Hodja - We Are The Here And Now (2019)

Hodja gehen mit "We Are The Here And Now" dahin, wo es weh tut und leben ihren brodelnden, animalischen, schweißtreibenden Underground-Rock aus.
Das Trio Hodja mit Wurzeln in Dänemark und den USA agiert fiebrig, ungeschliffen, traditions- und selbstbewusst sowie rumpelig-abgehangen und holt sich seine Inspirationen beim frühen Rhythm & Blues und bei diversen Underground-Rockern aus allen Dekaden seit den 1960ern. Nach „Hodja The Band“ (2015), „Halos“ (2016) und „The Flood“ (2018) geht der Wahnsinn jetzt mit "We Are The Here And Now" ungebremst weiter.
Du meine Güte! Wie viel Wut muss sich aufgestaut haben, um solch brachiale Töne absondern zu können? „God Of War“ verbreitet Chaos und Anarchie und feiert zwischendurch ausgelassen mit HipHop-Einschüben. Diese Gegensätze stoßen sich hemmungslos ab und bilden ein zum zerreißen intensives Stück. Rolle rückwärts: Der Track „We Are The Here And Now“ wirkt schläfrig oder desillusioniert. Musikalisch wird vom Fieber ausgelaugter Country-Rock dargeboten, der hinterlistig und anpassungsfähig wirkt. Jederzeit könnte der Song ins Schmalzige oder Ausgeflippte abdriften. Tut er aber nicht.
„Strike Up The Band“ und „The Serpants Path“ sind staubig-trockene, knarzige, aufsässige Folk-Rocker, wie sie in dieser lässig-überheblichen Form z.B. von Calvin Russell zelebriert wurden. Auch der markige, Voodoo-Blues-infizierte Sound von Mark Lanegan liegt nicht fern. Der wäre übrigens gut beraten, diese wilde, zu allem entschlossene Bande zu seinen Kumpanen zu machen. Kaputt-Rock mit groovenden Rhythmen bietet „Wasted“ und bittet auf diese Weise verlorene Seelen zum Tanz, die dann bei „I.D.“ zum Himmel schreien und auf Erlösung hoffen.
Der harte Blues-Rock „Fronting“ verweist auf Delta-Blues-Ursprünge, wurde ansatzweise akustisch, aber überwiegend elektrisch umgesetzt und ansatzweise versöhnlich, aber überwiegend bissig interpretiert. Hätten Led Zeppelin und Jon Spencer eine gemeinsame Band gegründet, würde sie vielleicht wie „Chicago“ klingen. Jedenfalls handelt es sich hier um meisterhaft dröhnenden, sprudelnden, überkandidelten Grunge-Punk. Der New Wave-Speed-Boogie „Clear“ überholt alles, was sich ihm in den Weg stellt und macht keine Gefangenen, während „Fairies Wear Boots Revisited“ (im Original auf „Paranoid“ (1970) von Black Sabbath) durch den waidwunden Gesang und die schleppenden, schweren Rhythmen wie ein räudiger, vergessener Song einer Zusammenarbeit von ZZ Top mit The Doors („Morrison Hotel“, 1970) klingt.
Bei der Produktion von „The Flood“ stand die Zukunft der Gruppe auf der Kippe, denn Sänger Gamiel Stone war wieder in die USA gezogen. Neues Material kam zunächst nur durch Proben von F.W. Smolls (Schlagzeug) und Tenboy Levinson (Gitarre) zustande. In einer Studio-Session von einer Woche wurden die Ideen dann zusammengetragen und mit dem eigens dafür angereisten Sänger konsolidiert und spontan verwirklicht. Umso erstaunlicher ist es, das jetzt innerhalb eines Jahres ein stimmiges Werk gelungen ist, das den Eindruck hinterlässt, es wäre im Gegensatz zum Vorgänger viel gemeinsame Zeit in die Vorbereitung geflossen.
„We Are The Here And Now“ ist die bisher beste Platte von Hodja. Sperrige HipHop-Ausflüge wurden bis auf das Nötigste zusammengestrichen, aber das Feld des dreckigen Rhythm & Blues konnte reichhaltig abgeerntet und die gewonnenen, halbvergorenen Früchte über weite, endlose Highways zu den pulsierenden Metropolen transportiert werden, um sie verschwitzten, ekstatischen Tänzern im Underground auf dem Goldtablett zu servieren. Die dafür herausgearbeiteten Songs sind stimmig, hypnotisch, selbstbewusst, aufwühlend und voller Schmerz und Herzblut. Die Essenz des Rock & Roll eben. Pur, rau und ehrlich.
Erstveröffentlichung dieser Rezension: Hodja - We Are The Here And Now

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