Calexico - The Thread That Keeps Us (2018)

Auf CALEXICO ist auch bei THE THREAD THAT KEEPS US Verlass!

Mit THE THREAD THAT KEEPS US haben CALEXICO wieder ein überraschendes Album vorgelegt, das trotz der bekannten Strukturen frisch klingt, weil das Soundspektrum unter anderem durch forsche, zerrende und druckvolle E-Gitarren-Töne scharfe Bestandteile verliehen bekommt.
Burns, Convertino & Co. fügen dem Mikrokosmos ihrer vielseitigen Roots-Music weitere attraktive Varianten hinzu.
Mehr als 20 Jahre sind vergangen, seit die Multitalente Joey Burns (hauptsächlich Gesang, Gitarre) & John Convertino (hauptsächlich Schlagzeug) neben ihren Aktivitäten bei Giant Sand und Friends Of Dean Martinez mit „Spoke“ das erste Mal ein gemeinsames Album aufnahmen. Seitdem erspielten sie sich besonders in Westeuropa auf Tonträgern und bei Konzerten einen hervorragenden Ruf und veröffentlichen jetzt ihr neuntes offizielles Studiowerk. Benannt nach einer Stadt an der Grenze von Kalifornien und Mexiko zeigen sich auch im Sound von Calexico die kulturellen Eigenarten dieser beiden Landstriche, die sich musikalisch in einem Mix aus berührendem Country-Folk, schwungvollen Latino-Rhythmen, schleifenden Psychedelic- und Desert-Rock-Attacken, heimatverbundener mexikanischer Folklore, atmosphärischem Jazz, erhabenen Spaghetti-Western-Soundtrack-Impressionen und quirliger Surf-Music ausdrückt.
Durch die Verlagerung von Schwerpunkten in diesem Sound gelang es der grade als Septett ausgeprägten Gruppe, die nebst Gastmusikern durchaus schon mal aus einem Ensemble von mehr als einem dutzend Musikern bestehen kann, immer mal wieder für frische, abwechslungsreiche Nuancen im Klangbild zu sorgen. Diese Suche nach anderen Ausdrucksformen führte bei den neuen Kompositionen allerdings oft zu überraschend rauen, unpolierten Ausprägungen. Das erste offizielle Studio-Album nach „Edge Of The Sun“ aus 2015 beginnt mit der Single-Auskopplung „End Of The World With You.“ Das ist ein Song, der sowohl die Pop-Orientierung der Formation wie auch den reanimierten Hang zum psychedelischen Desert-Rock abbildet. Das prädestiniert den Titel als zukünftigen Konzert-Favoriten. Laut Joey Burns ist der klirrende, manchmal verzerrte, aber gleichzeitig melodische Klang auch von einigen seiner Indie-Rock-Favoriten wie Pavement, Sebadoh oder The Replacements beeinflusst. Die teils im Hintergrund laufende raumgreifende E-Gitarre hat auch Ähnlichkeit mit dem flächigen Klang von Robert Fripps Saitenzauber bei David Bowies „Heroes“.
The Thread That Keeps Us - Calexico: Amazon.de: Musik
„Voices In The Field“ macht sich geschmeidig-orientalische Rhythmen zu Nutze, wie sie häufig bei nordafrikanischen Desert-Blues-Bands Verwendung finden. Hier zeigt Calexico eine exotische Nuance, die lückenlos in ihr bewährtes Cumbia-Sound-Spektrum passt. Ganz nebenbei gibt es hier noch Parallelen zu „For Your Love“ der Yardbirds zu entdecken.

„Bridge To Nowhere“ beginnt hitzig, wird aber von Joey Burns souverän, elegant und überlegen im Zaum gehalten, denn sein um Harmonie bemühter Gesang glättet die aufgewühlten Wogen. „Spinball“ stellt ein kurzes instrumentales Intermezzo dar, das sich auch als atmosphärisches Stimmungsbild für einen Film eignen würde.
Eine Wiederbelebung der stoisch trockenen Schlagzeug-Maschine des Timmy Thomas Hits „Why Can`t We Live Together“ aus dem Jahr 1972 trifft bei „Under The Wheels“ auf einen lockeren Reggae-Rhythmus und ein stabiles Country-Folk-Gerüst. Der Funk-Reggae-Takt fügt dem Stück eine tanzbare Komponente hinzu und der erzählerische Part des Gesangs erdet das Lied. Majestätische Mariachi-Trompeten, das Schwelgen der Geigen und der sehnsüchtige Anteil des Gesangs entführen den Hörer zwischendurch in eine gefühlsbetonte Welt. Der Track wurde von Sergio Mendoza, dem spanischen Keyboarder der Band verfasst, der ihn für eine Verbindung von Latin-Grooves mit Punk-Rock vom Kaliber von The Clash hält. Burns erinnert das Stück hinsichtlich seiner Schwingungen an David Bowies „Let`s Dance“-Phase. So unterschiedlich können Wahrnehmungen ausfallen. Gleichzeitig zeigt dieses Beispiel, wie detailreich die aktuellen Calexico-Stücke gestaltet wurden. Die orchestrierte Ballade „The Town & Miss Lorraine“ ist z.B. sehr weich, romantisch und süß ausgefallen und „Flores Y Tamales“ entführt als folkloristischer Ausflug nach Mexiko.
Für „Another Space“ werden Funk-, Jazz- und Electronic-Grooves als Minimal-Art-Pop für die Tanzfläche aufbereitet. Der universell einsetzbare Trompeter Martin Wenk bekommt dann beim sakralen Folk-Pop-Zwischenspiel „Unconditional Waltz“ einen gemütlich-heimeligen Ansatz. Der akustische Pop von „Girl In The Forest“ erinnert im Anschluss kompositions- und gesangstechnisch an John Lennon. Bei „Eyes Wide Awake“ lässt sich der Hauptsongwriter und Sänger Joey Burns nicht durch die drängende E-Gitarre aus der Ruhe bringen und führt den Song trotz des Unruhestifters durch ruhige Fahrwasser ins Ziel. Für „Dead In The Water“ werden oberflächlich betrachtet schwer rockende Zutaten benutzt, um den Track auffällig in Szene zu setzen. Die strammen Riffs werden dabei durch eine offene Melodieführung vor dem Bersten bewahrt.
Das wortlose „Shortboard“ glitzert wie Tau in der Sonne und hinterlässt einen gelassenen, verträumten, aber auch bruchstückhaften Eindruck. „Thrown To The Wild“ ist eines dieser atmosphärischen Stücke, bei denen Poesie, Wehmut nebst Fernweh zusammenkommen und sich in einem ruhigen Folk-Jazz-Modus vereinen. Der akustische Country-Twang von „Music Box“ weiß zum Schluss durch eine feine Melodie und eine friedvolle Stimmung zu überzeugen.
„The Thread That Keeps Us“ wird alle Skeptiker, die eine Stagnation in der Kreativität von Calexico befürchtet haben, eines Besseren belehren. Die neuen Songs wurden raffiniert und kompakt arrangiert, strotzen vor Ideen und sind dabei stilistisch vielfältig aufgebaut worden. Dadurch, dass forschen, zerrenden und druckvollen E-Gitarren-Tönen ein relativ breites Feld eingeräumt wird, bekommen die Tracks eine ordentliche Grundschärfe verliehen. Somit können es sich Burns, Conventino & Co. sogar erlauben, ab und zu sehr sanft zu agieren, ohne dabei ins Seichte abzudriften. Kompositorisch und instrumentell ist „The Thread That Keeps Us“ ein Album, das mit einem hohen Wiedererkennungswert bei alternativen Ausdrucksformen ausgestattet wurde. Das sorgt für ein spannendes, unterhaltsames Hörvergnügen. Übrigens: In guter Tradition wird es auch von „The Thread That Keeps Us“ wieder eine limitierte Auflage mit Bonus-CD geben. Wer sich beeilt, hat also die Chance, noch sieben zusätzliche Tracks aus den Aufnahmesessions abzugreifen.

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