Musik-Rezensionen und Musiker-Portraits aus den Gebieten: Individuelle Singer-Songwriter, Soul, Jazz, Blues, Folk, Rock, Country, Art-Rock und Pop.
Baby Of The Bunch - Pretty But It Has No Use (2022)
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Authentizität, Aufblühen und Aufruhr: Das alles steckt in "Pretty But It Has No Use" drin.
Baby Of The Bunch wird von Bronte Klippell (Gitarre,
Gesang), Valentina Dornblut (Schlagzeug), Finja Sander (Bass) und Luca Kaduk (Keyboards)
aus Leipzig, Dresden und Berlin seit 6 Jahren betrieben. Sie nennen ihre Musik
"Riot Wave" und geben unter anderem Prince, Iggy Pop, Patti Smith,
David Bowie, Kate Bush, Babes in Toyland und Big Star als Inspiration
an. Mit "Pretty But It Has No Use" legt die Gruppe nun nach den EPs „The Garden Of Eden“ (2018) und „I’m Not The Type Of Girl Your
Mom Would Like“ (2019) ihr erstes Volle-Länge-Werk vor.
Credit: natgass
Schönheit liegt im Auge
des Betrachters. Deshalb ist die Beurteilung, was als schön empfunden wird,
auch subjektiv unterschiedlich. Ganz anders sieht es aus, wenn Menschen oder
Klänge auf ihren äußeren oder spontanen Eindruck reduziert werden. Das ist in
jedem Fall zu kurz gedacht oder argumentiert. Kommen wir in diesem Zusammenhang
zur Musik von "Pretty But It Has No Use": Die von Baby Of The Bunch
demonstrierte Schönheit schließt neben eingängigen Melodien auch
Gefühlsregungen wie dankbare Freude, alberne Ausgelassenheit, befreiende
Aggression und Spaß an Abwechslung und musikalischer Weiterentwicklung mit ein.
Der Einstieg "Happy Here" erscheint vielschichtig wie eine Zwiebel:
Jahrmarktstrubel, konstruktive Melancholie, Perspektivenwechsel im Takt,
unverfängliche Leichtigkeit und aufgesetzte Opulenz spielen nach- und
miteinander eine tragende Rolle bei diesem raffiniert arrangiertem Adult-Pop, wo es
darum geht, wie es ist, wenn man sich in einer Gruppe von Menschen plötzlich
isoliert und fehl am Platze vorkommt.
"One In A Million" lässt moderten Funk, sperrige New Wave und harmonischen Pop miteinander konkurrieren, was zu einer belebenden Reibung führt.
"Make Out"
macht es kurz und knapp. Ein ungestümes Iggy & The Stooges-Punk-Tempo und ein freches Selbstbewusstsein prägen den Song. Das erinnert an eine der ersten weiblichen Rock-Bands, nämlich TheRunawaysum Joan Jett.Baby Of The Bunch sorgen hier für wütenden Sturm & Drang, ohne dass das Hitpotential darunter leidet.
"After All" verleugnet nicht seinen unschuldigen Teenage-Pop-Charme, der den Track naiv-sorglos erscheinen lässt.
"70s" hat sowohl leichtfüßigen Synthie-Pop-Sound wie auch zornigen Punk im Auge, um die Realisierung von zeitlosem Power-Pop anzustreben. Die kraftvolle Ballade "Don't" vereint danach Empathie und Leidenschaft zu einer verwirbelten Emo-Core-Nummer.
"I'm In A Band" verbrüdert sich sowohl mit dem Früh-1960er-Jahre-Mersey-Beat der Beatles wie auch mit der ruppig-primitiven, feministischen Riot-Grrrl-Underground-Punk-Bewegung der 1990er Jahre. "I`ve Always Liked Simple Rock" behauptete John Lennon und drückte damit aus, dass er Spontanität für wichtiger als Perfektion hielt. "I'm In A Band" hätte ihm also gefallen können.
Für "Mean" verbreitet das Synthesizer-Xylophon Eleganz, der Rhythmus ist straff und unerbittlich, die dominanten, zackigen E-Gitarren legen unmissverständlich fest, wer die Richtung vorgibt und die Gesänge zeigen zweifelsfreie Entschlossenheit. Schmierige Synthesizer-Wände veranschaulichen dann noch, dass gewisse Classic-Rock-Elemente sogar cool sein können, wenn sie dosiert eingesetzt werden. Der Track wurde mit Liebe zum Detail arrangiert sowie kenntnisreich und clever durchkomponiert. Er Song macht auf den Umstand aufmerksam, dass Frauen, die sich durchsetzen, oft als zickig angesehen werden, während dieses Verhalten bei Männern als Führungsqualität angesehen wird. Falsch, aber gesellschaftlich akzeptiert.
"Stay" wirkt grundsätzlich lieblich wie die Balladen von Nanci Griffith. Wo bei ihr beruhigendes Country- und Folk-Instrumentarium zum Einsatz kam, läuten hier E-Gitarre, Bass und Schlagzeug härtere Zeiten ein. Das griffige Piano versucht, zwischen Ausgeglichenheit und Rebellion zu vermitteln, aber die lauteren Instrumente setzen sich in der Wahrnehmung durch. Im wirklichen Leben bekommen auch oft die Großschnauzen und Angeber Gehör, weil die bescheidenen, abwägenden Personen bei deren Geplärre schlicht überhört werden. Falsch, aber gesellschaftlich akzeptiert.
"The Piss" klingt nicht so dreckig, wie der Titel vermuten lässt. Ganz im Gegenteil. Der Song verbindet die zielstrebige Souveränität einer Suzanne Vega mit der inneren Unruhe von New Order und dem in Ansätzen vorhandenen, zupackend-raubeinigen Rock von Eleventh Dream Day.
Mit seinen Brüchen und Sprüngen ist "Watching Paint Dry" quasi das Kunstprojekt des Albums. Das Lied ist ein Art-Rock, der zwar komplexe Strukturen aufweist, minimalistische Textzeilen benutzt, abrupt aufhört, aber trotzdem gut durchhörbar ist.
Die unterschiedlich gestimmten Songs auf "Pretty But It Has No Use" weisen auf eine ausgeprägte Entwicklungsphase des Quartetts hin. Trotz der Stilvielfalt bleibt die Gruppe eindeutig identifizierbar, weil sie musikalisch offensichtlich so breit aufgestellt ist, dass etliche Ausprägungen ansatzlos in ihr Weltbild passen.
Pure Schönheit scheint nutzlos zu sein. Das ist eine Erkenntnis, die auch Elvis Costello bereits songtechnisch umsetzte ("All This Useless Beauty", 1996). Wenn Wohlklang allerdings in einer Ton-Mixtur nur ein Bestandteil von vielen ist, dann erblüht er zu einem aufwertenden Element. Das wurde erkannt und zu einer zukunftsweisenden Methode verarbeitet, die dazu führt, dass die Band weiterhin ihr unangepasstes Ding machen kann, ohne sich zu verleugnen. Die Wolf-im Schafspelz-Methode ist nützlich und sinnvoll, denn so besteht die Möglichkeit, dass Baby Of The Bunch trotz mutiger und erfolgreicher, vielversprechender Diversifizierung ihre verdiente Popularität erhalten.
Waiting For Louise sind immer für eine Überraschung gut! Längst haben sich Waiting For Louise von einer reinen, eigenständig-kreativen Cover-Versionen-Band zu einer beeindruckend ideenreichen Formation mit Genre sprengenden, eigenen Kompositionen entwickelt. Mit "Rain Meditation" emanzipieren sie sich jetzt auch noch von der Notwendigkeit, dass Country-Folk oder psychedelischer Rock unbedingt englische Texte enthalten muss. Vier der acht neuen Tracks wurden nämlich mit deutscher Sprache ausgestattet. Ideengeber und Lenker hinter der Gruppe Waiting For Louise , deren Grundstock bereits 1992 gelegt wurde, ist der Multiinstrumentalist, Sänger und Komponist Michael Mann. Der aus Voerde am Niederrhein stammende Musiker ist außerdem noch für die Blues-Combo Rusty Nails und das Projekt Songs To The Siren verantwortlich, welches sich unter anderem mit den Kompositionen von Tim Buckley , The Velvet Underground und Nick Drake auseinandersetzt. "Rain Meditation" enthält au...
Ein analytisches "Gespräch" zwischen Günter Ramsauer und Heino Walter. Es ist schon eine lieb gewordene Tradition geworden, dass wir uns lobend über die Projekte von Michael Mann in ROADTRACKS auslassen und jedes Mal von Neuem total begeistert sind. Der Name war Programm, als vor etwa 15 Jahren das deutsche Quartett Songs To The Siren zusammenfand. Coverversionen von Tim Buckley sollten es sein. Ein Programm, das naturgemäß wachsen musste. Demzufolge kamen nach und nach weitere Interpreten hinzu: John Martyn, Amon Düül II, Nick Drake, Chet Baker und Can. Wie gekonnt sie es verstehen, die Originale nachzuempfinden oder neu zu interpretieren, ist nachzuhören auf „Songs To The Siren“ (2007), „Songs To The Siren 2“ (2010) und „Songs To The Siren 3“ (2014). Ein neuer Schritt ist ihr Album „2019“, bei dem sie sich das berühmte dritte Album von The Velvet Underground, das im vergangenen Jahr den 50. Geburtstag feierte, zur Brust nehmen. Dabei verzichten sie auf die Stüc...
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