Baby Of The Bunch - Pretty But It Has No Use

Authentizität, Aufblühen und Aufruhr: Das alles steckt in "Pretty But It Has No Use" drin. 

Baby Of The Bunch wird von Bronte Klippell (Gitarre, Gesang), Valentina Dornblut (Schlagzeug), Finja Sander (Bass) und Luca Kaduk (Keyboards) aus Leipzig, Dresden und Berlin seit 6 Jahren betrieben. Sie nennen ihre Musik "Riot Wave" und geben unter anderem Prince, Iggy Pop, Patti Smith, David Bowie, Kate Bush, Babes in Toyland und Big Star als Inspiration an. Mit "Pretty But It Has No Use" legt die Gruppe nun nach den EPs „The Garden Of Eden“ (2018) und „I’m Not The Type Of Girl Your Mom Would Like“ (2019) ihr erstes Volle-Länge-Werk vor.
Credit: natgass

Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Deshalb ist die Beurteilung, was als schön empfunden wird, auch subjektiv unterschiedlich. Ganz anders sieht es aus, wenn Menschen oder Klänge auf ihren äußeren oder spontanen Eindruck reduziert werden. Das ist in jedem Fall zu kurz gedacht oder argumentiert. Kommen wir in diesem Zusammenhang zur Musik von "Pretty But It Has No Use": Die von Baby Of The Bunch demonstrierte Schönheit schließt neben eingängigen Melodien auch Gefühlsregungen wie dankbare Freude, alberne Ausgelassenheit, befreiende Aggression und Spaß an Abwechslung und musikalischer Weiterentwicklung mit ein.

Der Einstieg "Happy Here" erscheint vielschichtig wie eine Zwiebel: Jahrmarktstrubel, konstruktive Melancholie, Perspektivenwechsel im Takt, unverfängliche Leichtigkeit und aufgesetzte Opulenz spielen nach- und miteinander eine tragende Rolle bei diesem raffiniert arrangiertem Adult-Pop, wo es darum geht, wie es ist, wenn man sich in einer Gruppe von Menschen plötzlich isoliert und fehl am Platze vorkommt.

"One In A Million" lässt moderten Funk, sperrige New Wave und harmonischen Pop miteinander konkurrieren, was zu einer belebenden Reibung führt.
"Make Out" macht es kurz und knapp. Ein ungestümes Iggy & The Stooges-Punk-Tempo und ein freches Selbstbewusstsein prägen den Song. Das erinnert an eine der ersten weiblichen Rock-Bands, nämlich The Runaways um Joan Jett. Baby Of The Bunch sorgen hier für wütenden Sturm & Drang, ohne dass das Hitpotential darunter leidet.
"After All" verleugnet nicht seinen unschuldigen Teenage-Pop-Charme, der den Track naiv-sorglos erscheinen lässt.
"70s" hat sowohl leichtfüßigen Synthie-Pop-Sound wie auch zornigen Punk im Auge, um die Realisierung von zeitlosem Power-Pop anzustreben. Die kraftvolle Ballade "Don't" vereint danach Empathie und Leidenschaft zu einer verwirbelten Emo-Core-Nummer.
 
"I'm In A Band" verbrüdert sich sowohl mit dem Früh-1960er-Jahre-Mersey-Beat der Beatles wie auch mit der ruppig-primitiven, feministischen Riot-Grrrl-Underground-Punk-Bewegung der 1990er Jahre. "I`ve Always Liked Simple Rock" behauptete John Lennon und drückte damit aus, dass er Spontanität für wichtiger als Perfektion hielt. "I'm In A Band" hätte ihm also gefallen können.
Für "Mean" verbreitet das Synthesizer-Xylophon Eleganz, der Rhythmus ist straff und unerbittlich, die dominanten, zackigen E-Gitarren legen unmissverständlich fest, wer die Richtung vorgibt und die Gesänge zeigen zweifelsfreie Entschlossenheit. Schmierige Synthesizer-Wände veranschaulichen dann noch, dass gewisse Classic-Rock-Elemente sogar cool sein können, wenn sie dosiert eingesetzt werden. Der Track wurde mit Liebe zum Detail arrangiert sowie kenntnisreich und clever durchkomponiert. Er Song macht auf den Umstand aufmerksam, dass Frauen, die sich durchsetzen, oft als zickig angesehen werden, während dieses Verhalten bei Männern als Führungsqualität angesehen wird. Falsch, aber gesellschaftlich akzeptiert.
"Stay" wirkt grundsätzlich lieblich wie die Balladen von Nanci Griffith. Wo bei ihr beruhigendes Country- und Folk-Instrumentarium zum Einsatz kam, läuten hier E-Gitarre, Bass und Schlagzeug härtere Zeiten ein. Das griffige Piano versucht, zwischen Ausgeglichenheit und Rebellion zu vermitteln, aber die lauteren Instrumente setzen sich in der Wahrnehmung durch. Im wirklichen Leben bekommen auch oft die Großschnauzen und Angeber Gehör, weil die bescheidenen, abwägenden Personen bei deren Geplärre schlicht überhört werden. Falsch, aber gesellschaftlich akzeptiert.

"The Piss" klingt nicht so dreckig, wie der Titel vermuten lässt. Ganz im Gegenteil. Der Song verbindet die zielstrebige Souveränität einer Suzanne Vega mit der inneren Unruhe von New Order und dem in Ansätzen vorhandenen, zupackend-raubeinigen Rock von Eleventh Dream Day.
Mit seinen Brüchen und Sprüngen ist "Watching Paint Dry" quasi das Kunstprojekt des Albums. Das Lied ist ein Art-Rock, der zwar komplexe Strukturen aufweist, minimalistische Textzeilen benutzt, abrupt aufhört, aber trotzdem gut durchhörbar ist.

Die unterschiedlich gestimmten Songs auf "Pretty But It Has No Use" weisen auf eine ausgeprägte Entwicklungsphase des Quartetts hin. Trotz der Stilvielfalt bleibt die Gruppe eindeutig identifizierbar, weil sie musikalisch offensichtlich so breit aufgestellt ist, dass etliche Ausprägungen ansatzlos in ihr Weltbild passen.

Pure Schönheit scheint nutzlos zu sein. Das ist eine Erkenntnis, die auch Elvis Costello bereits songtechnisch umsetzte ("All This Useless Beauty", 1996). Wenn Wohlklang allerdings in einer Ton-Mixtur nur ein Bestandteil von vielen ist, dann erblüht er zu einem aufwertenden Element. Das wurde erkannt und zu einer zukunftsweisenden Methode verarbeitet, die dazu führt, dass die Band weiterhin ihr unangepasstes Ding machen kann, ohne sich zu verleugnen. Die Wolf-im Schafspelz-Methode ist nützlich und sinnvoll, denn so besteht die Möglichkeit, dass Baby Of The Bunch trotz mutiger und erfolgreicher, vielversprechender Diversifizierung ihre verdiente Popularität erhalten.

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