TINGVALL TRIO - CIRKLAR (2017)

Jazz Trios in der Besetzung Piano, Bass und Schlagzeug gibt es viele. Die meisten davon bestehen aus akademischen Musikern mit Geltungsdrang. Will sagen: Selbstdarstellung geht vor Songdienlichkeit. Nicht so beim TINGVALL TRIO. Auch mit ihrer neuen Platte CIRKLAR beweisen sie, dass sich Fingerfertigkeit und Wohlklang sehr wohl ergänzen können und das Ergebnis erbaulich sein kann.
Das Tingvall Trio verleiht seinem Jazz populäre Formen, ohne sich dabei anzubiedern.
Das Tingvall Trio besteht aus Musikern, die aus drei unterschiedlichen Kulturkreisen stammen: Dem Pianisten Martin Tingvall aus Schweden, dem kubanischen Bassisten Omar Rodriguez Calvo und dem deutschen Schlagzeuger Jürgen Spiegel. Und es scheint, als würde jeder spezielle klischeehafte Tugenden aus seinem ursprünglichen Umfeld in die Musik einbringen: Skandinavische Melancholie vereinigt sich mit lateinamerikanischer Gelassenheit und deutscher Präzision.
„Evighetsmaskinen“ spielt mit der Idee des Perpetuum Mobile, das ja eine fiktive Maschine ist, die ohne Energiezufuhr immer läuft. Was diesen Titel mit der Musik verbindet, bleibt je nach Vorstellungsvermögen des Hörers eventuell offen. Aber die Zuweisung von Titeln zu Instrumental-Stücken ist ja generell eine zwiespältige Sache. Das Piano-Bass-Schlagzeug-Trio hat einen Weg gefunden, ihren Jazz nicht verkopft-spaßtötend, sondern lebendig-frisch klingen zu lassen. Ein perlend-spritziges Piano, das auch Melodielinien aufbaut, ist dabei hier der Hauptantrieb des unbeschwerten Faktors der Musik. Der Bass kümmert sich lediglich um die Grundierung, ohne Solo-Aktivitäten anzustreben. Das ist vorteilhaft für den Spielfluss. Das Schlagzeug begleitet das Geschehen verbindend, abwechslungsreich und aufmerksam. So macht Jazz auch für Laien Laune.
Obwohl „Bumerang“ auch eher aufhellend gestimmt ist, wird hier der Fluss durch Solo-Einlagen leicht gestört, aber dafür die Erwartungshaltung des Standard-Jazz-Hörers befriedigt.

„Vulkanen“ trägt dramatische Züge und erfährt dynamische Steigerungen. Das führt dazu, dass das Piano hart und klirrend angeschlagen wird. Ganz nach der Methode des großen Jazz-Pianisten McCoy Tyner. Das Cello erzeugt bei „Bland Molnen“ eine nachdenkliche Stimmung. Das Piano ist phasenweise auf Melancholie getrimmt, versinkt aber nicht vollständig in Moll-Tönen.
Der „Skånsk Blues“ erfüllt nicht die Erwartung an eine gedämpfte Stimmung, die der Name suggeriert. Beherzt und schwungvoll geht er gegen Traurigkeit an und vermittelt trotzigen Aktionismus. Das Stück „Cirklar“ verfügt über einen attraktiven Melodieansatz, mag aber nicht auf ein Bass-Solo verzichten, welches eher störend als hilfreich klingt. „Sjuan“ legt ein engagiertes Tempo an den Tag, ist aufmunternd und anregend. „Det Gröna Hotellet“ kündet von Einsamkeit und Kummer und endet unerwartet und zu früh.
Kraftvoll und energisch verströmt „Tidlös“ Optimismus. Das Piano perlt spritzig wie Schaumwein und die Begleitung hat alle Mühe, das Tempo mitzugehen. „Psalm“ ist dem Namen entsprechend nach innen gekehrt, wirkt nachdenklich und versonnen. „Karusellen“ swingt prickelnd: Das Piano-Spiel erinnert anfangs an den süffig-voluminösen Anschlag von Norah Jones und weist im Verlauf sprudelnde Vielfalt auf. „Elis Visa“ entzückt mit einer schönen, bedächtigen Melodie, die nur darauf wartet, dass jemand dazu singt. Trotz des Einbaus von Solo-Einlagen verliert der Titel nicht seine Leichtigkeit und Anmut.
Das Tingvall Trio hat verstanden, dass längere Improvisationseinlagen zwar die Fingerfertigkeit der Musiker belegen können, aber nicht unbedingt zur Steigerung des Hörgenusses beitragen. Deswegen halten sie sich damit zurück und benutzen dieses Stilmittel lediglich als Würze und nicht als Hauptzutat. Das unterscheidet sie wohltuend von den klassischen sogenannten „Piano-Trios“. Die Musik der Jazz-Künstler demonstriert flüssige Spiellaune mit intellektuellem Antrieb, ohne dass der Wohlklang zu kurz kommt. Mehr davon!

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