RANDY NEWMAN - Dark Matter (2017)

Verlässlich, kritisch, einzigartig: Diese Eigenschaften können ohne Übertreibung auch bei "Dark Matter" RANDY NEWMAN zugewiesen werden.

Der Singer-Songwriter hat jetzt mit DARK MATTER seinen ersten Liederzyklus seit HARPS AND ANGELS aus 2008 vorgelegt und überzeugt wieder auf der ganzen Linie.
Randy Newman unterstreicht erneut seinen Ruf als anspruchsvoller und individueller Singer/Songwriter.
Sein Name ist nicht unbedingt Jedem geläufig, aber seine Musik ist Vielen schon begegnet: Als Freund von Animationsfilmen aus dem Hause Pixar konnten seine dazu gehörenden Soundtracks wahrgenommen werden. Im TV traf man bei der Titel-Melodie der Serie „Monk“ auf ihn und als Anhänger der Singer-Songwriter-Szene geht seit Ende der 1960er Jahre sowieso kein Weg an ihm vorbei. Die Rede ist von Randy Newman, dessen kompositorisches Talent in der Familie liegt, denn seine Onkel Alfred, Lionel und Emil waren erfolgreiche Film-Musik-Lieferanten für klassische Hollywood-Streifen.
Randys Karriere wollte zunächst nicht richtig in Gang kommen. Sein Debüt von 1968 wurde sogar verschenkt, so schlecht lief es. Der mit Hornbrille ausgestattete, bieder aussehende kalifornische Musiker taugte auch nicht zum Poster-Boy der Szene und seine nasal-nuschelnde Stimme sowie sein zynisch-satirischer Humor waren nicht von vornherein dazu geeignet, den Mainstream zu erobern. Aber damals gab es bei den großen Plattenfirmen - wie in diesem Fall bei Warner Brothers - noch Talentförderer, die Qualität erkannten und den Mut hatten, in einen begabten Künstler Zeit und Geld zu investieren. Newman war als differenzierter, unbequemer Betrachter mit seinem Silben verschluckenden Tonfall nicht leicht zu vermarkten. Aber seine Songs hatten schon immer eine spezielle Note, schöpften aus Evergreen-Traditionen und verrieten eine erstaunliche Musikalität.
Randys Kompositionen sind am Oldtime-Jazz, an Broadway-Musicals, an Filmmusiken und an Wiener Klassikern wie Mahler, Schubert und Strauss geschult. Pop- und Rock-Einflüsse werden nur bis zu den 1970er Jahren zugelassen. Aus diesen Zutaten zimmert Newman immer wieder seine gediegenen, hymnischen Moritaten, die mal üppig orchestriert, mal geradeaus rockend oder nur zur Piano-Begleitung vorgetragen werden. Randy betätigt sich bei seinen Erzählungen eigentlich als Gesellschafts- und Verhaltensforscher. Sein Interesse für menschliche Eigenarten und politische Zusammenhänge spiegelt sich in vielen Texten wider. Deshalb stecken hinter seinen Aussagen in der Regel keine eigenen Erlebnisse. Er schlüpft in die Rolle seiner Protagonisten, ohne dabei als Ergebnis seiner Analysen Kalenderblattweisheiten zu präsentieren.
Dark Matter - Newman, Randy: Amazon.de: Musik
„Dark Matter“ ist Newmans erster neuer Liederzyklus seit „Harps And Angels“ von 2008 und wird durch das achtminütige Mini-Musical „The Great Debate“ eröffnet. Wissenschaft und Religion streiten sich hier über wichtige Themen der Menschheit und Cabaret- sowie Vaudeville-Passagen finden genauso ein zuhause wie auch dramatische, psychedelische und fröhlich-ausgelassene Szenen. Am Ende des Stücks zitiert sich Newman selbst, indem er eine Melodiefrequenz einbaut, die an „You`ve Got A Friend In Me“ aus seinem „Toy Story“-Soundtrack angelehnt ist.

„Brothers“ beinhaltet eine fiktive Szene, die ein Gespräch zwischen Präsident John F. Kennedy und seinem Bruder Robert enthält. Sie spielt kurz vor der durch Exilkubaner ausgeführten und von der USA initiierten Invasion in der Schweinebucht auf Kuba im Jahr 1961. John F. bekennt darin seine heimliche Liebe zur kubanischen Sängerin Celia Cruz. Musikalisch tummelt sich der Track zunächst im episch-dramatischen Breitwand-Modus um dann in beschwingte Latino-Gefilde umzuschwenken.
Trump-Bashing ist einfach und an der Tagesordnung. Damit gibt sich Randy Newman noch nicht ab. Er zieht lieber den russischen Machthaber „Putin“ einfallsreich, genüsslich und ironisch durch den Kakao. „Lost Without You“ und „She Chose Me“ offenbaren das Flair einer gefühlsbeladenen Hollywood-Produktion, während „Sonny Boy“ die wahre Geschichte des Blues-Musikers Sonny Boy Williamson des Zweiten erzählt. Dieser übernahm den Künstlernamen von einem Blues-Harmonika-Spieler gleichen Namens und feierte damit in den 1960er Jahren Erfolge. „It's A Jungle Out There (V2)“, das Titelthema der TV-Serie „Monk“ um einen genialen Privatermittler mit autistischen Verhaltensstörungen, bekommt hier ein vollständiges, neues Ragtime-Swing-Gewand verpasst. Im Kaffeehaus-Musik-Stil läuft dann das heiter-gelassene swingende „On The Beach“ ab und „Wandering Boy“ ist eine typische, eindringliche Newman-Ballade, die nur zum Piano vorgetragen wird.
Randy Newman gibt mit „Dark Matter“ sowohl seinen Fans wie auch seinen Kritikern Recht. Seine Anhänger bekommen die gewohnt hohe Songqualität geboten und die Personen, die der Meinung sind, Newman wiederhole sich ständig selbst, werden sich auch bestätigt fühlen. Newman bleibt eben Newman. Als langsam arbeitender, gründlicher Autor können von ihm ausgereifte Songs erwartet werden und genau die liefert er auch nach vierjähriger Entstehungszeit auf „Dark Matter“ ab. Eigentlich hält sich der Individualist immer relativ kurz und knapp in seinen Aussagen, aber mit dem achtminütigen „The Great Debate“ hat er seinen bislang längsten Song abgeliefert. Es gibt eben viel zu berichten in diesen unruhigen Zeiten. Und Randy Newman ist ein wacher und kritischer Zeitgenosse. Nicht nur die USA braucht ihn deshalb dringend, damit jemand intelligent und einfallsreich die Finger in die Wunden der Gesellschaft legt! Die gesamte Musik-Szene wäre ein ganzes Stück ärmer, würde sich der großartige 73-Jährige zur Ruhe setzen. Aber das kommt für den leidenschaftlichen Song-Konstrukteur wahrscheinlich sowieso nicht in Frage.

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