wehende, länger nachhallende E-Gitarre die Luft und geisterhafte Stimmen sorgen für unheimliche Untertöne.
Sich von introvertierter Jazz-Verspieltheit zu wilden Eruptionen hochschaukelnde Gitarren-Ausbrüche leiten "Dani" ein, 
das dann in Quartett-Besetzung als Alternative-Rock-Ballade eine ähnliche Steigerung von melodisch-zugänglich zu ruppig-aufbrausend durchmacht.
Eine Wendung hin zur Gelassenheit vollbringt "Gureumi". Die Kombination von elektrischer Gitarre mit Bass/Schlagzeug-Rhythmus-Verstärkung wird hier konsequent, straff und aufmerksam umgesetzt, läuft aber emotional in gemäßigten Bahnen ab.
Zwischen verzückender Power-Pop-Herrlichkeit, grummeligem Eleventh Dream Day-Garagenrock und dem melancholisch-introvertierten Art-Folk von Velvet Underground ist "Rubber" angesiedelt.
Der Track "O Rang Dae" wird nur von einer akustischen Gitarre begleitet und erhält durch den Gesang von Kim Min-ji, der durch eine dezente Männer-Stimme stimmungsvoll ergänzt wird, einen harmonisch-süßen Überzug.

Bosudong Cooler präsentieren zeitlose, bestens sozialisierte Klänge, die fragil wie auch zupackend sein können, aber in jeder Beschaffenheit stetig Reize versprühen, die sowohl anspruchsvoll anregen wie auch harmonisch verwöhnen können. 
Die Musik von Bosudong Cooler ist zwar retro-orientiert, dennoch weisen die Töne keine Patina auf. Die Zusammensetzung der Elemente aus Jazz, Folk, Pop sowie Alternative-, Psychedelic- und Art-Rock wirkt wohlüberlegt und basiert auf den Säulen Harmonie, Kunstverstand und Rebellion. Der K-Pop ist jetzt also erwachsen geworden. 

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