Frank Popp Ensemble - Waves (2025)
So locker-luftig und einfallsreich kann Groove-Pop sein.
"Shifting" war hochwillkommen und qualitativ einmal mehr sehr überzeugend. So gilt es jetzt, mit "Waves" die Legendenbildung voranzutreiben und auszubauen. Der Veröffentlichungstermin ist mit dem 11. April 2025 gut gewählt, denn im Frühling steigt auch die Lust auf Partys und gepflegte Chill-Outs mächtig an. Popps Mischung aus Funk, Soul, Adult- und Power-Pop passt nämlich ideal zum Befeuern oder zur Untermalung von stilvollen Feiern. Für beide Anlässe bietet "Waves" passende Klangkonstruktionen an, die tanzbar, balladesk oder kunstvoll-poppig gestaltet wurden. Viele Songs besitzen einen zwingenden Groove, der entweder offensiv oder unterschwellig vorhanden ist, sodass die Songs wie selbstverständlich im Gedächtnis bleiben.
Den Anfang macht der ausgeruhte Psychedelic-Pop "Love Is A Distraction", dem der aus Australien stammende Jarrod "J" Mahon seine feminin klingende, weiche, lasziv schmachtende, aggressionsfreie und prägnante Stimme leiht. Eine schnarrende Orgel baut eine schunkelnde Basis auf, das Schlagzeug hüpft und holpert wie angetrunken im Break-Beat-Fieber und sanfte Background-Stimmen versuchen, den zerbrochenen siebenten Himmel zu kitten ("Liebe ist eine Ablenkung. Wenn es vorbei ist, fühlt sich nichts mehr so an wie damals, als du noch da warst.)" Besser kann eine Laune, die gespielte Coolness, tröstende Harmonie und die Annehmlichkeiten eines ablenkenden Rausches beinhaltet, nicht illustriert werden.
Die Londoner Soul-Sängerin Emma Noble darf sich für "Unstoppable" Song-dienlich mit ihrer stabilisierenden, unaufgeregten, ausgeglichen-souveränen Stimme ins Zeug legen. Sie unterfüttert den swingenden Funk-Pop und die lockeren Jazz-Vibes nämlich mit köstlich mundenden Soul-Music-Zitaten. Damit gibt sie der inhaltlichen Darstellung des Songs den Raum, den die im Text beschriebene, selbstbewusste, stolze, eigensinnige Persönlichkeit in der Öffentlichkeit hinterlässt. Ungeachtet ihrer eigenen Sehnsüchte und Zweifel, die aufgrund von gesellschaftlichen Zwängen im Verborgenen bleiben müssen, täuscht sie die starke Frau vor, die man von ihr erwartet.
Mit "Death Of A Hypocrite" folgt ein einminütiges, instrumentales Zwischenspiel, das sich schnell zum knackigen Disco-Sound mit Afro-Beat-Wurzeln entwickelt.
Es sei verraten, dass die bewährte, fesselnde Stimme von J Mahon noch dreimal auf "Waves" auftaucht, so auch bei "Heartbreak (In A Really Good Way)". Und Mahon kann sogar auf unpathetische, aber eindringlich-energische Weise Dramatik und Tragik vermitteln. Die entsprechend weitläufig schwelgende Keyboard-Begleitung stützt und unterstützt diese Haltung angemessen.
Für "Caught In Your Web" wird das POWER in Power-Pop großgeschrieben, denn der Titel geht ab wie ein Zäpfchen. Nicke Andersson von The Hellacopters raut den schlaksigen Song mit seinem schnoddrigen Gesang ordentlich auf. Er sorgt damit für einen derben Rock & Roll-Einschlag bei diesem hochenergetischen, mitreißenden Northern-Soul-Track. Jede Gegenwehr ist zwecklos, das ist ein Rhythmus, bei dem man unweigerlich mitwippen muss.
Bei "Swingin Party" ist der Name Programm, obwohl es sich hier nicht um Swing-Jazz handelt. Vielmehr um einen milden und unerschütterlich gleichmäßig fließenden, sanften Wohlfühl-Pop, der wieder einmal von J Mahon gesanglich elegant veredelt wird. Im Original stammt der Song von Paul Westerberg, der ihn mit den Replacements für das Album "Tim" im Jahr 1985 aufnahm.
Repetitive Krautrock-Elemente, die an Neu! denken lassen, baut Frank Popp bei "Ride" ein, und zwar, ohne dass dieser Winkelzug dazu führt, dass das Lied kopflastig oder anstrengend erscheint. Die Klänge hören sich stattdessen hypnotisch und suggestiv an, genau wie der sachlich-nüchterne Gesang.
Mit dem Titel "Maggot Brain" greift Frank Popp neben "Going Going Gone" nochmal einen Song-Titel aus der Pop-Geschichte auf, ohne das Original als Vorlage heranzuziehen. "Maggot Brain" war der Album-Name und der zehnminütige Long-Track des gleichnamigen 1971er-Funkadelic-Werks vom Funk-Exzentriker George Clinton. Das Stück wird von einem psychedelischen E-Gitarren-Solo von Eddie Hazel durchdrungen, das dem in "Purple Rain" von Prince in nichts nachsteht. Mindblowing! "Maggot Brain" vom Frank Popp Ensemble ist allerdings gar nicht ausschweifend, sondern wurde sauber strukturiert abgeliefert. Irgendwo zwischen Folk- und Soft-Rock findet das Lied sein zu Hause und J Mahon zeigt sich wieder als wandelbar einsetzbarer Interpret, der dem Stück durch seine gedehnten Noten und den wehenden Schwingungen in der Stimme einen eigentümlichen, von gezügelter Leidenschaft geprägten Zustand verleiht.
Bei "Common Stranger" ist erstmalig die Stimme von Audrey Ollesen, die aus der Kölner Mod-Szene stammt, auf einem Tonträger zu hören. Sie umhüllt die Komposition mit Würde und einem Gefühl von Beständigkeit. Vielleicht klingt er deshalb wie eine strahlende Hymne oder wie ein Anwärter auf die Eröffnungs-Nummer für einen James-Bond-Film.
Der Glanz und die Glorie von feministischen Ausstrahlungen erfüllt viele Gesangsdarbietungen auf "Waves" mit Wärme, Erotik und Geschmeidigkeit. Ergänzende Gast-Schwingungen kommen vom Allrounder J Mahon, von Nicke Andersson, der herbe, kratzige, vom Leben gegerbte Töne aussendet und von Gerry Love, der mit seiner geschmeidigen Stimme um Sympathie wirbt.
Mit "Waves" ist Frank Popp wieder eine reife Leistung gelungen. Er kombiniert bekannte und weniger bekannte Stimmen, sodass das Album schon alleine deshalb abwechslungsreich und vielschichtig klingt. Die Mischung aus langsamen und schwungvollen Songs bewirkt eine weitere aufmerksamkeitsfördernde Wirkung. Und die robuste, zeitlos niveauvolle Qualität der Songs ist ein Garant dafür, dass die Musik spannend und süffig erschallt. Das Frank Popp Ensemble schwimmt auf den unvergänglichen, beständigen Wellen, die große Musikerinnen und Musiker im Laufe der Zeit hinterlassen haben und die hier ihren frischen Widerhall finden. Wieder einmal wird die These von den Wellenbewegungen in der Pop-Musik bestätigt, die über Einflüsse, Referenzen und Retrospektiven ausgelöst werden, was die Entwicklung und Qualität der Musik vorantreibt. Genauso, wie es im Buch "Pop steht Kopf" erörtert wird.
Popp ist ein Fuchs, er kennt sich aus und weiß, welche Töne was für Emotionen auslösen können. Frank orientiert sich nämlich vornehmlich an erprobten, bedeutenden Sounds, nicht an schnelllebigen Trends. Das trägt dazu bei, dass seine Lieder in sich stimmig, wertig und stimulierend erscheinen.
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